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Bund-Länder-Finanzausgleich
Ex-Finanzpolitiker fordern grundsätzliche Reform

Eine parteiübergreifende Koalition ehemals führende Finanzpolitiker, der "Konvent für Deutschland", wirft der Großen Koalition vor, bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen eine historische Chance zu verpassen. Sie fordern, den Finanzausgleich nicht mehr zwischen den Ländern, sondern nur über den Bund zu regeln.

Von Stephan Detjen | 02.12.2014
    Modellfiguren inmitten von Euromünzen, im Hintergrund steht "Soli" geschrieben.
    Der "Konvent für Deutschland" möchte die bundesstaatliche Solidarität nicht mehr unmittelbar zwischen starken und schwachen Ländern, sondern nur noch über den Bund einlösen. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Es ist ein Warnruf in der Tradition Roman Herzogs: Ein Ruck muss durch den Föderalismus gehen. Ehemals führende Finanzpolitiker von Union, SPD, Grünen und FDP, haben sich im "Konvent für Deutschland" zusammengetan und beobachten mit Sorge, wie die Politik dieser Tage über die Neuordnung des Bund-Länder- Finanzausgleichs ringt:
    "Im Moment passiert eigentlich gar nichts, wenn ich das richtig sehe. Es geht in die falsche Richtung, ja möchte ich ganz eindeutig sagen", erklärt Gerhard Stratthaus, bis 2008 Finanzminister von Baden-Württemberg. Bei der Vorstellung des gemeinsamen Reformaufrufs steht er neben dem Sozialdemokraten Henning Voscherau:
    "Sich durchwursteln reicht nicht", sagt der ehemalige Bürgermeister von Hamburg und zeichnet ein verfassungsrechtliches Katastrophenszenario für den Fall auf, dass es nicht zu einer fundamentalen Neuordnung komme:
    Ex-Finanzpolitiker wollen Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen
    "Landtage werden dann Haushalte verabschieden unter Verstoß gegen die Schuldenbremse. Und dann landet das Ganze in Karlsruhe und vor dem Europäischen Gerichtshof, wenn man Pech hat. Dann fahren da große Lokomotiven gegeneinander und was danach noch heil bleibt – die Demokratie?"
    Die gegenwärtige Debatte aber verfange sich in Einzelfragen. So lasse sich keine beherzte Bresche in das undurchschaubare Dickicht des föderalen Finanzgeflechts schlagen, meint auch Christine Scheel, ehemalige Finanzexpertin der Grünen im Bundestag:
    "Es ist falsch, einzelne Dinge zu diskutieren und Ausschlusskriterien zu setzen jetzt. Also, wenn die einen sagen: 'Entschuldung der ärmeren Länder geht gar nicht, das machen wir nicht mit', dann ist die Diskussion tot. Die anderen sagen 'wir wollen den Soli abschaffen' – dann ist die Diskussion tot."
    Noch, gerade noch, so meinen die ehemaligen Finanzpolitiker des Konvents für Deutschland, sei ein historisches Zeitfenster geöffnet, in dem die Große Koalition mit ihrer verfassungsändernden Mehrheit eine grundsätzliche Reform der Bund-Länder-Finanzen in die Wege leiten könne. Um konkrete Reformvorschläge zu formulieren, haben sich die Ex-Politiker vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW in Mannheim ein umfangreiches Gutachten erstellen lassen.
    Der Finanzausgleich soll demnach nicht mehr zwischen den Ländern erfolgen, sondern nur noch über den Bund geregelt werden, erklärt der Volkswirtschaftsprofessor Karl Heinz Paqué, der als FDP Politiker bis 2006 Finanzminister in Sachsen Anhalt war:
    "Wesentliche Eckpunkte sind, dass wir nicht einen horizontalen und einen vertikalen Finanzausgleich übereinander stecken, sondern dass wir es bei einem vertikalen Finanzausgleich belassen, also nur eine Finanzierung über den Bund."
    Verantwortung der Länder durch eigene Steuern stärken
    Die bundesstaatliche Solidarität würde damit nicht mehr unmittelbar zwischen starken und schwachen Ländern, sondern nur noch über den Bund eingelöst. Um die Verantwortung der Länder zu stärken, sollen sie das Recht erhalten, Zu- oder Abschläge auf die Einkommensteuer zu erheben. Nur dadurch könnten die Handlungsspielräume ersetzt werden, die den Ländern durch die Schuldenbremse entzogen werde, meint Baden-Württembergs Ex-Finanzminister Stratthaus:
    "Wir müssen tatsächlich jetzt rangehen, dass größere Veränderungen kommen. Dann müssen wir zum Beispiel den Ländern die Möglichkeit geben, eigene Steuern zu erheben. Die ganze Zeit haben sie zwar keine Steuern erheben können, sie konnten aber im Notfall noch Schulden machen. Aber jetzt können sie nicht mal mehr Schulden machen. Da muss was geschehen."
    Von so tiefgreifenden Überlegungen ist die Reformdebatte der gegenwärtigen Politik jedoch weit entfernt. Bewusst hat sich die Große Koalition im letzten Herbst dagegen entschieden, eine neue Föderalismuskommission einzusetzen, in der man die Bund-Länder-Beziehungen noch einmal grundsätzlich hätte überdenken können. Noch allerdings reiche die Zeit bis zum Jahr 2019, um das Ruder noch einmal herumzuwerfen, meint Stratthaus und erklärt, wer den Schlüssel dazu in der Hand halte:
    "Die Parteien, die die Große Koalition und die Bundesregierung bilden, zu einem ganz großen Teil. Denn von dort muss der Anstoß kommen. Davon bin ich fest überzeugt."