Freitag, 19. April 2024

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Christen in der Ukraine
Orthodoxie vor der Spaltung?

Die orthodoxe Kirche der Ukraine wird eigenständig – gegen den erbitterten Widerstand der russisch-orthodoxen Kirche. Ukrainische Nationalisten feiern die Entscheidung – doch Ostkirchen-Experte Thomas Bremer befürchtet ein Schisma. Es könnte "Jahrhunderte andauern", sagte Bremer im Dlf.

Thomas Bremer im Gespräch mit Benedikt Schulz | 04.01.2019
    Der ukrainische Präsident Poroschenko, das Oberhaupt der neuen orthodoxen Kirche, Metropolit Epiphanius, und Oberbischof Emmanuel.
    Der ukrainische Präsident Poroschenko, das Oberhaupt der neuen orthodoxen Kirche, Metropolit Epiphanius, und Oberbischof Emmanuel. (dpa/ Ukrainisches Präsidialamt)
    An diesem Sonntag will der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel der neuen orthodoxen Kirche der Ukraine die Autokephalie verleihen – also die vollständige Eigenständigkeit. Gegen den erklärten Willen Moskaus und der Moskau unterstellten Kirche – die ihren Einfluss auf die Ukraine nicht aufgeben wollen. Laut dem katholischen Theologen und Ostkirchenexperten Thomas Bremer hängt nun viel davon ab, wie sich die anderen orthodoxen Gemeinschaften positionieren: "Wenn es zu einer Lagerbildung kommt, würde das ein richtiges und Jahrhunderte dauerndes Schisma bedeuten."
    Thomas Bremer ist Professor für Ostkirchenkunde an der Universität Münster
    Thomas Bremer ist Professor für Ostkirchenkunde an der Universität Münster (Niina Into, Helsinki)
    Bislang existierten in der Ukraine drei orthodoxe Kirchen, eine kanonische, das heißt allgemein anerkannte, die aber nicht eigenständig ist und dem mächtigen Patriarchat von Moskau unterstellt ist. Daneben gab es noch zwei weitere. Beide waren innerhalb der orthodoxen Welt nicht anerkannt – bis der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel vor einigen Wochen genau das getan hat: Er hat die Bischöfe und Mitglieder beider Kirchen als Teil der orthodoxen Welt anerkannt. Anstatt einer anerkannten und zwei nicht anerkannten gibt es jetzt also zwei anerkannte orthodoxe Kirchen im Land, deren Legitimität jedoch von der jeweils anderen Seite bestritten wird.
    Unklar ist dabei, wer in der orthodoxen Welt überhaupt die Autokephalie verleihen kann. Dass der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomäus dieses Recht hat, wird vom mächtigen Moskauer Patriarchat vehement bestritten. Der Konflikt in der Ukraine ist auch der Konflikt zwischen den beiden mächtigen Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel.
    Wie so oft in der orthodoxen Welt ist der Konflikt auch politisch aufgeladen – der ukrainische Präsident Poroschenko hat die Unabhängigkeit der ukrainischen Orthodoxie maßgeblich vorangetrieben, ein Grund dafür ist auch die Ende März anstehende Präsidentschaftswahl: "Poroschenko war in Umfragen im Sommer auf dem vierten Platz - und jetzt ist er auf dem zweiten Platz. Er hat also seine Chancen erheblich verbessert." Zu erwarten sei, dass es in Zukunft in allen größeren Orten der Ukraine zwei Bischöfe geben wird – nach orthodoxem Kirchenrecht ist das eigentlich verboten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.