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Cellist der Royal Wedding
"Es gibt zu wenig Vielfalt in der klassischen Musik"

Sheku Kanneh-Mason wurde 2016 als BBC Young Musician of the Year ausgezeichnet. Bei seinem Auftritt auf der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle begeisterte der 19-Jährige ein Millionen-Publikum. Der Weg dorthin war nicht leicht - auch weil es zu wenig schwarze Vorbilder in der klassischen Musik gibt, sagte Sheku im Dlf.

Sheku Kanneh-Mason im Gespräch mit Haino Rindler | 05.09.2018
    Der britische Cellist Sheku Kanneh-Mason steht vor eine Wand, die bedruckt ist mit den Worten "Classic BRIT Awards 2018".
    Der britische Cellist Sheku Kanneh-Mason bei den Classic BRIT Awards 2018. (imago stock&people)
    Haino Rindler: Als Künstler nennen Sie sich nur "Sheku", dieser Name würde sicher auch gut zu einem Rapper passen, was bedeutet er eigentlich?
    Sheku: Mein Name kommt aus Sierra Leone in Westafrika. Von dort stammt meine Mutter. Und Sheku kommt vom muslimischen Wort Sheikh, das bedeutet Prinz.
    Haino Rindler: Also bist du der Prinz der Familie?
    Sheku: Genau das. (lacht)
    Eine musikalische Familie
    Haino Rindler: Gibt es eigentlich ein Schlüsselerlebnis für Sie auf dem Weg zum Musiker? Gab es das für Sie?
    Sheku: Ich schätze, da gab es wirklich ein Schlüsselmoment. Ich glaube, einen sehr großen Einfluss auf mich hatte es, mit so viel Musik aufzuwachsen. Meine Eltern hatten viele Klassik-Schallplatten. Es gab immer Musik in unserem Haus. Außerdem habe ich eine ältere Schwester und einen älteren Bruder, der Klavier und Violine spielt. Ich habe ihnen immer zugehört, wenn sie geübt haben oder Auftritte hatten. Das hat mich fasziniert und deshalb wollte ich auch unbedingt ein Instrument lernen. Das war schon außergewöhnlich, all diese Musik um mich zu haben.
    Haino Rindler: Wenn man in einer musikbegeisterten Familie lebt mit sechs Geschwistern, die alle Musiker sind oder Musik machen, wie kommt man denn da überhaupt klar, wenn alle durcheinander proben?
    Sheku: Das ist auf jeden Fall sehr laut, wenn wir alle proben. Das war ein sehr lauter Haushalt. und das war nicht immer leicht, wenn hinter jeder Tür geprobt wurde. Aber mittlerweile sind vier von uns ausgezogen. Es wird also immer ruhiger.
    Musik hören und sich davon inspirieren lassen
    Haino Rindler: Wenn man heute professioneller Musiker werden will, dann sollte man relativ tough sein, um sich im Markt zurecht zu finden, weil es so unglaublich viele gute Musiker gibt. Ist das nicht sehr schwierig und macht vielleicht auch Angst?
    Sheku: Ich denke, es ist wunderbar, dass es im Moment so viele gute Musiker gibt. Wenn man Musiker werden will, dann muss man wirklich Freude an der Musik haben. Das ist sehr wichtig. Man sollte sich fokussieren auf die eigene Entwicklung, auf das, was man ausdrücken möchte mit der Musik. Ich höre eine Menge Musik verschiedener Musiker – das ist es, was mich inspiriert. Das ist auch sehr wichtig.
    Haino Rindler: Inspiration ist der Titel Ihres ersten Albums. Es scheint da gleich ganz viele Inspirationsquellen zu geben, von Schostakowitsch bis Bob Marley. Gibt es ein verbindendes Element?
    Sheku: Ja, ich wollte Musik aufnehmen, die ich besonders mag und zu der seit langem eine Beziehung habe. Vielleicht auch solche, die mich dorthin brachte, wo ich heute stehe. Schostakowitsch ein einer meiner Lieblingskomponisten. Sein erstes Cellokonzert ist eines der wundervollsten Werk, die man hören und spielen kann. Es gibt aber auch andere Stücke auf dem Album mit einer ähnlichen Geschichte: Mit Bob Marley bin aufgewachsen. Der war in unserem Haus immer zu hören, meine Eltern sind große Fans seiner Musik. Deshalb wollte ein eigenes Arrangement machen und aufnehmen.
    Schostakowitsch neben Bob Marley
    Haino Rindler: "No woman no cry" haben Sie selbst arrangiert. Sie haben da mit verschiedenen Stilen gespielt. Manchmal klingt das nach Bach, manchmal nach Schumann. Woher kam die Inspiration, daraus ein eigenes Stück zu machen?
    Sheku: Ich habe da ganz viele Stile hineingepackt. Das erste Mal habe ich den Song hinter Bühne beim Warmup gehört und ein bisschen auf dem Cello rumprobiert. Daraus hat sich dann einiges entwickelt. Das ist eine so schöne Melodie, die ich erhalten und auf mein Instrument übertragen wollte.
    Haino Rindler: Wenn man sich für Schostakowitsch als Herzstück des Albums entscheidet, dann ist das auch ein gewisses Statement. Das ist kein leichtes Werk, es hat sehr viel Wucht. Aus welchem besonderen Grund haben Sie sich dafür entschieden?
    Sheku: Das erste Cellokonzert von Schostakowitsch habe ich zum ersten Mal mit 15 oder 16 gehört – also relativ spät. Ich kenne es genauso lange wie das Elgar-Konzert. Aber ich habe mich sofort in diese Musik verliebt, sie immer und immer wieder angehört. Es hat sehr viel Spaß gemacht, das Werk zu studieren und aufzuführen. Jedes Mal, wenn ich es spiele, gefällt es mir mehr. Ich war überglücklich, als ich es aufnehmen konnte.
    Kritik am Abbau des Musikunterrichts in Schulen
    Haino Rindler: Lassen Sie uns über den BBC Young Musician's Award sprechen! In der Presse hierzulande wurde betont, das sei das erste Mal, dass ein schwarzer Musiker den Preis bekommt. Und ich dachte, warum wird darüber überhaupt gesprochen, welche Hautfarbe er hat. Das ist doch eigentlich unwichtig. Aber dann dachte ich: Vielleicht ist das ein Zeichen für einen Wechsel im ja doch relativ weiß dominierten Klassikbetrieb. Wie denken Sie darüber?
    Sheku: Ich glaube, es gibt wirklich einen Mangel an Vielfalt in der klassischen Musik. ich kann da nur für Großbritannien sprechen, aber ich glaube, die Hauptgründe sind der Abbau der Musikausbildung in vielen Schulen, gerade in den ärmeren Gegenden. Das hat einen großen Einfluss auf die Vielfalt in der klassischen Musik. Die Menschen aus solchen Gegenden haben einfach keine Chance, diese Musik von Klein auf kennenzulernen. Außerdem glaube ich, dass es wichtig ist, Vorbilder zu haben, die so aussehen wie du. Denn es ist immer schwierig etwas zu machen, was niemand macht, der wie du ist. Daran muss sich etwas ändern, davon bin ich fest überzeugt. Musikunterricht ist so wichtig, und ich werde nicht nachlassen, das zu unterstützen.
    Haino Rindler: Was ist das Wichtigste einer jungen Musikerkarriere? Worauf legen Sie am meisten Wert?
    Sheku: Für mich war immer das wichtigste, viel Musik zu hören. Oder auch Aufführungen zu sehen und zu erleben. Das ist sehr inspirierend. Ich hatte auch Glück mit meinen Lehrern. Von jedem habe ich viel gelernt. Und heute bin sehr glücklich darüber, dass ich mit Ihnen studieren konnte.
    Inspiration
    Sheku, Cello
    City of Birmingham Symphony Orchestra
    Mirga Gražinytė-Tyla, Leitung
    Decca Records