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China
Mit Gesichtserkennung in Richtung Massenüberwachung

Die Wahrscheinlichkeit, in China von einer Kamera beobachtet zu werden, ist groß. Geschätzte 176 Millionen Überwachungskameras gibt es dort, bis 2020 sollen es mehr als 600 Millionen sein. Viele davon können bereits Gesichter erkennen und zuordnen. Das birgt Chancen, aber auch Gefahren.

Von Axel Dorloff | 17.04.2018
    Eine Frau schaut in Nanjing in der Provinz Jiangsu auf ein Werbeplakat, das für das Geldabheben am Automaten per Gesichtserkennung wirbt
    Die chinesische Regierung treibt die Forschung zur Gesichtserkennung massiv voran, ebenso die praktische Anwendung (picture alliance/ dpa/ MAXPPP)
    Ein Toilettenhäuschen im berühmten Himmelstempel-Park in Peking. Der typische Charme einer Park-Toilette - nur an der Wand hängt ein weißes High-Tech-Gerät. Es scannt die Gesichter der Toilettenbesucher. Erst dann kommt aus dem Automat Toilettenpapier. Der 50-jährige Yang Yiwei hält einen Streifen Papier in der Hand:
    "Ich habe es gerade ausprobiert. Es funktioniert. Wenn man seine Notdurft verrichten muss, ist die Menge an Papier aber nicht genug."
    60 Zentimeter gibt der Automat pro Gesicht frei. Die Gesichtserkennung soll Papierverschwendung verhindern. Bedient sich jemand mehrfach, merkt das der Automat und weist ihn höflich ab.
    China ist beim Einsatz von Gesichtserkennung weltweit führend. Eine Pekinger Universität hat Gesichtsscanner installiert, um zu verhindern, dass Unbefugte die Studentenwohnheime betreten. In der Stadt Jinan werden Fußgänger mit Namen auf Monitoren angeprangert, wenn sie bei Rot über die Ampel laufen. Und im Fastfood Restaurant Kentucky Fried Chicken in Hangzhou kann der Kunde via Gesichtserkennung bezahlen.
    In einem Image-Video des Pekinger Unternehmens Megvii geht es um die Chancen durch Künstliche Intelligenz. Die Botschaft: Das Leben wird einfacher und sicherer. "Stärke den Menschen mit künstlicher Intelligenz" – so heißt der Slogan von Megvii.
    Das Gesicht genügt und die Glastür gleitet auf
    Mitarbeiter brauchen bei Megvii keinen Firmenausweis. Das Gesicht genügt, und die Glastür am Eingang gleitet auf. Auf dem Monitor erscheint Name, Alter und Geschlecht der jeweiligen Person. 2011 haben drei Studenten das Pekinger Start-up gegründet, heute arbeiten 700 Mitarbeiter an der Entwicklung von künstlicher Intelligenz und Gesichtserkennung. Xie Yinan ist Marketingdirektor bei Megvii.
    "Jedes Gesicht hat einen einzigartigen Code. Wenn du vor einer Kamera stehst und registriert bist, wissen wir sofort, wer du bist."
    Die chinesische Regierung treibt die Forschung zur Gesichtserkennung massiv voran. Ebenso wie die praktische Anwendung. Die intelligenten Kameras von Megvii sind in ganz China im Einsatz. Und dabei immer öfter auf der Jagd nach Kriminellen, sagt Marketingdirektor Xie Yinan.
    "Die herkömmlichen Kameras können der Polizei noch nichts sagen, sie zeichnen nur auf. Die Regierung braucht Kameras, die mehr können. Die zum Beispiel sagen, wo der Kriminelle ist. Ob Brics oder G20-Gipfel: Die chinesische Regierung nutzt unsere Technologie, um solche Gipfel zu schützen. Kriminelle haben keine Chance. Wenn sie sich nähern, gibt der Scanner die Warnung."
    Aber der chinesische Staat hat noch ein anderes Interesse. Er nutzt die Daten auch für ein gigantisches Sozialkredit-System. Die Idee: Der Staat sammelt Daten über seine Bürger und wertet sie aus. Jeder bekommt ein Punkte-Konto. Und auf dieser Grundlage kann der Staat dann bewerten, belohnen oder auch bestrafen.
    Bis 2020 will China das System flächendeckend einführen, derzeit gibt es über 40 Pilotprojekte. Und die Überwachung durch intelligente Kameras ist dafür zentral: Alles, was die Menschen im Alltag tun oder lassen, kann Einfluss auf die Bewertung haben. Und es gibt bereits schwarze Listen: Fast 10 Millionen Menschen wurden vom Ticketkauf für Schnellzug oder Flugzeug bereits vorübergehend ausgeschlossen.