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Schmäh-Rufe in Hoffenheim
Was steckt hinter Hopps Rücknahme der Strafanträge?

Dietmar Hopp hat in mehreren Berufungsverfahren am Landgericht Heidelberg Strafanträge gegen Fußballfans zurückgezogen. Als Entgegenkommen will das der Mäzen der TSG Hoffenheim verstanden wissen, aber es spielt wohl auch noch ein anderer Faktor eine gewichtige Rolle.

Von Thorsten Poppe | 20.03.2022
Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp.
Die Unterstützung der TSG Hoffenheim durch Mäzen Dietmar Hopp wurde nicht nur von Fans in Sinsheim kritisiert. (picture alliance / dpa - Uwe Anspach)
Ein Entgegenkommen Dietmar Hopps an die angeklagten Fußballfans – so will es der Hoffenheim-Mäzen verstanden wissen. Und so formuliert es sogar das Landgericht Heidelberg in einer Pressemitteilung. Nach Rücknahme der Strafanträge sei eine Fortführung der Strafverfahren gegen fünf Anhänger von Borussia Dortmund und des 1. FC Köln nicht mehr möglich gewesen, bestätigt das Landgericht auch auf Deutschlandfunk-Nachfrage.
Diese Berufungsverfahren lagen seit 2019 in Heidelberg, nachdem vorher das Amtsgericht Sinsheim die Angeklagten zu Geldstrafen verurteilt hatte. Wörtlich heißt es dazu vom Landgericht:
„Ihnen wurde jeweils vorgeworfen, Vergehen der Beleidigung zum Nachteil des anzeigeerstattenden Hauptgesellschafters der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH begangen zu haben. Die abgeurteilten Taten standen jeweils im Zusammenhang mit im Sinsheimer Fußballstadion ausgetragenen Bundesliga-Fußballspielen am 31.03.2018 und 12.05.2018.“
Das Amtsgericht Sinsheim war im Jahr 2019 von schätzungsweise 60 Verfahren insgesamt ausgegangen, die dort wegen Schmähgesängen gerichtet an Dietmar Hopp gegen Fußballfans geführt worden sind. Die ermittelnde Polizeibehörde Mannheim spricht sogar von einem Anfangsverdacht der Beleidigung gegen insgesamt 75 Personen. Immer wieder waren bei Hoffenheimer Heimspielen gegen Dortmund oder Köln einschlägige Rufe aus der Gästekurve zu hören: „Dietmar Hopp, Du Sohn einer Hure!“
Die Fans werfen Dietmar Hopp vor, ähnlich käuflich zu agieren und seinen Dorfverein mit immensen finanziellen Mitteln bis hoch in die Bundesliga gehievt zu haben.

Hopp wollte Beleidigungen nicht einfach hinnehmen

Dagegen ist der SAP-Gründer vorgegangen, bis dato einmalig im deutschen Fußball. Bis dahin waren Schmähgesänge aus der Stadionkurve von den mutmaßlich Beleidigten hingenommen worden.
Fantribüne beim Bundesligaspiel 1. FC Köln gegen 1899 Hoffenheim am 21.4.2017.
Fantribüne beim Bundesligaspiel 1. FC Köln gegen 1899 Hoffenheim am 21.4.2017.
Hopp verklagt Schmähsänger
"Dietmar Hopp, Du Sohn einer Hure!". Der Protagonist in diesem Schmähgesang hat Anzeige gegen Fans erstattet, die ihn aus der Stadionkurve mutmaßlich beleidigten. Der Fall sorgt bundesweit für Aufsehen, weil er den Kulturkampf im Stadion weiter aufheizt.
Sein Anwalt Christoph Schickhardt forderte beispielsweise im Umfeld des Skandal-Spiels 2020 gegen den FC Bayern München ein hartes Durchgreifen. Damals sind aus der Bayernkurve ebenfalls Proteste und Schmähungen erfolgt, das Spiel wurde daraufhin vom Schiedsrichter mehrfach unterbrochen.
„Der Staat muss die harte Hand zeigen, er muss sagen, wer Herr im Haus ist. Ist es die Polizei? Ist es die Staatsanwaltschaft, oder sind es Randalierer? Und dann muss es zu Hausdurchsuchungen kommen, da muss man mal ein paar abgreifen, und einen Tag in der Zelle lassen. Das hat sich immer bewährt. Und das Zweite ist: Die Vereine und die Clubs der DFL müssen jetzt glaubhaft durchgreifen, keinerlei Nachsicht mehr!“
Später wurde bekannt, dass DFB und die Vereine schon im Vorfeld von den Schmähungen gewusst hatten. Und die Reaktionen wohl entsprechend abgesprochen gewesen sind.

Immenser Ermittlungsaufwand für die Polizei

Bei den vorangegangenen Schmähgesängen von Dortmunder und Kölner Fans sorgte zudem für Kritik, dass die Polizei Mannheim selbständig dazu Ermittlungen einleitete, obwohl noch kein Strafantrag von Dietmar Hopp vorgelegen hatte. Auch werden solche Beleidigungs-Verfahren meist nicht strafrechtlich, sondern auf dem Privatklageweg ausgefochten.

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Der anwaltliche Vertreter einiger der von den Strafverfahren betroffenen Fans, Andreas Hüttl, kritisiert die damit verbundene immense Ermittlungsarbeit der Polizei:
„So haben wir den Einsatzleiter vernommen in der Verhandlung, und der muss ja als Zeuge wahrheitsgemäß bestätigen. Es sind gute 400-800 Stunden Manpower Polizei in das Verfahren gesteckt worden. Wenn da Beamte von Sinsheim, von Hoffenheim, nach Dortmund fahren, um dort mit ihren Kollegen aus Dortmund über 2 Tage Videobänder zu sichten und Personen zu ermitteln, dann ist das alles eine Art und Weise der Durchführung eines solchen Verfahrens, das passiert keinem anderen!"
Die ermittelnde Polizeibehörde Mannheim möchte auf unsere Nachfrage die Rücknahme der Strafanträge durch Dietmar Hopp nicht bewerten.
Unsere Fragen an Hopp-Anwalt Christoph Schickhardt laufen trotz Nachfrage ins Leere. Keine Antworten auf die Frage beispielsweise, woher jetzt dieser Sinneswandel bei den Berufungsfällen am Landgericht Heidelberg erfolgte? Und warum sein Mandant Dietmar Hopp im Sinne eines Entgegenkommens die Strafanträge zurückgenommen habe?

Hopp trat vor Gericht nie als Zeuge auf

Fananwalt Andreas Hüttl deutet an, dabei habe auch noch etwas anderes eine Rolle gespielt. Dietmar Hopp hätte bei den Berufungsverfahren am Landgericht als Zeuge geladen werden können. Am Amtsgericht Sinsheim musste der Milliardär bei keinen der dort über 60 verhandelten Fälle anwesend sein.
„Die Tatsache, dass er nie als Zeuge ausgesagt hat, ist rechtlich höchst zweifelhaft. Ob das im landgerichtlichen Verfahren gehalten hätte, das wage ich mal stark zu bezweifeln. Wenn ich sage, man hätte vielleicht die Möglichkeit gehabt, Herrn Hopp unter einer anderen Adresse zu laden, stelle ich das mal so in den Raum.“
Wie ernst es Dietmar Hopp mit seinem Entgegenkommen an die Fans meint, wird sich auch bei anderen Berufungsverfahren noch zeigen. Auch Andreas Hüttl führt in Köln noch eins. Auch dort ist Dietmar Hopp schon mal als Zeuge geladen gewesen, durfte aber bei der damaligen Verhandlung noch entschuldigt fehlen.