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Chaos mit Ansage?

Wenn die Studiengebühren in NRW kommen droht den Arbeitsämtern offenbar eine Flut an zu betreuenden Studienabbrechern. Dies befürchten zumindest Vertreter von Studierenden in Nordrhein-Westfalen, die den Plänen zur Einführung von Studiengebühren skeptisch gegenüberstehen.

    Also, ich bin jetzt im 33. Semester, habe Geschichte und Sozialwissenschaften studiert. also ein Grund, dass ich solange studiert habe, war, dass ich natürlich während des Studiums arbeiten musste.

    Guido ist ein sogenannter Langzeitstudent, denn er befindet sich weit jenseits des 14. Fachsemesters. 650 Euro Studiengebühren pro Semester soll er deshalb bezahlen, und zwar schon im nächsten Jahr zum Sommersemester. Das will jedenfalls die nordrhein-westfälische Landesregierung. Ein weiteres Studium wird dadurch für viele nicht mehr bezahlbar. Grund genug für Studentenvertreter, laut zu protestieren. Klemens Himpele ist Bildungspolitikreferent des Kölner Asta und glaubt, die Folgen zu kennen:

    Wolfgang Clement verweist gerne darauf, dass in Baden-Württemberg bei Einführung der Langzeitgebühren sich 44 Prozent der sogenannten Langzeitstudierenden exmatrikuliert haben. Es gibt leider keine Studie, was mit denen passiert ist, ob die in andere Bundesländer gewechselt sind, oder ob die sich eben arbeitslos gemeldet haben. Es ist aber davon auszugehen, dass einige vor dem Arbeitsamt stehen werden, weil, wie wir alle wissen, zwar bei Hochqualifizierten Jobs vorhanden sind, aber bei Leuten, die ein Studium abbrechen, eher nicht.

    Vom Hörsaal direkt zum Arbeitsamt, das ist natürlich keine erstrebenswerte Karriere. Doch wie viele Studierende wird das wirklich betreffen? Klemens Himpele rechnet das für die Studentenhochburg Köln einmal vor:

    Also, man geht davon aus, dass Langzeitstudierende erst mal ein Drittel der Immatrikulierten sind, das heißt an der Uni wären das 20.000 plus noch mal einige Tausend an den Fachhochschulen, und von diesen 20.000, wenn es wie in Baden-Württemberg 44 Prozent sind, wären es fast 10.000, die sich exmatrikulieren würden, also eine ganze Menge.

    Ob diese 10.000 aber dann tatsächlich direkt in die Arbeitslosigkeit schlittern, wird in der Landesregierung von NRW bestritten. Hartmut Müller-Gerbes ist Sprecher des Finanzministeriums, wo man sich durch die Gebühren zusätzliche Einnahmen von bis zu 130 Millionen Euro erhofft:

    Das scheint mir zunächst mal eine sehr konstruierte Debatte zu sein, denn diese Studierenden haben sich ja bis jetzt finanziert. nur ein ganz geringer Prozentsatz bleibt am Ende übrig, der Langzeitstudierender ist, mit seinem Studium nichts anfangen kann, auf dem Arbeitsmarkt keine Chance hat, und deshalb zunächst einmal, zunächst einmal möglicherweise der Sozialhilfe anheim fällt, aber doch nur so lange, bis er dann eine neue Qualifikation bekommen hat. Das wird das Sozialsystem nicht überfordern, und das wird auch die Ansprechpartner in den Sozialämtern, in den Arbeitsämtern, in den Beratungsstellen nicht überfordern.

    Der Langzeitstudent Guido hat jedoch wie so viele einen so genannten Studentenjob. Das heißt, er gibt seine Studienbescheinigung ab, und sein Chef spart eine Menge Sozialabgaben. Sollte er kein Student mehr sein, wird er den Job nicht halten können. Um den Weg zum Arbeitsamt kommt er deshalb wohl nicht herum. Im Hochschulzentrum des Kölner Arbeitsamtes erklärt ihm der Berater Frank Westphal seine Möglichkeiten:

    Das Angebot, was wir Ihnen in dieser Hinsicht machen könnten, wäre, einen Berufsabschluss im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung zu erwerben, das ist das, was der Volksmund allgemein als Umschulung bezeichnet. Ein Problem in Ihrer Situation im Hinblick auf diese berufliche Weiterbildung, auf diese Lehrgänge besteht wohl darin, dass das Arbeitsamt Köln grundsätzlich die Lehrgangsgebühren eines solchen Lehrgangs übernehmen würde, aber Ihnen nur dann ein Unterhaltsgeld zahlen könnte, wenn sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten, dass sie auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet hätten.

    Dass ist aber bei Guido nicht der Fall. Das heißt: er könnte umgeschult werden, hätte dann aber kein Geld. Eine Umschulung ist also zunächst nicht drin. Ungelernt aber ist seine Vermittlung schwierig, eine Menge neuer Dauerkunden droht den Arbeitsämtern. Dort weiß man von der Tendenz und denkt über Konsequenzen nach:

    Wir würden sicherlich unser Sprechstundenangebot hochfahren. Der Personalstock der Bundesanstalt für Arbeit wird unter Garantie nicht ausgeweitet werden.