"Chopin - Anna Gourari"
Anna Gourari, die mit ihren 27 Jahren auch schon einen langen Weg hinter sich hat, hätte immer noch jedes Recht, unbekümmert virtuos aufzuspielen. Am Ende ihrer Chopin-CD tut sie's, und bei der Grande Valse brillante F-dur op. 34,3 gehört sich das auch. * Musikbeispiel: F. Chopin - Grande Valse brillante F-dur op. 34,3 Anna Gourari mit der Grande Valse brillante op. 34,3 von Frédéric Chopin, dem letzten Titel ihrer neuen CD, die bei Koch Classic erschienen ist. Dieser Walzer ist sozusagen als Encore zu verstehen. Die CD umfasst im übrigen die vier Scherzi, die Fantasie f-moll und die Polonaise cis-moll, ein Programm, das sie teilweise auch beim Festival "Next Generation" in Dortmund spielte. Die Scherzi fasst sie als Großformen der Klavierliteratur auf, nicht unbedingt als imaginären Zyklus wie ihre italienische Kollegin Giorgia Tomassi, aber als Gipfelpunkte der Klavierkomposition, als die sie in Deutschland immer noch nicht allenthalben akzeptiert werden. Eines hat sie mit Giorgia Tomassi gemein: sie ist live noch eindringlicher, kühner, verwegener in den Farben. Beide brauchen wohl die Konzertatmosphäre wie's liebe Brot und sind gar nicht so sehr ein Fall für die Black Box des Studios, für das einsame Tüfteln, obwohl Anna Gourari ja als Bewunderin von Glenn Gould gilt. An einzelnen Stellen kann man im Studio freilich wiederum mehr wagen, in der inneren Dynamik der Akkorde zum Beispiel und auf jeden Fall in den äußersten Pianissimi, wo man im Live-Konzert ja doch eher auf Sicherheit spielen muss. Das dritte Scherzo cis-moll op. 39 zeigt die Erzählerin Anna Gourari auf der Höhe ihrer Kunst. Ein kraftvoller, doch immer auch klangvoller und runder Ton wird in die Extreme hinein schattiert, und die Struktur des Stücks gewinnt eine Plastizität, wie dies nicht eben oft der Fall ist. * Musikbeispiel: F. Chopin - Scherzo Nr. 3 cis-moll op. 39 Soweit Anna Gourari mit ihrer neuen Chopin-CD, die bei Koch Classic erschienen ist. Zurück zu ihrer Lehrerin Gitti Pirner und deren Mozart-Einspielung bei "Farao". Auch die C-dur-Sonate KV 330 findet sich darauf, und wenn man zurückdenkt an die seinerzeit aufsehenerregende Interpretation des Vladimir Horowitz, an dessen flamboyante, fast impressionistische Annäherung an Mozart, so erscheint der Mozart-Stil von Gitti Pirner zunächst von einer beinahe unangemessenen Keuschheit. Aber es ist ésprit darin und sogar Witz. Auch Gitti Pirner spielt allemal mehr als nur die Noten. Aber sie betreibt eine betont zeitlose Annäherung an eine Zeit, die wir vielleicht nur noch vorwiegend rational darstellen, nicht aber direkt emotional erleben können. In den langsamen Sätzen ist bei Gitti Pirner viel Trauer: À la réchèrche du temps perdu. Die Kopfsätze sind von einer fast unerbittlichen Klarheit. * Musikbeispiel: W.A. Mozart - Allegro moderato (Ausschnitt) aus: Sonate C-dur KV 330 Das war die neue Platte im Deutschlandfunk. Heute gab es zwei Neuerscheinungen aus dem Bereich der Klaviermusik: Mozart-Sonaten, Vol. 3, mit Gitti Pirner, erschienen bei "Farao". Und eine Chopin-CD der jungen Anna Gourari, die bei Koch Classic erschienen ist.