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Central European University
Die "Soros-Uni" übersiedelt von Budapest nach Wien

Sie gilt als Elite-Schmiede - die vom ungarisch-stämmigen Multimilliardär George Soros gegründeten Privatuniversität CEU. Bislang war der Campus in Budapest, aber dort wurden Gründer und Uni zum Lieblingsfeind für die rechtspopulische Fidesz-Regierung. Jetzt ist die CEU nach Wien umgezogen.

Von Stephan Ozsváth | 08.10.2019
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Ein Teil des neuen CEU-Campus in Wien (picture alliance / dpa / picturedesk / Hans Ringhofer)
Vor dem ehemaligen Bank-Gebäude im Wiener Gastarbeiter-Bezirk Favoriten weht eine blaue Fahne: "CEU", über dem Eingang das Logo "Central European University". Der Lehrbetrieb hat gerade begonnen. Philipp Rambouzek aus Prag sitzt mit einigen Kommilitonen in der Caféteria, er macht ein Aufbaustudium: "Nationalismus-Studien".
"Wir waren nur zwei Wochen etwa in Budapest, und dann mussten wir einfach umziehen. Mit den Bussen, etwa 200 bis 300 Menschen auf einmal von der Studentenunterkunft hier nach Wien ins Zentrum und dann mit den großen Koffern in unterschiedliche Teile der Stadt. Das war chaotisch und anstrengend. Es war auch anstrengend in dem Sinn, dass wir immer studieren mussten. Es gab schon die ersten zwei Wochen des Studiums. Wir mussten schon Seminararbeiten schreiben, alles lesen. Und dann diesen Umzug in zwei Tagen schaffen."
"Vergiftete Atmosphäre" in Budapest
Am Chaos ist der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán schuld. Er machte der amerikanischen Privatuniversität in Budapest das Leben schwer. Pro-Rektor Liviu Matei beschreibt das Klima der letzten Jahre so:
"Das war eine sehr traumatische Erfahrung. Vor drei Jahren erklärte Ungarns Premier dem Publikum im staatlichen Rundfunk, dass unsere ungarischen Professoren Verräter seien. Sie haben Listen von vermeintlichen 'Vaterlandsverrätern' veröffentlicht, nicht nur CEU-Professoren. Haben behauptet, dass wir eine Fake-Universität seien, oder zu elitär. Wir hatten quasi jeden Tag Steuerfahnder im Haus. Die öffentliche Atmosphäre war sehr vergiftet. Und dann war da diese Unsicherheit: Können wir bleiben, müssen wir gehen? Wohin? Wer? Wer nicht? Es gab viele Aufs und Abs."
Vom Soros-Stipendiaten zum Soros-Feind
Uni-Gründer George Soros ist zur Zielscheibe der Regierung Orbán geworden: Jude, reich, liberal – ein perfektes Feindbild für den Rechtsaußen-Politiker. Dabei hatte Orbán selbst einst ein Soros-Stipendium, seine Hofhistorikerin, sein Regierungssprecher – sie studierten sogar an der Central European University. Rektor Michael Ignatieff sieht hinter den Anfeindungen eine langfristige politische Strategie:
"Seit 2010 hat Orbáns Regierung erfolgreich jede Institution in ihrer Unabhängigkeit beschädigt, die eine liberale Demokratie repräsentiert: das Verfassungsgericht, freie Medien, die Akademie der Wissenschaften. Das ist eine Serie. Das begann nicht mit der CEU und wird nicht mit ihr enden. Es geht darum, einen Einparteienstaat in Europa zu errichten. Und das sollte europäische Politiker beunruhigen."
23.04.2018, Ungarn, Budapest: Die Central European University (CEU). Sie wurde vom US-Milliardär George Soros gegründet
Ein Teil der CEU bleibt vorerst in Budapest - dort ist die Privatuni noch bis 2022 akkreditiert (picture-alliance / dpa / Jens Kalaene)
Politiker wie den CSU-Mann Manfred Weber, den Chef der konservativen Fraktion im Europa-Parlament. Er hatte vor einigen Monaten eine Kooperation mit der TU München vorgeschlagen, um die Elite-Schmiede CEU in Budapest zu halten – der ungarischen Regierungspartei Fidesz sogar mit Rauswurf aus der EVP gedroht. Ignatieff sagt heute:
"Manfred Weber kam nach Budapest, sagte: Das CEU-Problem zu lösen, sei eine 'rote Linie' für die Wiedereingliederung der Fidesz in die EVP. Bisher habe ich keine Anzeichen gesehen, dass Herr Weber sein Wort hält. Aber man kann ja hoffen."
Teil der CEU noch bis 2022 in Budapest
250 Millionen Euro kosten die Übersiedlung und der Betrieb bis 2025 in Wien. Student Philipp und die anderen 600 Neu-Studenten werden ein anerkanntes Diplom einer amerikanischen Privat-Universität erwerben. Aber die CEU ist noch bis 2022 in Budapest akkreditiert, und dort will man sich auch weiter einmischen: Mit öffentlichen Vorlesungen etwa. Auch das Open-Society-Archiv bleibt dort. Für die Angestellten und Studenten aber heißt es in diesem akademischen Jahr noch: Wanderzirkus.
"Dann im Januar fängt das zweite Semester in Budapest an..."