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Bundesdatenschutzbeauftragte
"Systematische Gesetzesverstöße" durch den BND

Der BND soll bei Abhöraktionen systematisch gegen Bestimmungen des Datenschutzes verstoßen haben. So steht es nach Medienberichten in einem Gutachten von Deutschland oberster Datenschützerin Andrea Voßhoff. Wenn es nach ihr ginge, müsste der BND weite Teile seiner Überwachung beenden und massenhaft illegal gespeicherte Daten löschen.

02.09.2016
    Radarkuppeln stehen am 07.05.2015 in Bad Aibling (Bayern) auf dem Gelände der Abhörstation des Bundesnachrichtendienstes (BND).
    Der BND soll unrechtmäßig Daten erhoben haben. (dpa / picture-alliance / Angelika Warmuth)
    NDR und WDR zitieren aus einem geheimen Gutachten der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff, wonach der BND "ohne Rechtsgrundlage personenbezogene Daten erhoben und systematisch weiter verwendet" habe. Die Gesetzesverstöße wögen nach Voßhoffs Ansicht so schwer, dass der BND weite Teile seiner Arbeit in der Überwachungsstation Bad Aibling einstellen müsse. "Nach geltendem Recht sind die in diesen Dateien gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen", heißt es demnach in Voßhoffs Geheimgutachten.
    Anfrage für die NSA ohne Nutzen für BND
    Voßhoff hatte untersucht, wie der Bundesnachrichtendienst Telekommunikationsdaten überwacht. Der Bericht ist laut den beiden Sendern auf März datiert und listet auf 60 Seiten ausführlich auf, wie der BND systematisch und regelmäßig gegen Grundrechte verstößt. Voßhoffs Fazit fällt verheerend für den BND aus: In der Überwachungsstation in Bad Aibling wurden demnach personenbezogene Daten gesammelt, gespeichert und verwendet, ohne dass es dafür eine rechtliche Grundlage gab.
    Konkret soll der BND mit Hilfe einer Software des US-Geheimdienstes NSA Daten erhoben haben, die für die Erfüllung seiner Aufgaben nicht erforderlich seien, berichteten NDR und WDR. In zwei Datenbanken verarbeitete der BND Anfragen der NSA, die nutzlos für die Arbeit des deutschen Nachrichtendienstes seien und die der Dienst offenbar auch nicht weiter überprüfte, was ein Verstoß gegen das BND-Gesetz sei.
    Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, gestikuliert.
    Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff (Hannibal Hanschke, dpa picture-alliance)
    Als Rechtsverstoß wertet die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Voßhoff den Berichten zufolge außerdem, dass der BND ihre Untersuchungsarbeit erheblich behindert habe. "Der BND hat meine Kontrolle rechtswidrig mehrfach massiv beschränkt. Eine umfassende, effiziente Kontrolle war mir daher nicht möglich", zitieren die Sender aus dem Gutachten. "Dies sind schwerwiegende Rechtsverstöße." Behindert sah sich Voßhoff demnach auch bei ihren Prüfungen der so genannten Selektoren - also jener Kriterien, nach denen der BND gezielt die Datenströme absucht. Dass der BND offenbar bei Abhöraktionen ungeprüft Selektorenlisten des US-Geheimdiensts NSA übernommen habe, sei ein "schwerwiegender Verstoß" gegen das BND-Gesetz.
    Grünen-Politiker von Notz: "BND hat gegen Grundgesetz verstoßen"
    Nach Angaben von netzpolitik.org, Blog zu digitalen Freiheitsrechten, der das Gutachten eigenen Angaben zufolge ebenfalls auswertet, listet die Bundesdatenschutzbeauftragte insgesamt 18 schwerwiegenden Rechtsverstöße auf. Voßhoff spreche zudem ein Dutzend offizielle Beanstandungen aus. Eine solche Beanstandung sei das schärfste Mittel, das der Datenschutzbehörde rechtlich zur Verfügung stehe, so netzpolitik.org. In der Summe halte Voßhoff die Gesetzesverstöße für so schwerwiegend, dass der BND wohl weite Teile seiner Telekommunikations-Überwachung in Bad Aibling einstellen müsste.
    Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz, Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, sagte im Deutschlandfunk, der Geheimdienst habe in eklatanter Weise gegen das Grundgesetz verstoßen. Der BND müsse sich von der Massenüberwachung verabschieden und stattdessen auf den Kreis der Verdächtigen konzententrieren. Weniger als zehn Prozent der bisher durchgeführten Überwachung habe etwas mit Terrorismus zu tun. Der Bundesregierung warf von Notz vor, mit der Geheimhaltung des Gutachtens die Gesetzesbrüche des BND unter den Teppich zu kehren. Die Linken-Abgeordnete Martina Renner sprach von erschreckenden Befunden. Aus Bundeskanzleramt gab es keine Stellungnahme, was grundsätzlich beim Thema Nachrichtendienste gelte - das selbe sagt der BND.
    (nch/rm)