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Corso-Gespräch
"Ich bin der Kern meiner Songs"

"Chance of Rain" heißt das neue Album von Stefanie Heinzmann. Im Corso-Gespräch sagt die Künstlerin, darauf seien ihre persönlichsten Lieder. Heinzmann hat für die CD an vielen Orten der Welt gearbeitet: Die Songs sind in Nashville, London, Berlin und Köln entstanden.

Stefanie Heinzmann im Gespräch mit Christoph Reimann | 11.04.2015
    10. International Athletics PSD Bank Meeting 2015 am 29.01.2015 im Arena-Sportpark in Düsseldorf Stefanie Fabienne Heinzmann ( Schweizer Pop- und Soulsängerin )
    Stefanie Heinzmann steht zu 100 Prozent hinter ihren Liedern. (dpa / picture-alliance / Revierfoto)
    Christoph Reimann: Auf dem Cover zu Ihrer neuen Platte "Chance of Rain", da sieht man Sie vor weißem Hintergrund, und sie fallen ganz offensichtlich. Sie befinden sich im freien Fall. Was hat das zu bedeuten?
    Stefanie Heinzmann: Wir wollten ein Bild zu dem Titel "Chance of Rain" finden, zu diesem Gefühl. Weil: "Chance of Rain" bedeutet für mich halt diese Chance aus Regentagen. Und diese Regentage sind natürlich ein Bild dafür - für schlechte Tage. Ein Bild zu finden, dass das gut darstellt, dass diese Emotionen darstellt. Und ich glaube, an diesen schlechten Tagen fühlt man sich manchmal so ein bisschen fallend, so ein bisschen ins Leere fallend. Das haben wir versucht darzustellen.
    Reimann: Es gibt ja auch einen Song, der "Falling" heißt. Gibt es dazu auch eine persönliche Geschichte? Dieses Regenwetter - warum ist das so wichtig für Sie auf dieser Platte?
    Heinzmann: Weil das einfach Erfahrungen sind, die ich gemacht habe, die ich gerne teilen möchte. Ich glaube, das hat am meisten so ein bisschen damit zu tun, dass Leute, wenn sie mit mir sprechen, immer denken: Ja, Stefanie Heinemann, der muss es doch irgendwie immer gut gehen. Du hast ja auch alles und bist Sängerin und strahlst ja auch immer. Dann ist es meistens so: Ich bin wirklich total dankbar, und ich bin wirklich auch sehr glücklich. Aber trotzdem bin ich am Ende des Tages einfach ein Mädchen, ein 26-jähriges Mädchen. Und ich kenne auch diese schlechten Tage, und ich kenne auch Unsicherheiten und, ja, Situationen, die im Leben passieren, die ich so nicht erwartet habe. Die vielleicht alles auf den Kopf drehen.
    Reimann: Ein Song, der mir besonders aufgefallen ist, ist der Song "Devil on my Shoulder". Darin singen Sie - übersetzt und sinngemäß: Jeder sagt mir, was ich tun soll. Aber was wissen die schon? Es ist also ein Lied darüber, dass man seinen eigenen Weg gehen sollte und nicht auf Bevormundungen hören sollte. Worauf beziehen Sie diesen Song? Vielleicht auch so ein bisschen auf das Pop-Business, habe ich mich gefragt?
    Bruder ist Manager
    Heinzmann: Ich muss sagen, dass ich wirklich Glück habe. Dadurch, dass mein Bruder das Management macht, bin ich jetzt gar nicht mal so ausgeliefert dem Pop-Business, sag ich jetzt mal. Weil dadurch, dass mein Bruder und ich die Entscheidungen treffen, machen wir eigentlich von Anfang an das, was uns Spaß macht. Aber ich rede generell so ein bisschen von der Gesellschaft. Wir tendieren dazu, uns Meinungen zu bilden über Dinge, die uns eigentlich nichts angehen. Vor allem auch das Internet, heutzutage.
    Reimann: Haben Sie da ein konkretes Beispiel, wenn es um Ihre Person geht?
    Heinzmann: Ja, um meine Person . Es sind ganz kleine Sachen. Wenn ich zum Beispiel auf Facebook ein Foto poste von meinem Gesicht und ich schreibe dazu "guten Morgen", habe ich 50 Prozent Kommentare: Mein Gott, nimm doch jetzt mal diese Piercings raus, was soll denn diese Riesen-Brille, wie kann man so hässlich sein? Und man denkt sich so: Mein Gott, Leute, das sind drei Ringe in meinem Gesicht. Das tut keinem weh außer mir. Und deswegen . Ich verstehe nicht, was wirklich ... Ich versuche mir dann wirklich vorzustellen, wenn ich diese Ringe aus meinem Gesicht nehme, geht es euch dann wirklich besser? Und wie traurig ist das dann? Also, es kann doch nicht euer Ernst sein!
    Reimann: Wie schaffen Sie das, so stark damit umzugehen, mit solchen Kommentaren?
    Heinzmann: Ich mag mich total gerne, wie ich bin. Ich würde mich nicht mögen, wenn ich nur das mache, was jeder von mir erwartet.
    Reimann: Sie haben ja auf dieser Platte tatsächlich auch ein paar Dinge anders gemacht als vorher, als auf Ihren ersten drei Alben. Zum Beispiel ist die Platte an vielen verschiedenen Orten entstanden: in Nashville, Los Angeles, London, Berlin und Köln. Warum diese vielen Orte?
    Heinzmann: Das hatte eigentlich hauptsächlich damit zu tun, dass ich neugierig war. Wir haben vor zweieinhalb Jahren angefangen zu schreiben mit noch gar nicht der Aussicht auf ein Album, in dem Moment. Wir hatten noch viel zu tun, ich habe "The Voice" in der Schweiz gemacht, wir haben viel gespielt. Das heißt, wir wollten einfach mal drauf losschreiben und Teams kennenlernen. Und es ist einfach so, dass die Leute in Nashville ganz anders schreiben als die Leute in London, und die schreiben ganz anders als die Leute in Berlin, und das wollte ich einfach mal rausfinden, und auch gute Teams für die Zukunft suchen.
    Reimann: Nashville - da denkt man eigentlich zuerst an Country. Country ist auf der neuen Platte nicht, aber was macht diese Musik von dort so anders?
    60.000 Songwriter in Nashville
    Heinzmann: Das dachte ich mir nämlich am Anfang auch: Als die Idee kam, nach Nashville zu fahren, dachte ich mir im ersten Moment: Oh Gott, oh Gott, was soll ich denn in Nashville? Ich will ja keinen Country machen, und generell, dieser sehr amerikanische Style - das passt nicht so richtig zu mir. Trotzdem war ich neugierig, weil in Nashville wohnen 60.000 Songwriter, was einfach unglaublich ist. Musik ist dort ein so wichtiger Teil. Und was macht man in Nashville - das habe ich jetzt rausgefunden. Was man in Nashville total gut schreiben kann, sind Balladen. Da sind sie die Kings. Also, Balladen schreiben die in vier Minuten.
    Reimann: Aber Balladen gibt es ja auf der neuen Platte gar nicht so viele. Die neue Platte ist sehr, sehr temporeich, sehr, sehr energiegeladen. Ich glaube, der erste etwas ruhigere Song, das ist so der achte, neunte Song auf der Platte. Was war denn überhaupt der Grund, jetzt mit neuen Produzenten, mit neuen Songwritern zusammenzuarbeiten?
    Heinzmann: Wir haben jetzt sieben Jahre lang mit dem genau gleichen Team zusammengearbeitet. Ich war einfach total neugierig. Ich hatte so das Gefühl in meinem Bauch, dass es jetzt Zeit ist, mal weiter zu gehen, sich musikalisch ein bisschen weiterzuentwickeln. Ich wollte neue Sachen ausprobieren, mich selbst auch ein bisschen ausprobieren. Vor allem halt auch einfach selbst mitschreiben. Das hat viel geändert.
    Reimann: Das haben Sie. Musikalisch mitgeschrieben und textlich, beides?
    Heinzmann: Das ist so ein bisschen beides. Ich bin der totale Team-Player. Meistens geht das so vonstatten, dass ich mit einer Grundidee in den Raum komme. Das fängt wirklich ganz rudimentär an: Ich würde heute gern, ich habe Bock auf einen Up-tempo-Song. Oder ich habe Bock auf eine Ballade. Und dann einigen wir uns so ein bisschen über die Instrumentierung, ob das dann eher in Gitarren-Sounds geht, Klavier-Sounds, was auch immer. Und wenn man sich auf eine Grundmelodie und einen Beat geeinigt hat, fange ich meistens an, mit dem Texter über meine Gedanken zu sprechen. Ich mache mir meistens ganz viele Notizen vorher, Gedanken, die ich mir aufschreibe. Und darüber spreche ich dann mit dem. Das ist dann wirklich so. Ja, also, ich mag es einfach, ihn, diesen Texter, dann auch danach zu fragen: Was denkst du denn über dieses Thema? Dass so ein richtiges Gespräch daraus wird.
    Reimann: Aber wenn so viele unterschiedliche Leute an den Songs mitgearbeitet haben, und zwar bis zu fünf verschiedene Leute pro Song, inwiefern kann denn dann das Album trotzdem Ihr persönlichstes sein, so wie Sie in Interviews gesagt haben?
    Heinzmann: Weil der Kern jedes Songs hundertprozentig ich bin. Jede Geschichte von jedem Song ist mir so passiert, ist eine Geschichte aus meinem Leben, ist eine Emotion aus meinem Leben. Und ich liebe es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, je mehr desto besser. Ich liebe meine ganze Crew, ich liebe jeden einzelnen, der da neu dazukommt. Für mich ist das eine totale Bereicherung, dass viele Menschen zusammen arbeiten.