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Bulgarien
Selbsternannte Flüchtlingsjäger an der Balkanroute

Gefesselt mit Kabelbindern, den Kopf auf den Boden gedrückt - solche Bilder stellen selbsternannte Migrantenjäger in Bulgarien ins Internet. Sie überwältigen Flüchtlinge an der bulgarisch-türkischen Grenze und "verhaften" sie. Bulgariens Premier Boiko Borissow lobte die "Flüchtlingsjäger" anfangs. Nun wollen die Behörden aber gegen sie vorgehen.

Von Karla Engelhard | 19.04.2016
    Drei junge Männer mit Rucksäcken liegen mit dem Gesicht nach unten am Boden. Mit Kabelbindern werden ihnen die Hände gefesselt. Dann werden sie angeschrien.
    Der selbst ernannte Flüchtlingsjäger und seine Helfer stellten das Video anschließend ins Netz, nicht zum ersten Mal. Vor allem in den Dörfern und Städten im Grenzgebiet zur Türkei haben sich Bürgerwehren gebildet, die Jagd auf Flüchtlingen machen. Vom bulgarischen Premier Boiko Borissow kam bisher Lob dafür:
    "Jede Hilfe für die Polizei, die Grenzpolizei und den Staat, ist willkommen. Man darf nur seine Befugnisse und das Gesetz nicht überschreiten. Der Staat gehört uns allen. Jeder, der hilft, verdient ein Dankeschön."
    Doch nachdem das Video im Netz veröffentlicht wurde, hat sich die Stimmung geändert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt und der Anführer ein der selbst ernannten Flüchtlingshelfer wurde festgenommen. Gegen Premier Borissow hat das Helsinki-Komitee Bulgariens geklagt, wegen Unterstützung der sogenannten Flüchtlingsjäger. Die bulgarische Grenzpolizei sei in der Lage, die Grenze allein zu schützen, meint, Krassimir Kanew, vom Helsinki-Komitee:
    "Wir können keinen absoluten Schutz verlangen, den gibt es nirgends. In Bulgarien wird aber die Grenze sogar besser geschützt als in den anderen Ländern. Das liegt sowohl am Grenzzaun, der zur Türkei gebaut wurde, als auch an der Arbeit der Grenzpolizei, die manchmal ziemlich brutal gegen Flüchtlinge vorgeht."
    Begonnen hat Bulgariens Flüchtlingsjäger-Kult vor Wochen mit Dinko Walew. Der 29-jahrige Schrotthändler griff, unter großem Beifall der bulgarischen Medien, Flüchtling in den Wäldern nahe seiner Heimatstadt Jambol im Süden des Landes auf. Mit einem Motorrad auf vier Räder raste er durch die Wälder, mittlerweile hat er Helfer und zwei ausgediente Panzerwagen. Sein Statement zu Flüchtlingen:
    "Diese Leute, die illegal nach Bulgarien und in die EU kommen, haben hier nichts zu suchen. Sie sind gefährlich für die Gesellschaft. Sie bringen Menschen um. Es ist eine Tatsche. Bomben in Belgien, in Frankreich, Ankara und anderswo. Ich kann nicht verstehen, warum die Regierungen sie aus Europa nicht wegschicken. Das sind böse Menschen, sie haben hier nichts zu suchen."
    Melden ja, festnehmen nein
    Der Grenzzaun zwischen dem EU-Mitglied Bulgarien und der Türkei ist derzeit etwa 36 Kilometer lang, soll aber bis Juni diesen Jahres verlängert werden. Die bulgarische Grenzpolizei wird von einigen hundert Soldaten unterstützt. Offiziell dürfen selbst ernannte Bürgerwehren Flüchtlinge melden, nicht festnehmen, schlagen oder zurückschicken. Für Bisser Russimow vom Verein für die Verteidigung der bulgarischen Bürger in Burgas, der von der Grenzpolizei bereits ausgezeichnet wurde, kein Problem:
    "Wir patrouillieren nicht. Wir treiben Sport im Wald und helfen unter anderem den Behörden. Wenn wir Grenzverletzer sehen, melden wir sie. Zurzeit sind es viele, der Wald ist voll."
    Seitdem die Balkanroute dicht ist, fliehen mehr Männer, Frauen und Kinder illegal über die türkisch-bulgarische Grenze. Nach inoffiziellen Angaben sollen bis zu 800 Menschen pro Nacht illegal allein aus der Türkei nach Bulgarien kommen.