Freitag, 19. April 2024

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Wulff zur DOSB-Präsidentensuche
"Aufeinander zugehen statt aufeinander losgehen"

Guter Charakter, intensiver Bezug zum Sport und vor allem Vertrauen: Das seien entscheidende Aspekte bei der Vorauswahl für das Amt des DOSB-Präsidenten gewesen, sagte der Vorsitzende der DOSB-Findungskommission, Christian Wulff, im Dlf. Für den aktuellen Präsidenten findet er trotz des Aufruhrs im Verband lobende Worte.

Christian Wulff im Gespräch mit Marina Schweizer | 13.11.2021
Altbundespraesident Christian Wulff (CDU)
Altbundespraesident Christian Wulff CDU in Berlin. (imago images/epd)
Ein „Klima der Angst“ – spätestens seit einem anonymen Schreiben im Mai geht es beim Deutschen Olympischen Sportbund um die Führungskultur unter Präsident Alfons Hörmann. Massive Vorwürfe in einer Mail führten zu einer Untersuchung der hauseigenen Ethikkommission unter Vorsitz des früheren Innen- und damit auch Sportministers Thomas de Maizière. Dessen Bericht stellte das Vertrauensproblem klar heraus. Auch, wenn der Noch-Präsident die Vorwürfe teilweise bestreitet: Wenige Tage später kündigte Alfons Hörmann seinen Rückzug an und, dass er bei der Neuwahl nicht mehr neu kandidieren wolle. Deshalb wird seitdem nach einer Nachfolgelösung gesucht.
Der DOSB gründete eine Findungskommission unter Vorsitz von Alt-Bundespräsident Christian Wulff, um geeignete Kandidaten zu finden. Gefunden hat die Kommission Claudia Bokel, ehemalige Weltklassefechterin und IOC-Athletensprecherin. Sie ist aktuell Präsidentin des Deutschen Fechter-Bundes. Zweiter Kandidat ist der bisherige parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Stephan Mayer von der CSU und auch Thomas Weikert, Präsident des Welt-Tischtennis-Verbands geht ins Rennen.
Thomas de Maizière: „Diese ganze Atmosphäre, die muss enden"
Mayers Funktion als Sportpolitiker im Bundestag hält Christian Wulff dabei nicht für bedenklich. „Was die Frage von Compliance (…) betrifft, ist es so, dass er ja nicht Mitglied der Bundesregierung mit operativer, mit exekutiver Verantwortung war, sondern ein Parlamentarischer Staatssekretär.“ Mayer habe erklärt, dass er keine Funktion im Sportausschuss des Bundestages und im Haushaltsausschuss übernehmen werde.

"Es ja auch um Macht, um Einfluss, um Geld, um Potenziale"

Alle drei Kandidaten hätten einen intensiven Bezug zum Sport und seien bereit, den Einsatz zu bringen, den das Präsidentenamt erfordere, meint Wulff: „Viel zu reisen, viel zuzuhören, viel zusammenzuführen zwischen Amateuren und Profis, zwischen all den verschiedenen Interessen der Sport-Spitzenfachverbände. Da geht es ja auch um Macht, um Einfluss, um Geld, um Potenziale, um Leistungszentren.“
Man habe auch darauf geachtet, dass die Personen zudem geeignet seien, größere Konflikte mit den Athleten zu verringern und Gräben zu schließen: „Man hat oft den Eindruck, es geht erstmal ums Geld und erstmal um die öffentliche Wirkung und die Eitelkeit. Aber die Sportler stehen im Mittelpunkt des Sports“, betont Wulff.
Verbandsspitze soll Ex-Vorstandsmitglied gedroht haben
Ein Brief, in dem eine mangelhafte Führungskultur angeprangert wurde, sorgte im Mai für Aufregung im Deutschen Olympischen Sportbund. Jetzt offenbart ein Schreiben eines ehemaligen Vorstandsmitglieds: Die Wogen sind längst nicht geglättet.
Wichtig für die Nominierung der drei Kandidaten sei für die Findungskommission aber auch Vertrauen gewesen. „Wir wollten sagen: aus denen könnt ihr guten Gewissens auswählen. Die haben die gute Chance, das Vertrauen bei den Medien, in der Politik, bei den Athleten, bei den Ehrenamtlichen wiederherzustellen und Geschlossenheit herbeizuführen.“ Mit Blick auf einen Neuanfang hob Wulff die Werte des Sports hervor. Es sei wichtig, fair miteinander umzugehen und aufeinander zuzugehen, statt aufeinander loszugehen.

"PS, die der Sport hat, wieder auf die Straße bringen"

Nur mit neuem Vertrauen nach innen und nach außen könne jetzt der Neuanfang gelingen, sagt Wulff. „Wenn jetzt fair entschieden wird, wer Präsidentin beziehungsweise Präsident des DOSB wird, wer ins Präsidium kommt, dann wird dieses neue Präsidium unglaubliche Chancen haben, den Riesen wachzuküssen und ganz anders die PS, die der Sport hat, auf die Straße zu bringen“, so Wulff.
Für Noch-Präsident Alfons Hörmann fand Wulff trotz des Aufruhrs über die angebliche „Kultur der Angst“ lobende Worte – und rechnet ihm „große Verdienste“ für seine Tätigkeit an. „Er hat den Weg frei gemacht, und damit sollte man auch ihm danken für das, was er gemacht hat ehrenamtlich über die Jahre, was eigentlich ein Hauptamt ist.“
Wulff hält Hörmann insgesamt für „gut geeignet“ im Amt des DOSB-Präsidenten. Wulff selbst wisse, dass es in demokratisch gewählten Ämtern Höhen und Tiefen gebe. „Man sollte den Menschen ganzheitlich beurteilen“.

DOSB-Präsidium: Team aus Erfahrenen und Neuen

Mit Blick auf das neue Präsidium des DOSB spricht sich Wulff nach zahlreichen Rücktritten für ein Team aus Erfahrenen und Neuen an der Spitze aus. Mit der Aufstellung selbst habe die Findungskommission aber nichts zu tun. „Wir glauben, dass wir jetzt unsere Arbeit gut abgeschlossen haben und unsere Aufgabe war, Kandidaten zu präsentieren, die mit gutem Gewissen der Aufgabe standhalten.“