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Corona in Japan
Ausnahmezustand befeuert Olympia-Debatte

Aufgrund steigender Corona-Zahlen hat die Nationalregierung in Tokio den Ausnahmezustand erklärt - sieben Monate vor dem Start der Olympischen Spiele. Die Diskussion um die Austragung der Spiele werde so befeuert, sagte Journalist Felix Lill im Dlf. Die Euphorie in der Bevölkerung sei verschwunden.

Felix Lill im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Der Skytree in Tokio leuchtet in bunten Farben
Der Skytree in Tokio leuchtet in bunten Farben (picture alliance/AP Photo/Jae C. Hong)
In sieben Monaten sollen in Tokio die Olympischen Spiele beginnen. Jetzt hat die Nationalregierung in Tokio hat aufgrund steigender Corona-Zahlen für die Präfekturen Tokio, Kanagawa, Saitama und Chiba den Ausnahmezustand erklärt. "Ärzte berichten seit einigen Wochen schon, dass das Gesundheitssystem an der Kapazitätsgrenze operiert", sagte der Journalist Felix Lill im Dlf. Toshio Nakagawa, der Präsident des Japanischen Ärzteverbands, fordere deshalb auch einen nationalen Ausnahmezustand.
Schon seit rund einem Jahr werde in Japan diskutiert, ob man die Spiele austragen solle oder nicht, berichtet Lill. Ein Ausnahmezustand werde diese Debatte weiter befeuern. "Premierminister Yoshihide Suga sagt weiterhin, er sei entschlossen, sichere Spiele zu veranstalten. Auch IOC-Präsident Thomas Bach hat sich in diese Richtung geäußert. Aber IOC-Mitglied Dick Pound hat gegenüber der kanadischen Presse gesagt, er ist nicht sicher, dass Olympia stattfinden wird. Die derzeitige Lage in Japan, und die Erklärung des Ausnahmezustands, hat das Ganze noch einmal etwas unsicherer gemacht."
"Die Pandemie überschattet alles"
Auch in der Bevölkerung sei die Olympia-Euphorie verflogen. "Als sich das Virus im Land ausbreitete, zögerte die Regierung wochenlang, um deutliche Maßnahmen zu ergreifen. So wirkte das alles, als hätten die Organisatoren und die Regierung das Mega-Event für wichtiger empfunden als die öffentliche Gesundheit. Und dieses Gefühl überwiegt bis heute", sagte Lill. "In Umfragen zeigt sich seit einem knappen Jahr, dass eine Mehrheit Olympia auch im Jahr 2021 nicht will." Gründe dafür seien die gesundheitlichen Bedenken und die noch einmal stark angestiegenen Kosten. "Man muss aber auch sagen: In Japan ist Olympia längst nicht mehr das große Thema in der Öffentlichkeit, wie es das im letzten Jahr zu diesem Zeitpunkt war. Die Pandemie überschattet einfach alles im Moment", so Lill.
Ankunft des olympischen Feuers in Matsushima in Japan
Vorfreude in der Minderheit
Die Organisatoren der Olympischen Spiele von Tokio wollen die Veranstaltung um jeden Preis durchziehen. Dafür suggerieren sie mittlerweile eine Normalität, die ihnen noch auf die Füße fallen könnte.
Große Hoffnungen setze die Politik und die Olympia-Organisatoren in den Impfstoff. Allerdings seien die Menschen in Japan eher impfskeptisch. "Eine Umfrage hat ergeben, dass nur eine kleine Minderheit glaubt, Impfstoffe seien sicher. Eine andere Erhebung zeigt, dass nur 60 Prozent sich impfen lassen wollen."
Zu denen, die sich nicht impfen lassen wollten, gehöre auch die bereits für die Spiele qualifizierte Langstreckenläuferin Hitomi Niiya. Sie sage, Sportler müssten besonders auch ihre Körper achten und deshalb vorsichtig mit neuen Substanzen sein, berichtet Lill. "Niiyas Haltung ist im Land viel zitiert worden und könnte auch Einfluss auf andere Menschen und Athleten haben. Das macht die Sache für die Organisatoren von Olympia natürlich auch nicht leichter. Die sagen nämlich einerseits, dass sie alle Sportler zum Impfen ermutigen wollen. Andererseits aber auch, dass die Sicherheit und Gesundheit höchste Priorität hat."