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Computerspielbranche
Gewinner der Coronakrise

37.0000 Menschen schoben sich im vergangenen Jahr durch die Kölner Messehallen zur Gamescom. Doch in diesem Jahr muss das gigantische Schaulaufen wegen der Corona-Pandemie digital stattfinden. Die Branche wird es verkraften, denn gerade aufgrund von Corona boomt sie wie nie zuvor.

Von Christian Schiffer | 27.08.2020
22.08.2018, Nordrhein-Westfalen, Köln: Besucher der Gamescom spielen. Zum zehnten Mal findet die Computer Spielemesse in Köln statt. Foto: Oliver Berg/dpa | Verwendung weltweit
Als es noch kein Coronavirus gab: Besucher beim Spielen auf der Gamescom (dpa)
Der 20. März 2020. Die Zeit des Lockdowns, von #stayathome und apokalyptisch anmutenden Supermarkt-Schlachten um die letzte Klopapierrolle. Der Chef der WHO Tedros Adhanom Ghebreyesus appelliert an die Solidarität der Menschen und gibt Tipps gegen den Stress und Angst.
Krisengewinner Computerspielbranche
"Hört Musik, lest ein Buch oder spielt ein Spiel!", sagt der Mann von der WHO. Heute, Monate nach diesem Appell, kann man konstatieren, dass die Welt zumindest diesen Corona-Ratschlag beherzigt hat. Denn noch nie wurde so viel gespielt wie im Lockdown und das ist mit ein Grund dafür, dass kaum eine Branche so sehr Corona-Krisengewinner ist, wie die Computerspielbranche, sagt Petra Fröhlich, Chefredakteurin des Branchenmagazins "GamesWirtschaft".
"Abseits von Baumärkten, Netflix und Herstellern von FFP2-Masken, gibt es wahrscheinlich kaum eine Branche, die so sehr vom Lockdown und den Corona-Einschränkungen profitiert hat, wie die Games Branche. Da kommen mehrere Dinge zusammen: Millionen Menschen sind weiterhin von den Corona-Einschränkungen betroffen. Allein schon deshalb, weil Schule und Kita ausfallen. Das heißt, es gibt wahnsinnig viel Freizeit, die gefüllt werden muss und gleichzeitig fallen viele der üblichen Freizeitbeschäftigungen aus. Das heißt, das Geld, das man sonst für einen Kinobesuch oder für einen Freizeitpark, für ein Bundesliga-Wochenende, für Konzerte oder im Urlaub ausgegeben hat, das fließt dann eben alles in Smartphone, Apps oder PC, Spiele, neue Konsolen, Hardware und so weiter."
Die Switch-Konsole von Nintendo war zwischenzeitlich ausverkauft und nur für Mondpreise erhältlich. Auch die entsprechende Software fand reißenden Absatz: Die Lebenssimulation "Animal Crossing", ein kunterbunter Gegenwurf zur tristen Corona-Realität, wurde zum Megaseller. Auf dem PC kramten die Leute plötzlich wieder "World of Warcraft" hervor und zogen von zu Hause aus als Elfen und Zwerge durch die Fantasy-Landschaft Azeroth. Und Paradox, ein schwedisches Unternehmen, das für seine komplexen und zeitintensiven Strategiespiele berühmt ist, konnte dank Corona exzellente Quartalszahlen bekanntgeben.
Ein Screenshot aus dem Computerspiel FoldIT.
Games vs. Corona - Mit Computerspielen das Virus bekämpfen
In Zeiten von Ausgangsbeschränkungen boomen Computerspiele. Zocken hilft aber nicht nur beim Social Distancing, es kann auch einen Beitrag zur Corona-Forschung leisten.
Bald wieder mehr Mitarbeiter als zu Beginn der Krise
Und noch etwas half und hilft der Computerspielebranche: Anders als das Kino, die Live-Musik, das Theater oder der Sport konnte man hier schnell in den Home-Office-Modus wechseln. Die Spieleproduktion ging weiter, von wenigen Verschiebungen einmal abgesehen. Aber nicht nur die großen Firmen profitieren, die Corona-Flut hebt alle Spiele-Boote. Auch die deutschen Hersteller sind insgesamt gut durch die Krise gekommen, sagt Petra Fröhlich von "GamesWirtschaft":
"Mir sind auch nur ganz wenige Fälle bekannt, in denen es beispielsweise zu Kurzarbeit gekommen ist. In den meisten Fällen wurden sogar neue Mitarbeiter eingestellt und viele Studios planen auch damit, dass sie am Jahresende wieder mehr Menschen beschäftigen, als zu Beginn der Krise. Und das ist nicht selbstverständlich in diesen Zeiten und deshalb prinzipiell eine gute Nachricht."
Ein aufmerksam verfolgtes Experiment
Eine Frage allerdings bleibt: Kann eine Corona-Gamescom funktionieren? Kann eine Gamescom funktionieren ohne Menschenmassen, ohne kreischende Teenager, ohne Kirmes-Techno, lange Schlangen, Cosplayer und T-Shirt-Kanonen, ohne den ganzen Quatsch also, der eine Gamescom erst zu einer Gamescom macht? Klar ist: Die wichtigste Publikumsmesse für digitale Spiele ist in diesem Jahr noch wichtiger als sonst. Im Herbst sollen die neuen Konsolen von Sony und Microsoft erscheinen, die Playstation 5 und die Xbox Series X werden noch opulentere Computerspiele ermöglichen. Aber ein "Hands on" für Otto-Normal-Spieler, das wird es diesmal nicht geben.
"Und das ist natürlich auch für die Spielehersteller hochproblematisch, weil sich viele der Neuheiten nicht wirklich gut präsentieren können. Bei der Playstation 5 gehört zu den Neuigkeiten beispielsweise explizit das Gamepad. Hier wurden Sensoren und Motoren verbaut. Das war bisher auch schon so, aber der Spieler soll jetzt intensiver fühlen, wenn eine Spielfigur durchs Gras schleicht oder mit einem Formel 1 Wagen die Bande kracht. Das heißt, die Spiele werden realistischer. Und genau dieser Fortschritt wird sich buchstäblich nicht erspüren lassen. Für die Gamescom-Teilnehmer in diesem Jahr ist es besonders schade."
Die Gamescom wird in diesem Jahr also zu einem aufmerksam verfolgten Experiment. Denn sollte die Corona-Gamescom trotz aller Widrigkeiten ein Erfolg werden, dann wird sie auch zum Vorbild für andere Messen.