In vielen Fällen von Schwerhörigkeit ist die Hörschnecke, die sogenannte Cochlea, die die akustischen Signale von außen in elektrische Nervenimpulse umwandelt und ans Gehirn weiterleitet, deutlich geschädigt: Manche Frequenzbereiche werden erheblich schwächer verstärkt als andere. Herauskommt, wie es die Fachleute formulieren, ein "schmalbandiger"" Höreindruck. Und der kratzt an der Verständlichkeit. Längst sind die Hersteller von Hörgeräten diesem Problem beigekommen: Moderne Hörgeräte verstärken nur diejenigen Frequenzspektren, die auch tatsächlich geschädigt sind; der Hörgeräteakustiker erstellt dazu ein entsprechendes Profil. Ein kleiner Computer-Chip als "Herz"" eines modernen Hörgerätes wird entsprechend programmiert. Schaltet der Patient das Gerät ein, erlebt er eine Art "akustischer Quantensprung." Doch digitale Hörcomputer können noch viel mehr: Beispielsweise in einer lauten Umgebung diejenige Schallquellen herausfiltern, die für den Betroffenen wichtig ist. Eine Erzählung vor lautem Hintergrund, beispielsweise in einem belebten Café, wird zur Horrorgeschichte, weil der Hörcomputer alle Geräuschquellen gleichermaßen verstärkt. Hier haben die Hersteller moderner Hörcomputer Abhilfe geschaffen, weiß der Physiker Stefan Launer von der Schweizerischen Phonak AG:
Das machen übrigens auch die Heuschrecken so und viele Insekten: Die nehmen einfach zwei Mikrofone und kombinieren die, schalten die zusammen, physikalisch. Wir machen das über den Algorithmus, so dass die Laufzeit zwischen den beiden Mikrofonen verändert wird, und dadurch eine Richtwirkung der beiden Mikrofone erzeugt wird, so dass das Mikrofonpaar nur Schalle verstärkt, die von vorne kommen und Schalle unterdrückt, die aus dem hinteren Halbraum kommen.
Doch jüngste Hörforschungen haben gezeigt, dass das immer noch nicht genügt. Für ein Hörerlebnis mit digitalen Hörhilfen, das dem natürlichen Höreindruck nahe kommt, ist die Hörpsychologie sehr wichtig, also die Art und Weise, wie das Gehirn die Hörimpulse des Ohres weiterverarbeitet. Das geschieht in der Regel sehr individuell und vor allem unabhängig von den messbaren akustischen Parametern. Die Lautstärke eines fahrenden Zuges kann objektiv gemessen und dargestellt werden. Subjektiv wird sie jedoch, so Stefan Launer, höchst unterschiedlich empfunden. Das zeigen entsprechende Versuche.
Ein roter Zug wird lauter wahrgenommen bei gleicher physikalischer Lautstärke wie der grün angemalte. Und das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass rot in unserem Kulturkreis als aggressive Farbe wahrgenommen und deshalb der Zug auch lauter wahrgenommen wird.
Oftmals prägen soziale oder berufliche Stellung das individuelle Hörprofil des Betroffenen. Ora Bürkli-Halevy, Audiologin aus der Schweiz:
Es gibt ganz viele Felder, die individuell sind. Zum Beispiel Kindergeräusche. Ein gutes Beispiel ist ein Spielplatz, wo sehr viele Kinder spielen. Wenn ich eine Mutter bin, die auf ein Kind aufpassen muss, und Hörgeräte trage, dann möchte ich alle die Geräusche gut wahrnehmen können, damit ich erkenne, wenn mein Kind mich braucht zum Beispiel. Ich könnte auf der gleichen Bank sitzen und Zeitung lesen wollen. In diesem Fall wäre das Kindergeräusch für mich Lärm. Dann möchte ich ein Hörgerät in mir, das Kindergeräusche dämpft.
In einem Fall sollen die Kindergeräusche verstärkt, im anderen Fall gedämpft werden. Hörcomputer, die so etwas zu leisten vermögen, müssen daher mit dem jeweils individuellen Hörprofil des Patienten programmiert werden. "Personal Logic" sagen die Fachleute zu diesem System. Stefan Launer:
Da ist ein kleiner Prozessor drin, der von dem Computer über eine Software angesteuert und dessen Parameter über den Computer eingestellt und programmiert werden können.
Parameter, die auf das jeweils persönliche Hörprofil abgestimmt sind. In der Regel erarbeiten Hörgeräteakustiker und Patienten gemeinsam dieses Profil, indem der Patient den Hörcomputer erst einmal mit einer Standardeinstellung nutzt. Nach etwa zwei Wochen berichtet er sehr genau, welche Geräuschtypen er als störend empfunden hat und welche Schallquellen er gerne noch deutlicher hören würde. Auf der Basis dieser Angaben entsteht das Hörprofil, mit dem der Chip programmiert wird. Markiert diese Neuerung derzeit den modernsten Stand der Hörgerätetechnologie, so erwarten die Fachleute für die Zukunft weitere bahnbrechende Fortschritte. Detlef Walter, Mitglied im Vorstand des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte:
Ein Hörgerät wird dann sicherlich kombinierbar sein mit einem wie auch immer gearteten Telefon, dass nicht größer sein wird als heute ein Adapter für ein herkömmliches Funktelefon. Ein Hörgerät ist dann in diesen Adapter mit eingebaut, ohne dass man den Hörgeschädigten oder den Patienten als solchen noch erkennen wird.