Eine mysteriöse Aura umgibt die 34-jährige Sängerin Chrysta Bell: 1,80 Meter groß, schlank, schulterlanges rotes Haar, feine Gesichtszüge, knallroter Lippenstift. Bisher ist wenig über diese Künstlerin aus Texas bekannt, die eigentlich schon seit Jahren Musik macht, auf die Musikindustrie aber schlecht zu sprechen ist.
"Als ich vor vielen Jahren ein Album mit RCA Victor machte, hatte ich nicht die leiseste Ahnung vom Musikgeschäft. Es war magisch für mich. Aber letztendlich stellte sich heraus, dass es äußerst hart war. Damals hab ich mich ins Zeug gelegt und war dabei so naiv und gutgläubig. Nach diesen Erfahrungen bin ich so erleichtert, dass sich dieses Mal eine wirklich erfahrene Person um das Musikbusiness sowie die Verbreitung dieses Albums kümmert und so viele Türen öffnen kann."
Bei der Vertragsgestaltung gab es eine Menge Probleme mit dem Label: Chrysta Bell fühlte sich von der Plattenfirma in ihrer Karriere und bei der Verbreitung des Albums im Stich gelassen. Der erhoffte Erfolg und internationale Durchbruch blieben aus. Doch dieses Mal wirkt ja diese erfahrene Person mit - und zwar David Lynch, Regisseur von nicht weniger mysteriösen Filmen und Serien wie "Twin Peaks", "Blue Velvet" oder "Lost Highway". Er ist der Mann hinter Chrysta Bells Debütalbum "This Train". Die elf Songs darauf beschwören mit ihren düsteren Klanglandschaften eine dramatische Atmosphäre.
"Der Titelsong "This Train" ist spirituell und meditativ. Diesem Stück liegt die Idee zugrunde, dass der Zug für niemanden hält. Dieser Zug ist eine Metapher für das Leben, das immer weiter geht und das niemand anhalten kann. In "This Train" sind alle Atmosphären des gesamten Albums enthalten, es ist eine Reise in Melancholie, Verlangen und Erotik - eigentlich in alle Gemütslagen."
Förderung durch David Lynch
Wahrscheinlich wäre Chrysta Bell weiterhin unbekannt geblieben, wenn David Lynch sie nicht gefördert hätte. Lynch ist nicht nur erfolgreicher Filmemacher, sondern auch talentierter Musiker. Neben seinen Filmen komponiert er und schreibt Texte in seinem eigenen Studio in Hollywood. Töne und Klänge sind sowieso unerlässlicher Baustein seines filmischen Schaffens. Er kennt das Show- und Musikgeschäft in- und auswendig. Und er hat Beziehungen. Über ihren Manager kam Chrysta Bell mit David Lynch in Kontakt. Die beiden treffen sich nicht oft, aber kontinuierlich über einen Zeitraum von zehn Jahren, um gemeinsam an Songs zu arbeiten.
"Wir sahen uns in seinem Tonstudio, so oft es uns möglich war. Ich wohne in Austin und hatte verschiedene musikalische Projekte. David war auch immer sehr beschäftigt. Die Momente in diesen Aufnahmeräumen waren äußerst inspirierend und kreativ. An jedem Song des Albums haben wir zusammen gearbeitet. Einige davon waren innerhalb eines Tages fertig, für andere brauchten wir fünf Jahre. Damit sind so viele kostbare Stunden, so viel Kraft und Energie verbunden. Für mich hat es heute den Stellenwert eines Memoiren-Albums. Doch lange war eigentlich nie klar, was aus diesen Stücken werden soll. Im Vordergrund stand erst einmal die gemeinsame Kreation."
Chrysta Bell ist im texanischen San Antonio zur Welt gekommen und wuchs mit ihrer Mutter, einer professionellen Sängerin, auf. Ihr Stiefvater besaß ein Tonstudio. Sie hatte verschiedene Einsätze als Sängerin für TV-Jingles und war 13, als sie mit dem Musiktheater begann. Dann gehörte sie für längere Zeit zur RCA-Swing-Band "8 1/2 Souvenirs" und bekam immer wieder Gelegenheiten, sich musikalisch beispielsweise an der Seite von Willie Nelson oder Donovan auszuprobieren. Was sie dabei stets interessierte, eigene Gefühle und ihre Persönlichkeit in die Lieder einzubringen. Bei David Lynch hatte sie nun die Gelegenheit dazu. Bei ihm verschmelzen die Grenzen zwischen Musik und Film. Lynch suchte für seine Kompositionen nicht nur die passende Stimme, sondern auch eine Person mit schauspielerischen Fähigkeiten.
"Beim Song "Real Love" sollte ich in eine bestimmte Rolle schlüpfen. Es geht um eine Person, die so unglücklich und gleichzeitig aufgebracht ist, dass sie fast explodiert. Um mich in diese Gemütslage zu versetzen, gab David mir folgende Ratschläge: Du bist Elvis, es ist Mitternacht, du fährst einen Mustang und du rast. Du hast schon einige Drinks intus. Du fährst zum Haus deines Partners, der wirklich gemein zu dir war. Du hast ein Gewehr. Du bist außer dir und weißt nicht, was jetzt passiert. Wenn David das zu dir sagt, erlebt er es wie du, er ist ein ausgezeichneter Regisseur. Danach ging ich in meine Aufnahmekabine ins Studio und es hat geklappt."