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Buxtehude auf fünf historischen Orgeln

Heute möchte ich Ihnen Ausschnitte aus dem von Bernard Foccroulle eingespielten Orgelgesamtwerk von Dietrich Buxtehude vorstellen, das jetzt, rechtzeitig zum Buxtehudejahr beim belgischen Label Ricercar erscheint.

Von Christiane Lehnigk |
    Ricercar besteht seit 1980 und wurde von dem Musikologen Jérôme Lejeune gegründet. Es hatte seine Veröffentlichungen zunächst ausschließlich Alter Musik gewidmet und zählt mit zu den Pionieren auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis. Seit 2002 erweiterte sich das Repertoire noch vom Mittelalter bis zur Romantik. Hervorragende Klangaufnahmen sowie informative, mehrsprachige Texthefte sind inzwischen zu einem Markenzeichen geworden.

    Der belgische Organist Bernard Foccroulle hat nun seine von 2003 bis 2006 auf fünf verschiedenen historischen Orgeln eingespielten Werke von Dietrich Buxtehude auf 5 CDs veröffentlicht, gut 6 Stunden Musik.

    " Musikbeispiel: Dietrich Buxtehude, Wie schön leuchtet der Morgenstern BuxWV 223 "

    Solche Choralfantasien, wie diese über "Wie schön leuchtet der Morgenstern" gehören neben den Praeludien zu Buxtehudes favorisierten Orgelkompositionsformen. Bernard Foccroulle spielte sie an der Lorentz-Frietzsch Orgel der Sct. Mariae Kirke in Helsingør, eine von insgesamt 5 Orgeln, an denen er das Gesamtwerk Buxtehudes aufnahm.

    Die Instrumente, die Buxtehude zur Verfügung hatte, sind nicht mehr oder nur noch in Fragmenten erhalten. In Helsingør hatte Buxtehude von 1660 bis 1668 das Organistenamt inne und spielte dort auf der von Johann Lorentz dem Älteren gebauten und später in seinem Auftrag von Hans Christoph Frietzsche umgebauten Orgel, von der sich nur noch das Gehäuse und ein Register erhalten hatte. Nach dem historischen Vorbild wurde das Instrument von der Firma Marcussen rekonstruiert und die enge Mensur, die offene Stimmung und die Harmonisierung sind typisch für die dänischen Orgeln der Zeit.

    Dietrich Buxtehude zählte wie Charpentier in Paris, Purcell in London, Biber in Salzburg oder Corelli in Rom zu den tonangebenden Musikerpersönlichkeiten in der 2.Hälfte des 17.Jahrhunderts. Er hatte schon zu Lebzeiten ein großes Renommee vor allem für seine Orgelkompositionen, wobei seine Kammermusik, seine Cembalowerke, die Arien und geistlichen Konzerte weniger Beachtung fanden. Seine Oratorien haben sich nicht erhalten können. Sein Orgelwerk, das zu den bedeutendsten seines Genres im 17.Jahrhunderts gehört, zeigt den Gipfel der norddeutschen Orgelkunst auf , ausgehend von der Tradition Sweelincks, die von dessen Schülern Praetorius und Scheidemann fortgeführt wurde, sich mit Tunder und Weckmann fortsetzt und bei Reinken und Buxtehude sowie deren Schülern endet. Aufgrund der anspruchsvollen Werke und Instrumente wird dieses Zeitalter auch gerne als das "goldene" bezeichnet.

    Der Mittelpunkt von Buxtehudes Schaffen war Lübeck, hier hatte er, in der Nachfolge von Franz Tunder, 40 Jahre lang den Organistenposten an der Marienkirche inne, beherrschte darüber hinaus aber mit vielfältigen Konzerttätigkeiten das gesamte Musikleben der Hansestadt. Darüber hinaus war er ein gesuchter Pädagoge. Auch der junge Johann Sebastian Bach ist nach Lübeck gepilgert, um ihn zu hören und von ihm zu lernen.

    Hören Sie hier Bernard Foccroulle an der Schnitger Orgel der Ludgeri Kirche in Norden, ein von Jürgen Ahrend restauriertes Instrument, das als eines der schönsten Beispiele des norddeutschen Orgelbaus gilt. Er spielt die Passacaglia d-moll Werkverzeichnis 161, eine Passacaglia mit 28 Variationen, die nur in einer Abschrift wahrscheinlich von Bach existiert und dessen große c-moll Passacaglia entscheidend beeinflusst hat.

    Was sich hinter der Abfolge der 28 Variationen verbirgt, die in vier Abschnitte von je sieben Partien aufgeteilt sind, dazu gibt es verschiedene Deutungen. Eine Theorie vermutet dahinter die 28 Tage des Mondmonats mit seinen vier Phasen, eine andere, die Darstellung des Beginns der Genese, der Schöpfung der Welt. In jedem Fall scheint Buxtehude hier ein nicht rein musikalisch-mathematisches Programm gehabt zu haben.

    " Musikbeispiel: Dietrich Buxtehude, Passacaglia d-moll BuxWV 218 "

    Bernard Foccroulle ist eine vielseitige Künstlerpersönlichkeit in der Alten- und Neuen Musikszene. Er wirkt nicht nur als Organist und Komponist, sondern ist seit 1992, in der Nachfolge von Gerard Mortier, auch Generaldirektor der Brüsseler Oper, dem königlichen Théâtre de La Monnaie.

    Nach seiner Gesamteinspielung des Bach'schen Orgelwerkes, die 15 Jahre umfasste, widmete er sich besonders den Werken der norddeutschen Schule. Ursprünglich hatte er nicht unbedingt vorgehabt, das gesamte Werk Buxtehudes einzuspielen. Da es ihm aber nach eigenen Aussagen schwer fiel, "zwischen so vielen Meisterwerken eine Auswahl zu treffen", wurden doch alle 88 erhaltenen Stücke aufgenommen. Ob dies wirklich das gesamte Oeuvre repräsentiert oder ob es nur einen Ausschnitt aus dem umfangreichen Schaffen Buxtehudes darstellt, das muss offen bleiben, da wahrscheinlich ein Teil verschollen ist. Auch diese Stücke in deutscher Tabulatur haben sich in keinem einzigen eigenhändigen Manuskript erhalten, die ältesten Quellen sind vereinzelte Kopien, die zu seinen Lebzeiten oder nach seinem Tod entstanden sind. Und so ist auch oft nicht mehr auszumachen, wie die Registraturen aussahen und ob zum Beispiel der Bass für das Pedal oder nur die linke Hand bestimmt ist.

    Foccroulle hat sich anhand von Quellen dabei zumeist für die üppigere Variante entschieden, um "den Reichtum der Manuale, die Vielfalt der lebhaften Klangfarben und die Raumeffekte der norddeutschen Orgeln auszunutzen, um die in diesen monumentalen Werken reichlich vorhandenen, packenden Kontraste bestens wieder zu geben." Dies ist ihm auf sehr eindrucksvolle Weise gelungen und es ist ein empfehlenswerter Auftakt zum Buxtehude-Jubiläumsjahr, ein Muss für jeden Liebhaber barocker Orgelmusik.

    Erschienen ist die Einspielung beim belgischen Label Ricercar im Vertrieb von note1.

    Hören Sie Bernard Foccroulle zum Abschluss noch mit dem C-dur Praeludium Werkverzeichnis 138, gespielt auf der Grönlunds Orgel der St.-Gertruds-Gemeinde in Stockholm, eine Rekonstruktion der 1684 gebauten Orgel in reiner mitteltöniger Stimmung.

    " Musikbeispiel: Dietrich Buxtehude, Praeludium C-dur BuxWV 138 "

    CD
    Titel: Dietrich Buxtehude
    L'Oeuvre d'orgue (Das Orgelwerk)
    Solist: Bernard Foccroulle
    Label: Ricercar, LC 08851 - Vertrieb: note1
    Bestell-Nr.: RIC 250 (5 CDs)