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Comeback am Broadway

1954 spielten Bing Crosby und Grace Kelly im Film "Country Girl" die Hauptrollen. Grace Kelly bekam dafür den Oscar. In dem Ehedrama geht es um einen heruntergekommenen Schauspieler, der die Chance auf ein Comeback bekommt. Jetzt ist "Country Girl" am New Yorker Broadway zurück auf die Bühne gekommen - mit Hollywoodstars wie Morgan Freeman, bekannt aus "Miss Daisy und ihr Chauffeur".

Von Andreas Robertz |
    Clifford Odets war in den 30er Jahren ein berühmter Theaterschriftsteller. Er war Mitglied des Group Theaters von Harold Clurman und Lee Strassberg und wurde 1935 mit dem Einakter "Waiting for Lefty" sozusagen über Nacht berühmt. In dieser Serie von kleineren Szenen über einen Streik in einem fiktiven New Yorker Taxiunternehmen stand zum ersten Mal in der amerikanischen Theatergeschichte der einfache Arbeiter im Mittelpunkt eines Stückes.
    Dass das Stück in einem Theater, auf der Strasse oder in einer Gewerkschaftsversammlung gespielt werden konnte, war für die damaligen Zeit eine völlig neue Theatererfahrung – auch inhaltlich. Denn plötzlich waren die Erfahrungen der einzelnen Bühnencharaktere wichtiger als die Geschichte selbst. Odets Stücke waren von einem starken sozialen Gewissen geprägt und setzten sich mit den dramatischen Folgen der Weltwirtschaftskrise auseinander. In der McCarthy Ära 1952 hätte ihm dies fast ein Berufsverbot eingebracht. Er starb 1963 mit nur 57 Jahren an Magenkrebs.

    Der Film "Barton Fink", der die Coen Brüder als Regisseure berühmt machte, basiert auf Teilen von Odets Biograpfie. Viele seiner Stücke, wie zum Beispiel "Golden Boys", "The Big Knife" oder "Awake and Sing" wurden in Hollywood verfilmt und in den vergangenen Jahren immer wieder an den Broadway zurückgeholt. Mit "Country Girl" kehrt nun auch eines seiner späten Stücke dorthin zurück.

    Der alternde, ehemals berühmte Broadwaystar Frank Elgin hat seine Karriere durch Alkohol zerstört. Unerwartet erhält er durch den Erfolgsregisseur Bernie Dodd eine zweite Chance. Seine desillusionierte Frau Georgie glaubt nicht mehr an eine Veränderung, aber sie unterstützt ihn so gut es geht. So entsteht eine bittere Konkurrenz zwischen Bernie und Geogie um die Liebe zu Frank, der plötzlich zwischen Ehe, Karriere und Sucht steht. Als Bernie sich in die starke Georgie verliebt, droht die marode Ehe zwischen Frank und ihr zu zerbrechen. Am Ende erlebt Frank sein Comeback, und Georgie entscheidet sich, bei ihm zu bleiben.
    "Country Girl" hat wenig von der rebellischen Kraft der frühen Stücke Clifford Odets. Hier findet der Konflikt auf einer sehr viel persönlicheren Ebene statt: Es geht um Loyalität und Liebe, um Abhängigkeit und den Mut, dieser entgegen zu treten, es geht um Frauen- und Männerrollen – und zugleich um ein Stück über die Leidenschaft zum Theater.

    Morgan Freeman als der schwache Frank, Frances McDormand, die als die schwangere Polizistin Marge in dem Film "Fargo" den Oscar gewann, als Georgie und Peter Gallagher als Regisseur Bernie geben ein technisch gut aufeinander eingespieltes Ensemble. Trotzdem fehlt es dem Abend an Feuer und Intensität.

    Das Stück wirkt verstaubt, die Schauspieler scheinen aus einer anderen Zeit zu stammen. Das liegt sicher auch daran, dass Regisseur Mike Nichols das Stück wie einen alten Film inszeniert hat: in einem gelb-braunen Licht, in original 1950er Kostümen und Bühnenbild. Selbst die Spielart der Schauspieler hat etwas Altmodisches. Es scheint so, als wären sie bei dem Versuch, möglichst glaubwürdige Charaktere zu erschaffen, in einer Art unterspielter Spannung stecken geblieben.

    Weder Regie noch Darsteller gehen ein größeres Risiko ein, und so bleibt der Abend in unterhaltsamer Mittelmäßigkeit stecken. Es ist sehr bedauerlich, diese berühmten Schauspieler nicht mehr glänzen zu sehen; bedauerlich auch, weil Clifford Odets Stücke es sicherlich wert sind, immer wieder am Broadway gespielt zu werden, denn seine Konflikte und Themen haben nichts an ihrer Aktualität verloren.