Anja Reinhardt: Ben Cooper, sie haben das Porträt einer Familie in drei Teilen entworfen, zwei Alben sind schon veröffentlicht, eins kommt noch. Wann hatten sie die Idee dafür?
Ben Cooper: Die Idee dafür hatte ich schon vor langer Zeit, ursprünglich wollte ich ein Buch daraus machen. Als ich 19 war, schrieb ich zwei Bücher – und dann verabschiedete sich mein Computer und alles, was ich geschrieben hatte, war weg. Das ist der Grund, warum ich Musiker geworden bin! Ich wollte immer schon eine Familiensaga schreiben. Ich habe neun Geschwister, Familie ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich wollte also eine Platte mit der Idee machen, und dann wurden es drei, weil ich immer weiter schrieb.
Reinhardt: Ich frage mich, wie man bei all den Charakteren den Überblick behält …
Cooper: Ja, ich hab jede Menge Notizbücher, ich pinne Zettel an die Wand – ich kann das nicht alles im Kopf behalten, das wäre zu viel …
Reinhardt: Die Geschichten sind fast alle im 19. Jahrhundert angesiedelt. Warum eigentlich?
Cooper: Ich interessiere mich einfach für Geschichte und wollte das verbinden mit meiner Musik. Außerdem wollte ich mir mal die Geschichte meiner eigenen Familie genauer ansehen und hab spannende Geschichten gefunden. Einer aus der Familie musste zum Beispiel wegziehen, weil der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach. Das ist nämlich der Grund, warum meine Familie seit mehr als hundert Jahren im Süden der USA lebt. Und ich fand heraus, dass ein großer Teil der Familie aus Deutschland kommt, mein zweiter Nachname ist Pfeiffer. Also waren einige meine Vorfahren Musiker, Flötenspieler. Mein anderer Nachname ist Cooper, der Teil baute also Fässer und Schiffe. Mir hat das Spaß gemacht, diese Spurensuche, das 19. Jahrhundert schien also eine gute Zeit für meinen Plan zu sein.
Reinhardt: Das 19. Jahrhundert war in Amerika ja sehr ereignisreich: Der Bürgerkrieg, die Erschließung des Westens, der Ausbau der Eisenbahn, Abraham Lincolns Ermordung – wollten Sie das alles abbilden?
Cooper: Nicht direkt. Ich benutze die historischen Vorlagen lieber als Schauplatz. Auf dem neuen Album gibt es zum Beispiel einen Song, in dem es auch um den Bürgerkrieg geht, aber es geht nicht um den Bürgerkrieg an sich, sondern darum, wie ein Soldat das erlebt hat. Er schreibt Briefe an seine Familie, in denen es gar nicht um den Krieg geht. Ich benutze also den Schauplatz, nicht aber die Politik. Das hilft nur, den Rahmen zu bestimmen.
Reinhardt: Haben Sie die echten Briefe aus dem Bürgerkrieg gelesen?
Cooper: Tonnen von Briefen! Briefe von Generälen an ihre Frauen. Und ich mochte am liebsten die, in denen es trotz Krieg um das persönliche Leben dieser Menschen ging, Alltägliches statt Politik. Damit kann man sich doch auch viel besser identifizieren. Immer, wenn es darum ging, dass Zentausende sterben, dachte ich immer, dass man so was kaum ermessen kann. Aber wenn man den Tagebucheintrag eines Menschen liest, versteht man vielleicht, wie es gewesen war, beim Krieg dabei zu sein. Darum ging es mir, um die kleinen, persönlichen Geschichten.
Reinhardt: Ist ja auch bewegender …
Cooper: Sehe ich auch so. Nur so versteht man doch andere Menschen, das merken wir doch in unserem eigenen Leben. Manchmal sind wir Teil von etwas, das viel größer ist, als wir das verstehen können, aber wir tragen unseren Teil dazu bei. Ist schon seltsam, mich interessieren die historischen Details ja eigentlich, aber ich will nicht drüber schreiben. Ich mag die kleinen Dinge.
Reinhardt: Die Geschichten sind erfunden, aber die Instrumente, die Sie benutzen, sind authentisch, die wurden auch im 19. Jahrhundert benutzt. War das ein wichtiger Aspekt für Sie?
Cooper: Eigentlich ging es mir mehr darum, musikalische Grenzen zu setzen. Heute kann man viel mit Computer und Effekten und jeder Menge Tricks machen, aber ich wollte die Musik schon mit dieser Einschränkung schreiben: Eine Trommel, Akustikgitarre, Klavier – Instrumente, die damals benutzt wurden. Auf dem dritten Album wird es dann auch elektrische Instrumente geben, weil ich dann über die Zeit singe, in der sie benutzt wurden. Also zweite industrielle Revolution und Fabriken gehörten zum Alltag. Die Produktion wird also moderner, je mehr die Zeit voranschreitet. Das ist die Idee, ich weiß nicht, ob das rüberkommt …
Reinhardt: Du bist selbst in einer großen, gemischtrassigen Familie groß geworden. Der Süden Amerikas ist ja immer noch irgendwie abgehängt, oder?
Cooper: Kommt drauf an, wo Du hingehst. In Alabama oder Mississippi zum Beispiel spielt Rassentrennung immer noch eine große Rolle. Selbst in Florida ist das teilweise noch so. Oder in Georgia. Allerdings denkt die junge Generation, die da gerade nachwächst, zum Glück anders. Aber als ich noch Kind war, gab es Rassismus. In einer gemischtrassigen Familie zu sein war schwierig.
Reinhardt: Gab es Gewalt gegen Ihre Familie?
Cooper: Das ein oder andere Mal…Als ich ein Kind war, passierte es schon, dass Leute unser Haus mit Eiern bewarfen. Einmal war ich im Gartenschuppen und spielte Gitarre, als plötzlich Steine durch die Fenster flogen. Allerdings war es bei anderen Leuten noch viel schlimmer. Meine Stadt ist also nicht sooo rückständig. Heute ist das schon viel besser. In den letzten 15 Jahren hat sich viel verändert. Heute merkt man fast nichts mehr davon, das ist schön. Aber viele Leute mögen halt keine Vielfalt.
Reinhardt: Viele Leute reden vom Untergang der USA als Supermacht. War das auch ein Grund für Sie, Ben Cooper, Ihre persönliche Geschichte Amerikas zu schreiben?
Cooper: Vielleicht ein bisschen, ja. Die Rolle Amerikas hat sich gewandelt. Viele Amerikaner sind, was das angeht, ein bisschen stur und würden dem nicht zustimmen. Durch das viele Touren durch so viele Länder habe ich gemerkt, dass die Leute fast überall gleich sind. OK, wir kommen vielleicht aus unterschiedlichen Kulturen, aber wir suchen doch alle nach der gleichen Sache: Glück, Liebe, Akzeptanz, eine Aufgabe. Überall der gleiche Kampf, nur unter unterschiedlichen Vorzeichen. Und was gerade in Amerika passiert: Wir müssen mal wachgerüttelt werden, und das passiert gerade. Wenn das mal vorbei ist. Ich weiß nicht, ob es mir wirklich darum geht – vielleicht tut es das tatsächlich. Muss ich noch mal drüber nachdenken.
Reinhardt: Ben Cooper, vielen Dank für das Interview
Cooper: Thank you for having me.
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