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Caterer über den Wolken

In der Economy Class ist Huhn am beliebtesten, die Premium Class verlangt nach Rind: Auch die Qualität des Catering an Bord entscheidet mit darüber, ob Passagiere mit ihrer Fluggesellschaft zufrieden sind. Davon ist der Airline-Caterer "Gate Gourmet" aus Zürich überzeugt. Von koscher bis asiatisch, von diätetischer bis zur Halal-Küche - alles wird geliefert.

Von Michael Marek und Sven Weniger |
    "Jetzt sind wir im tray setting. Hier wird eigentlich das Endprodukt zusammengestellt, also das Plateau mit der Konfitüre, mit der Butter, mit dem Glas, mit dem Besteck, mit dem Essen natürlich, fertig gestellt per Hand, bevor es aufs Flugzeug geht."

    Daniel Luchsinger von Gate Gourmet ist sichtlich stolz. 37.000 Bordmahlzeiten täglich liefert das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz täglich an die Fluggesellschaft Swiss. Über elf Kilometer Länge ergäben die kleinen Tabletts, stellte man sie aneinander.

    "Hauptteil des Gebäudes ist das Hochregallager, das sich im Zentrum des Hauses befindet."

    Gate Gourmet gilt in der Branche als Big Player: Die Nummer drei in der Welt unter den Airline-Caterern produziert jährlich mehr als 300 Millionen Mahlzeiten für 270 Fluglinien. Die Zentrale steht am Flughafen Zürich:

    "Sämtliche Abteilungen auf allen Stockwerken sind um das Hochregallager herum gebaut. Und zum Beispiel diese großen grauen Kisten: Da haben wir über 22.000 Plätze im Hochregallager, das voll automatisch funktioniert."

    Die riesige, sechsstöckige Werkshalle erinnert selbst an einen Terminal. Überall hängen Mitteilungen an die Belegschaft in den unterschiedlichsten Sprachen. 640 Angestellte aus über 50 Nationen arbeiten hier. Pausenlos schieben Mitarbeiter Trolleys durch die Gänge, holen fertige Tabletts ab oder bringen neue Ware zum Verarbeiten.

    An der Laderampe im Erdgeschoss mit direktem Zugang zum Rollfeld des Flughafens werden fortwährend Lastwagen beladen, die zu den abflugbereiten Maschinen fahren, so Luchsinger:

    "In der Regel sagen wir circa zwölf Stunden im Voraus werden die Mahlzeiten produziert und dann in diesen Shuttles, die gekühlt sind, eingelagert. Eine bis zwei Stunden vor Abflug muss das Flugzeug beladen sein."

    Doch die müssen erst noch "airlinefit" gemacht werden. Vor allem ringen die Köche am Boden mit dem veränderten Geschmackssinn über den Wolken. Der Druck und die trockene Luft dort oben lassen das Essen nämlich schnell fade schmecken:

    "Das Geschmacksempfinden, das wir auf 10.000 Meter haben, ist einfach schwächer. Zum Beispiel Salz ist etwas, das wir in der Höhe viel weniger spüren, also müssen wir mehr würzen. Das Gleiche gilt für die Weine, da spürt man die Differenz natürlich auch sehr stark."

    Ein geheimbündlerischer Kreis von Männern steht in einem abgedunkelten Raum um einen Tisch. Deckenlampen beleuchten ein halbes Dutzend neuer Menüs, das auf seine Begutachtung wartet. Keine leichte Aufgabe, der sich die Tester bei Gate Gourmet stellen:

    "Also, im Moment haben wir die Europaessen degustiert, jetzt probieren wir die Vorspeise, Business Class, die auf der Langstrecke läuft: Das ist das Lachs-Rückenfilet mit einer Avocado-Mousseline, daneben eine Himbeer-Schlehe mit einer Meerrettich-Wasabi-Creme."

    Das hört sich edel an und hat seinen Preis. Doch die sonst so auskunftsfreudigen Mitarbeiter von Gate Gourmet und Swiss schweigen, wenn das Thema Kosten zur Sprache kommt. Über das Wechselspiel von Kostendruck und Qualitätsanspruch beim Catering machen sie keine Angaben. Fachleute schätzen indes, dass in der Economyklasse ein Bordmenü um die zwei Euro kostet, in der Businessklasse das Dreifache, und in der Ersten Klasse etwa 20 Euro.

    Ein paar Ecken weiter riecht es nach frischen Backwaren - der Moment nach dem Klassiker zu fragen, über den sich fast alle Fluggäste in 10.000 Metern Höhe aufregen: pappige Brötchen!

    "Das ist etwas anderes, beim Bäcker das Brot frisch aus dem Ofen zu bekommen, als wenn wir es in einem Kühlschrank hatten. Wir sind aber dazu gezwungen, so zu handeln."

    Von koscher bis asiatisch, von diätetischer bis zur Halal-Küche - alles wird geliefert. Gleichwohl sei die Kunst, Menüs zu erstellen, die jedem schmecken können - unabhängig von Kultur, Religion oder Herkunft, sagt Klatt-Walsh von der Swiss und nennt das beliebteste Gericht:

    "Also, in der Premium Class ist es Rind. Aber in der Economy Class ist es bestimmt Chicken, Poulet! Vor allem in Economy Class, da ist der Challenge, wie kann man eine Mahlzeit an Bord bringen, die den Massen eigentlich entspricht. Und da ist die Frage, was essen die meisten Kunden. Und Poulet ist wirklich etwas, was jedem zugänglich ist, sage ich mal. Ich denke, das ist der Grund, warum es so oft serviert wird."

    Huhn, das also ist die Allzweckwaffe in der Holzklasse. Doch mindestens ebenso wichtig ist es, das im Flugzeug erwärmte Essen in Windeseile zu verteilen. Hier zählt jeder Handgriff:

    "Grundsätzlich müssen wir aufpassen, dass wir nicht zuviel Arbeit für die Kabinenbesatzung verursachen."
    "Das wird in Handgriffen bemessen und nicht in Minuten?"
    "Genau, das wird in Handgriffen berechnet. Das ist nicht offiziell, aber man kann sagen, in der First Class ist es so zwischen vier bis fünf, in der Business zwei bis drei Handgriffe."
    "Und in der Economy?"
    "All-in-one, one shot!"

    2010 erzielte Gate Gourmet einen Umsatz von 2,7 Milliarden Schweizer Franken. Am Erfolg also mangelt es nicht: Gate Gourmet gehört mit zu den großen Systemgastronomiebetrieben, wie es im Branchendeutsch heißt. Nur an einem scheint es immer zu fehlen, erklärt Daniel Luchsinger augenzwinkernd:

    "Also, Kaffeelöffel vor allem sind ein Sammlerobjekt, da vor allem Airline-begeisterte Leute von möglichst vielen Airlines die Löffel sammeln. Das sind circa 900.000 Kaffeelöffel, die in einem Jahr nach beschafft werden müssen."
    Ein Mitarbeiter des Züricher Airline-Caterers "Gate Gourmet" bei der Zubereitung einer Nachspeise.
    Ein Mitarbeiter des Züricher Airline-Caterers "Gate Gourmet" bei der Zubereitung einer Nachspeise. (Gate Gourmet)
    Dessertschüsselchen des Airline-Caterers "Gate Gourmet".
    Dessertschüsselchen des Airline-Caterers "Gate Gourmet". (Gate Gourmet)