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Chansons und Kabarett auf höchstem Niveau

Den meisten ist Tim Fischer sicherlich durch sein legendäres Programm "Zarah ohne Kleid" bekannt, aber er kann nicht nur Diva, sondern auch politisches Kabarett. Gestern feierte im Stuttgarter Renitenztheater sein neuestes Programm Premiere.

Von Helga Spannhake |
    "Was soll man sich immer den Schnee von gestern anhören. Man möchte ja eigentlich für die heutige Zeit, für die Situation, in der man lebt, da möchte man angesprochen werden und nicht immer nur in Nostalgie schwelgen."

    Drogensucht, Existenzangst, Kindesmissbrauch, Korruption, Islamismus und Bürgerkrieg in Afrika: Es sind die Themen unserer Zeit, die Renitenztheatergründer Gerhard Woyda Tim Fischer auf den Leib geschrieben hat – bissig-ernste Texte, trotzdem mit satirischem Augenzwinkern:

    Wie im Fieber bewegt sich Tim Fischer auf der Bühne, er singt nicht nur vom Börsenmakler – in dem Moment ist er der Börsenmakler. All die Figuren, sei es das Kind, das vom Vater missbraucht wird oder der Selbstmörder, dem die Pistole die Freiheit bringt – Tim Fischer gelingt mit großem schauspielerischen Talent die Menschen der Lieder auf der Bühne zum Leben zu erwecken:

    Tim Fischers unverwechselbare ausdrucksstarke Stimme fesselt das Publikum, bringt es zum Lachen, rührt zu Tränen. Und aus den klugen Liedern von Gerhard Woyda spricht für Tim Fischer nun mal der Geist der Lebenserfahrung:

    "Wie blickt ein alter Mann auf das Heute und das hat uns ja viel zu sagen. Ich bin sowieso der Meinung, dass man von älteren Generationen was lernen kann und dass man sich auch mit ihnen beschäftigen sollte und sie auch selbst zu Wort kommen lassen sollte. Das ist doch klar, die haben einen großen Rucksack auf dem Rücken voller Erfahrungen."

    Sensibel begleitet Gerhard Woyda am Flügel und man merkt, wie sehr sie harmonisieren. Gerhard Woyda holte Tim Fischer am Anfang seiner Karriere mit dem Programm "Zarah ohne Kleid" nach Stuttgart, schrieb damals bereits erste Lieder für ihn, und ihre künstlerische Zusammenarbeit gipfelt nun in diesem abendfüllenden Programm, dass Gerhard Woyda getextet und komponiert hat:

    "Er interpretiert mit Herz und mit Verstand, mit Gefühl vor allem. Und er ist ein androgyner Typ auch. Sie können ganz spezielle Texte für ihn schreiben. Ich hab einen Text geschrieben, beispielsweise "Ich bin ein Wanderer zwischen den Welten. Ich bin ein Wanderer zwischen der Zeit." Das ist genau für ihn richtig."

    Als zweiten Begleiter am Flügel hat Tim Fischer noch seinen langjährigen Partner Rainer Bielfeldt mitgebracht:

    "Das peppt den Abend ungemein auf. Das macht akustisch wirklich was her."

    Zum Beispiel wenn die beiden im Duett und mit Ohrwurmmelodie über die vermeintlichen Vorzüge von Guantanamo singen:

    Gerhard Woydas Kompositionen tragen ihre ganz eigene musikalische Handschrift – für den gestandenen Musiker Rainer Bielfeldt nicht immer einfach zu begleiten:

    "Er hat ein unheimliches Gespür für Melodien, und trotzdem sind die Sachen nicht gefällig, sondern teilweise auch auf eine positive Art und Weise sehr sperrig. Da bin ich natürlich manchmal dran verzweifelt, weil da gibt es wirklich Stellen, wo ich heftig überlegen muss, die sich nicht von selbst spielen."

    Davon war in der Premiere gestern Abend nichts zu hören – perfekt aufeinander eingespielt boten sie dem Publikum Chansons und Kabarett auf höchstem Niveau – mit Standing Ovations bedankten sich die Stuttgarter.