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Burundi
Aussichtsloser Kampf

Für die burundische Regierung steht alles zum Besten in dem krisengeschüttelten Land: Die Unruhen in der Hauptstadt sind gestoppt, der Präsident ist wiedergewählt. Der sogenannte Dialog mit der Opposition hat bisher wenig gebracht. Bewaffnete Rebellen hoffen immer noch, Pierre Nkurunziza mit Gewalt aus dem Amt treiben zu können. Den Preis für die ausweglose Lage zahlt die Bevölkerung.

Von Linda Staude | 12.03.2016
    Ein Polizist patrouilliert auf einer Straße im Stadtviertel Mutakura in Burundis Hauptstadt Bujumbura.
    Ein Polizist patrouilliert auf einer Straße im Stadtviertel Mutakura in Burundis Hauptstadt Bujumbura. (dpa/picture alliance/Adriel Pfister)
    Die Straße nach Ngagara ist abgesperrt. Eine Rolle Stacheldraht liegt quer über der Fahrbahn. Polizisten stoppen jedes Auto auf dem Weg in oder aus dem Stadtviertel.
    Ein kurzer Blick auf den Fahrer, manchmal eine Kontrolle seiner Papiere oder die Frage, was er in diesem rebellischen Teil von Bujumbura zu suchen hat. Dann zieht ein Beamter den Stacheldraht beiseite, und es geht weiter.
    "Sie suchen nach Waffen und nach Verdächtigen, die Verbrechen begehen wollen. Es gibt Verbrecher, die mit Granaten angreifen wollen, und Schießereien. Deshalb sieht man auf den Straßen von Bujumbura sehr viele Checkpoints," erklärt Pierre Nkurikiye, der Sprecher der Polizei. Die ist überall in der burundischen Hauptstadt. Durch die Straßen fahren offene Mannschaftswagen mit Uniformierten, die Maschinengewehre im Anschlag.
    In Bujumbura sind in der Nacht immer wieder Schüsse zu hören. Rebellengruppen schießen mit den Waffen, die an den Straßensperren überall so intensiv gesucht werden.
    "Wir können nicht mehr demonstrieren oder die Straßen blockieren. Jetzt benutzen wir Gewehre oder Granaten. Wir haben keine Zeit mehr für Blockaden. Wir kämpfen mit der Polizei, wir schießen aufeinander."
    Eric, wie er sich nennt, ist der Anführer der Rebellen im Stadtteil Mutakura. Er hat 400 Mann unter sich, sagt er. Junge Männer, die im vergangenen Jahr an den blutigen Protesten gegen die dritte Amtszeit des Präsidenten teilgenommen haben. Die sind längst gestoppt. Aber die zornigen jungen Männer geben nicht auf.
    "Ich bin einer der jungen Leute, die gefoltert wurden. Ich bin hier, weil ich nirgends anders mehr hin kann. Von hier laufe ich nie mehr weg, weil ich für diesen Ort kämpfe. Ich weiß, wie man kämpft."
    Nkurunziza will unbedingt an der Macht bleiben
    Die toughe Haltung täuscht darüber hinweg, dass die Rebellen auf verlorenem Posten kämpfen. Pierre Nkurunziza hat die Wahl im vergangenen Sommer haushoch gewonnen. Nicht zuletzt, weil ein großer Teil der Opposition gar nicht erst angetreten ist zu diesem Mummenschanz, wie Charles Nditije sie bezeichnet:
    "Wir sind nicht im Parlament, weil wir die Wahl boykottiert haben. Herr Nkurunziza hat gegen die Verfassung geputscht. Aus politischen und moralischen Gründen konnten wir dabei nicht mitmachen."
    Der Chef der Oppositionspartei UPONA besteht darauf, dass die Verfassung eine dritte Amtszeit für den Präsidenten verbietet und dass er gehen muss. Auch jetzt noch. Für Präsidentensprecher Gervais Abayeho ist das Thema dagegen schon lange erledigt:
    "Ich will nicht mehr dahin zurückgehen, ob der Präsident nun im Amt sein darf oder nicht. Wenn ein Baby mal auf der Welt ist, fragt man hinterher auch nicht, warum es geboren wurde oder ob es da ist."
    Pierre Nkurunziza will unbedingt an der Macht bleiben. Der wiedergeborene Christ ist überzeugt, im Auftrag Gottes zu regieren, berichten ausländische Diplomaten, die ihn persönlich getroffen haben. Opposition ist gefährlich, spätestens seit dem gescheiterten Putsch im vergangenen Mai:
    "Damals haben sie angefangen, Leute umzubringen. Sie haben Granaten geworfen und geschossen. Irgendwann sind sie dann in die Häuser gegangen und haben Leute mitgenommen. Irgendwohin, wo sie sie dann umgebracht haben. Es ist so viel passiert, ich kann gar nicht alles erzählen."
    Carine hat ihren Mann verloren. Mitte Dezember, als die Rebellen gleich drei Militärbasen in Bujumbura auf einmal angegriffen haben. Er wurde auf der Straße verhaftet und später getötet. Mindestens 100 Menschen starben in nur zwei Tagen. Opfer berichten von Racheakten der Sicherheitskräfte, von Folter und gezielten Morden. Gervais Abayeho weist solche Vorwürfe zurück:
    "Ich habe das schon immer gesagt: Burundi ist ein Opfer von Medienpropaganda. Von Menschen, die unser Land aus Eigeninteresse für etwas verteufeln wollen, was es nicht ist."
    UNO: Sturheit beider Seiten ist besorgniserregend
    Für die Regierung steht alles zum Besten in Burundi: Die Unruhen sind vorbei, das Land unter Kontrolle der Sicherheitskräfte - bis auf ein paar Viertel in Bujumbura. Mit der Opposition gibt es den vielfach international angemahnten Dialog. Völlig unklar ist allerdings, was der eigentlich bringen kann. Denn kompromissbereit ist keine der beiden Seiten. Charles Nditije:
    "Für uns müssen diese Verhandlungen das Ziel haben, eine Übergangsregierung einzusetzen, ohne Nkurunziza. Der ist ein Putschist und jetzt auch ein Krimineller, weil er tausende Menschen getötet hat. Wir brauchen für kurze Zeit eine Übergangsregierung, um neue Wahlen vorzubereiten."
    Für die Regierung ist diese Maximalforderung selbstverständlich völlig inakzeptabel. Diese Sturheit beider Seiten ist besorgniserregend, sagt Patrice Vahard, der Repräsentant der UN-Menschenrechtskommission in Burundi:
    "Ich bin ehrlich gesagt sehr enttäuscht von der politischen Klasse. Sowohl von der Opposition als auch von der Regierungspartei. Denn ich denke, wir könnten der Jugend bessere Zukunftsaussichten bieten als Angst und Gewalt."
    Genau diesen Preis bezahlt die Bevölkerung jetzt für das sinnlose Gerangel um die Macht: Mit Angst, mit wachsender Armut, mit Hoffnungslosigkeit. Und Rebellen wie Eric sind bereit, mit ihrem Leben zu zahlen für einen aussichtslosen Kampf gegen eine übermächtige Regierung.
    "Sie hat nichts erreicht, nur gestohlen und Leute umgebracht. Deshalb kämpfen wir gegen sie. Wenn sie uns geholfen hätte, dann würden wir anerkennen, dass sie nützlich ist. Aber so opfern wir uns. Einige von uns sind bereits gestorben und in Leichensäcken gelandet. Andere haben sie einfach auf die Straße geworfen. Jeder von uns ist eigentlich schon tot."