Archiv

Bürgermeisterwahl auf Sylt
Mit Promi-Bonus auf der Promi-Insel

Das Rennen um das Rathaus auf Sylt geht weiter: Die als CSU-Rebellin bekannt gewordene Politikerin Gabriele Pauli tritt in einer Stichwahl gegen den Zweitplatzierten Nikolas Häckel an. "Schöne Landrätin" aus Bayern gegen nativen Sylter - die Meinungen zu dem Duell sind geteilt auf der Nordseeinsel.

Von Dietrich Mohaupt |
    Gabriele Pauli, unabhängige Kandidatin für das Bürgermeisteramt auf Sylt, sitzt am 14.12.2014 in Westerland auf Sylt (Schleswig-Holstein) bei einer Wahlveranstaltung im Rathaus. Die ehemalige Landrätin aus Fürth erreicht 30,8 Prozent der Stimmen und muss sich am 11.01.2015 einer Stichwahl stellen.
    Will Bürgermeisterin von Sylt werden: "CSU-Rebellin" Gabriele Pauli (picture alliance / dpa / EPA /Carsten Rehder)
    Bürgermeisterwahlen auf Sylt - eigentlich könnte man sich das ja schenken, schließlich gibt es den "Bürgermeister" bei so ziemlich jedem Bäcker um die Ecke täglich frisch zu kaufen. Ich versuche mein Glück im Garten-Café von Jürgen Ingwersen im Sylter Ortsteil Morsum.
    "Moin - ich hätte gerne ein Stück 'Bürgermeister'." - "Ja, Bürgermeister haben wir hier - das ist der schöne Bürgermeister. Also - Bürgermeister ist ein Hefeteig mit Marzipan drin. Ein altes Gebäck, das früher der Bürgermeister hier auf Sylt gerne gegessen hat - und deswegen hat es den Namen "Bürgermeister" erhalten."
    So ist das also bei den sturmerprobten Friesen im Norden der Republik. Die backen sich einfach ihren "Bürgermeister". Naja, vielleicht ist das ja auch ein Grund für die etwas magere Wahlbeteiligung an diesem 3. Advent 2014, die lag nämlich nur bei etwas über 50 Prozent. Dabei ging es doch um einiges auf der "Insel der Schönen und Reichen". Die Probleme sind bekannt: explodierende Immobilienpreise, Mangel an bezahlbarem Wohnraum - daraus resultierend Abwanderung vor allem junger Familien mit Kindern, Überalterung der Inselbevölkerung. Eine Zahl spricht Bände: exakt 12.824 Sylter waren gestern wahlberechtigt, vor einer Woche waren es laut Wahlleiterin noch 136 mehr. Sylter Urgesteine wie der Morsumer Reinhold Schmitz betrachten diese Entwicklung mit zunehmender Sorge.
    "Wohnungsbau - da bröckelt es, für die Kultur, für die Vereine und so weiter wird das immer schwieriger, wenn der Wohnraum fehlt, wenn die jungen Familien nicht im Dorf wohnen. Wenn heute schon 57 Prozent der Immobilien in fremder Hand ist, dann ist das schon ein Anzeichen dafür, dass die Insel doch schon in gewissem Sinne fremdbestimmt wird."
    Bundesweites Medieninteresse
    Vor diesem Hintergrund hatte sich im Sommer dieses Jahres Gabriele Pauli zu Wort gemeldet - die ehemalige "CSU-Rebellin" ging als unabhängige Kandidatin ohne Unterstützung einer der Parteien ins Rennen, immerhin gegen fünf Mitbewerber. 18 Jahre lang war die heute 57-Jährige Landrätin in Fürth, sie war es, die den CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber stürzte, dann selbst bei der Wahl zum Parteivorsitz scheiterte und die CSU verließ. Für die "Freien Wähler" zog sie später in den bayerischen Landtag ein, versuchte noch ihre eigene Partei zu gründen - und machte schließlich ein Jahr "Politikpause".
    Jetzt ist sie wieder da - im ersten Wahlgang der Sylter Bürgermeisterwahl hat es zwar nicht zum Sieg, aber immerhin für die meisten Stimmen gereicht. Im überfüllten Sitzungsraum der Gemeindevertretung im Rathaus von Westerland werden die entscheidenden Zahlen verkündet: "30,6 Dr. Gabriele Pauli - 27,0 Prozent Nikolas Häckel".
    Knappe Führung also nach dem ersten Wahlgang für Gabriele Pauli mit 30,6 Prozent vor dem - auf Sylt geborenen - Bauamtsleiter aus der Gemeinde Kronshagen bei Kiel, Nikolas Häckel, der immerhin 27 Prozent der Wählerstimmen erhalten hat. Soweit das vorläufige amtliche Endergebnis - es folgt ein regelrechter Ansturm von Kamerateams aus ganz Deutschland und ein Blitzlichtgewitter der Fotografen.
    "Herr Häckel - einmal wo die Hand ist, genau ... für die Bildzeitung, das ist ein Traum - die dpa freut sich auch ... Frau Pauli, einmal noch in die Mitte - das ist ein Traum! Und Herr Häckel auch ... super!"
    Die Kandidaten für die Stichwahl um den Bürgermeisterposten auf Sylt stehen damit fest - die Meinungen dazu sind geteilt. Pauli gegen Häckel - die "schöne Landrätin" aus Bayern gegen den 40-jährigen gebürtigen Sylter.
    "Das war zu erwarten. Pauli - Sylt, das geht gut zusammen"
    "Frau Pauli hat natürlich einen Promi-Bonus, aber Sylt ist ja auch bekanntermaßen eine Promi-Insel."
    "Das ist eine fähige Frau mit Erfahrung, macht einen netten Eindruck - warum denn nicht?"
    "Das haben wir nicht verdient, diese kleine Insel, wo wirklich nur noch 17- oder 18.000 Leute wohnen, dass wir hier so einen Zirkus machen - das ist ja schlimmer als bei einer Bundestagswahl, das wäre ja genau so, als wenn Angela Merkel jetzt Bürgermeisterin würde in Kiel."
    "Ich schätze wenn jetzt die nächste Wahl kommt, also die Stichwahl, dann ist meine persönliche Meinung Häckel."
    Stichwahl am 11. Januar
    Ebenjener Nikolas Häckel will jetzt erst einmal über die Weihnachtstage ein wenig durchatmen - und dann wieder voll angreifen. "Ich denke, ich werde den Wahlkampf Revue passieren lassen, einmal entspannt alles durchdenken und dann vielleicht noch ein bisschen mehr zeigen wer ich bin."
    Das, glaubt Gabriele Pauli ganz fest, habe sie nicht mehr nötig, sie sei inzwischen voll angekommen auf der Insel, das beweise das Ergebnis des ersten Wahlgangs. "Bei sechs Bewerbern ist es ein gutes Ergebnis - und ich kann eigentlich nur sehr zufrieden sein für mich, denn es hieß ja auch am Anfang: 'Die kommt nicht von hier'. Inzwischen ist das kein Thema mehr."
    Am 11. Januar sind die Sylter also noch einmal gefragt - Stichwahl um den Chefposten im Rathaus von Westerland. Bundesweites Medieninteresse dürfte dann wieder garantiert sein.