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Costa Concordia
Ein Angeklagter und viele Fragen

Vor zwei Jahren havarierte das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" vor der italienischen Küste. Während die Überlebenden immer mit den Folgen des traumatischen Unglücks kämpfen, läuft vor Gericht in Grosseto die juristische Aufarbeitung der Tragödie. Einziger Angeklagter: Kapitän Francesco Schettino.

Von Tilmann Kleinjung | 13.01.2014
    Bis vor zwei Jahren gab es bei Kreuzfahrten durchs Mittelmeer ein Ritual: Der Kapitän lenkt sein Schiff möglichst nah an die Küste und grüßt auf diese Weise die Bevölkerung an Land. Inchino, Verbeugung heißt das Manöver, das am Abend des 13. Januar 2012 auch Kapitän Francesco Schettino vor der Insel Giglio durchführen ließ. Es war die letzte Verbeugung der "Costa Concordia", um Viertel vor Zehn rammte das gigantische Kreuzfahrtschiff einen Felsen vor Giglio und sank wenig später im Hafen der Insel.
    Die Evakuierung wurde viel zu spät eingeleitet. 32 Menschen verloren ihr Leben. Der Kapitän ging noch vor den letzten Passagieren von Bord und ließ sich auch durch einen Anruf des Hafenkommandanten nicht zum Umkehren bewegen.
    "Sagen Sie mir, ob sich Kinder, Frauen oder hilfsbedürftige Personen an Bord befinden. Und falls ja, wie viele. Haben Sie verstanden. Hören sie Schettino, Sie haben sich vielleicht gerettet, aber ich werde ihnen jede Menge Probleme bereiten. Gehen Sie an Bord verflucht nochmal!"
    Ein ganz normaler Prozesstag
    Wer auch immer da Regie geführt hat - der Terminkalender des Gerichts von Grosseto sieht heute einen normalen Verhandlungstag vor. Heute, an dem Tag, an dem sich der Untergang der Costa Concordia zum zweiten Mal jährt. Einziger Angeklagter im Concordia Prozess: Kapitän Francesco Schettino. Er hat sich im Lauf des Prozesses kaum geäußert. Nur einmal, als der für ihn so beschämende Anruf in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar im Gerichtssaal noch einmal vorgespielt wird, meldet er sich zu Wort.
    "Dieses Telefonat hat doch zu nichts geführt. Es hat den Gang der Dinge nicht beeinflusst. Es wurde unnötigerweise zum Symbol des Bösen. Für den Kapitän der Costa Concordia, für die Hafenbehörde und für ganz Italien."
    Unklar ist, ob Schettino heute überhaupt vor Gericht erscheint, seine Verteidiger schließen sich einem landesweiten Anwaltsstreik an. Deshalb wird die Verhandlung vermutlich gleich nach ihrer Eröffnung wieder vertagt. Sehr zum Leidwesen vieler Passagiere und Nebenkläger, die den Termin nutzen wollten, um gegen die juristische Aufarbeitung dieses Unglücks zu protestieren. Alle Mitangeklagten konnten sich nämlich mit dem Gericht auf vergleichsweise geringe Haftstrafen einigen. Fast hat es den Anschein, als sollte am Ende Francesco Schettino als einziger Verantwortlicher übrig bleiben. Opferanwalt Daniele Bocciolini:
    "Diese Entscheidung ist absolut ungerecht. Da haben die Verteidiger von Schettino völlig Recht. Ein einseitiger Prozess. Schettino wird allein gelassen. Ich glaube aber nicht, dass er als einziger Angeklagter auch der einzige Schuldige ist."
    Eine Schweigeminute für die Opfer
    Dass die Anwälte der Hinterbliebenen und Überlebenden die Costa Reederei stärker zur Verantwortung ziehen wollen, hat natürlich auch etwas mit laufenden Entschädigungsprozessen zu tun. Die Reederei lenkt ihrerseits die Aufmerksamkeit ganz auf die bevorstehende Bergung der "Costa Concordia" vor der Insel Giglio. Im vergangenen September konnte das Wrack mit einem spektakulären Manöver aufgerichtet werden. Noch im Juni soll es dann endgültig abgeschleppt werden. Giglios Bürgermeister Sergio Ortelli ist erleichtert.
    "Ich bin sehr optimistisch, aber auch sehr vorsichtig. Das lehren uns die letzten zwei Jahre. Aber wir haben die Hoffnung, dass vielleicht nicht zum Saisonbeginn, aber während der Sommersaison das Schiff entfernt wird."
    Die Insel Giglio will heute mit einer schlichten Zeremonie der Opfer des 13. Januar 2012 gedenken. Um 21.45 Uhr soll es eine Schweigeminute geben. Das ist genau der Zeitpunkt, an dem vor zwei Jahren die "Costa Concordia" mit einem Felsen vor der Insel kollidierte.