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Dancing Queen

Musik zum Tanzen und Mitsingen, sozusagen die Hits der damaligen Zeit sind in den "Walsingham Consort Books" zu finden, einer zu Beginn des 17. Jahrhunderts in England populären Sammlung beliebter Melodien. Gewidmet ist sie berühmten Mitgliedern der Familie Walsingham, darunter auch Sir Francis Walsingham, den Begründer des britischen Geheimdienstes.

Von Christiane Lehnigk |
    Im Mittelpunkt unserer heutigen Sendung steht Tanzmusik in der Besetzung für "Broken Consort" aus dem England des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts mit den Ensembles La Caccia und Les Witches. Darüber hinaus stellen wir Ihnen Ausschnitte aus der Solo-Debüt-CD des Bariton Georg Nigl vor, mit Kompositionen von Henry Purcell und Georg Friedrich Händel. Erschienen sind die Aufnahmen bei den in Belgien ansässigen
    Plattenfirmen Ricercar, Alpha und Passacaille.

    " Anonym
    Tarleton's Jig"
    La Caccia
    Ltg. Patrick Denecker "

    Nach dem "First Book of Consort Lessons" von Thomas Morley aus dem Jahre 1599 hat sich das Ensemble La Caccia unter der Leitung des belgischen Blockflötisten Patrick Denecker nun dem elf Jahre früher entstandenen Vorläufer, den "Walsingham Consort Books" gewidmet.

    Diese zu Beginn des 17. Jahrhunderts in England so populäre Sammlung enthält die beliebtesten Melodien der damaligen Zeit. Ein Großteil davon stammt von Richard Allison, der sich selbst als 'Gentleman' und 'Fachmann' bezeichnet, sowie von dem Lautenisten Daniel Bachiler, beide brachen mit den Traditionen und schrieben für "consorte of six", für sechsstimmige, sogenannte Broken Consorts, gemischten Formationen mit Streich, -Zupf und Blasinstrumenten, in denen die verschiedenen Klangfarben immer wieder neu gemischt werden. Andere Stücke wiederum sind Bearbeitungen von Solo-Stücken und es gibt auch Consort-Songs, Lieder die damals zumeist von einem Mitglied des Knabenchores gesungen wurden, mit der Begleitung von drei oder vier Gamben, auf dieser Aufnahme werden sie mit einem sehr schönen, landestypischen Timbre von Susan Hamilton gesungen.

    Es ist eine Musik, die beide Elemente der damaligen Musik abbildet, zum einen die typische Melancholie, wie sie zum Beispiel von John Dowland kultiviert wurde, und zum anderen eine zwar disziplinierte, höfische, aber dennoch fröhliche Tanzmusik. Das seit 1995 bestehende Ensemble La Caccia, das seinen Schwerpunkt auf die Zeit der Renaissance gesetzt hat, spielt hier in einem historisch orientierten, ausgewogenen Stil und einem farbigem Instrumentarium mit Laute, verschiedenen Gamben, Zister, Pandora und Virginal.

    Das Einmalige an dieser Sammlung ist, dass den Stimmen hier explizit die Instrumente namentlich zugeordnet sind. Die Ornamentierung ist nicht nur, wie üblich, bei der Laute ausgeschrieben, sondern auch bei den anderen Instrumenten. Den Namen erhielt diese Sammlung durch die verschiedenen Widmungen an Mitglieder der Familie Walsingham, darunter auch an Sir Francis Walsingham, der zu einem der engsten Berater der protestantischen Queen Elisabeth I. avancierte und auch als Begründer des britischen Geheimdienstes gilt, dessen Spionage-Netzwerk allerdings großen Schrecken verbreitete.

    Hören Sie hier La Caccia noch mit "The Lady Walsingham's Conceits", die Einfälle/Spielereien der Lady Walsingham.

    " Daniel Bachiler
    The Lady Walsingham's Conceits
    La Caccia
    Ltg. Patrick Denecker "

    Auch bei dem englischen Programm des französischen Ensembles Les Witches liegt eine Besetzung für Broken Consort zugrunde, nur dass die Gestaltung hier etwas freier ist als bei La Caccia. Die CD mit dem Titel "Nobody's Jig. Mr.Playford's English Dancing Master" erschien schon 2002 und wurde jetzt noch einmal aufgelegt. Das erklärte Ziel des seit gut zehn Jahren bestehenden Ensembles, das hier in einer fünfköpfigen Besetzung spielt, ist es, die Atmosphäre der Bars und Tavernen aus der Zeit Shakespeares wieder aufleben zu lassen, und sich dabei durch Quellenkunde, mündliche Tradition, Intuition und Improvisation leiten zu lassen.

    Der Originaltitel des "Dancing Master" lautete: "The English Dancing Master: OR, Plaine and easie Rules for the Dancing of Country Dances, with the Tune to each dance. LONDON, Printed by Thomas Harper, and are to be sold by John Playford, at his Shop in the Inner Temple neere the Church doore" - also "leicht verständliche und einfache Regeln für Volkstänze ... und einer Melodie zu jedem Tanz". Erschienen sind diese Instruktionen für 500 Country-Dances 1651und bis 1728 wurden insgesamt 17 erweiterte Ausgaben veröffentlicht. Es ist die die größte singuläre Quelle von Instrumental-Weisen aus dem 17. Jahrhundert und das erste "Zeugnis des kollektiven Gedächtnisses von keltischer Musik", so die Musiker von "Les Witches", "Die Hexen", die sich bei ihrer CD-Aufnahme überwiegend auf die ersten 7 Editionen bezogen haben, die zwischen 1651 bis 1686 von John Playford selbst veröffentlicht wurden. Dabei wurden viele Stücke bearbeitet, da oft nur die 'treble violin', die Diskantgeige angegeben war, die normalerweise solo gespielt wurde.

    Die Titelliste der Stücke enthält Charaktere aus der Mythologie und der Geschichte, oder betrifft heute unbekannte Personen. Bei der Interpretation waren die Musiker offen für die verschiedenen Einflüsse, wie zum Beispiel die Diminutionen nach Venezianischer Praxis oder die Verzierungen aus der ungebrochenen, keltischen Tradition. Doch Manierismen sollten sich nicht einschleichen dürfen, der Gestus der Musik sollte beibehalten werden, denn es sollte Musik zum Tanzen bleiben; eine Einspielung mit hohem Suchtfaktor.

    " Trad.
    Nobody's Jig, MrLane's Maggott...
    Les Witches "


    Auch die dritte CD, die ich Ihnen kurz vorstellen möchte, hat einen Schwerpunkt auf dem englischen Idiom. Unter dem Titel "Guerra amorosa" hat der Bariton Georg Nigl zusammen mit dem kongenialen Duo Luca Pianca und Vittorio Ghielmi seine erste Solo-CD mit Alter Musik veröffentlicht. Darauf findet sich eine Reihe von Stücken von Henry Purcell und Georg Friedrich Händel als auch von Claudio Monteverdi, Giulio Caccini oder Luigi Rossi.

    Georg Nigl hat zwar einen Schwerpunkt auch auf der Alten Musik, ist aber vor allem auch in der Neuen Musik zu Hause. Er wirkte schon als Knabensopran-Solist bei den Wiener Sängerknaben und tritt heute als Bariton auf den wichtigsten internationalen Opernbühnen auf. Seine helle aber warm timbrierte Stimme besitzt eine beeindruckende Wendigkeit, bei der schnelle Registerwechsel überhaupt kein Problem darzustellen scheinen. Zu Nigls erklärten Lieblings-Partien zählen Monteverdis Orfeo, Mozarts Papageno und Bergs Wozzeck. Aus dieser überaus empfehlenswerten Aufnahme hören Sie ihn hier mit einem Ausschnitt aus der Oper "The Prophetess or the History of Dioclesian" .

    " Henry Purcell
    aus: The Prophetess or the History of Dioclesian
    Z.630 Semi-Opera
    Let us dance
    Georg Nigl, Bariton
    Luca Pianca, Laute
    Vittorio Ghielmi, Viola da gamba "

    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute drei Produktionen in Belgien beheimateter Labels vor, englische Tanz- und Consortmusik des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts mit den Ensembles La Caccia und Les Witches sowie zuletzt eine Aufnahme mit dem Bariton Georg Nigl sowie dem Lautenisten Luca Pianca und dem GambistenVittorio Ghielmi. Diese CD trägt den Titel "Dalla guerra amorosa" nach Georg Friedrich Händels gleichnamiger Kantate Werkverzeichnis 102.

    " Georg Friedrich Händel
    aus: Cantata HWV 102
    Dalla guerra amorosa
    Georg Nigl, Bariton
    Luca Pianca, Laute
    Vittorio Ghielmi, Viola da gamba "


    Diskographie:

    - The Walsingham Consort Books
    La Caccia
    Patrick Denecker
    Susan Hamilton
    Ricercar LC-08851RIC 275

    - Nobody's Jig
    Mr.Playford's English Dancing Master
    Les Witches
    Alpha 502 (Reihe:Les chants de la terre)

    - Guerra amorosa
    Georg Nigl
    Luca Pianca
    Vittorio Ghielmi
    LC-10925 Passacaille/musica vera 946