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Das deutsche Verhältnis zum Krieg

Die Theaterstücke von Lothar Kittstein zeigen das Heute, erzählen eindringliche Geschichten – und das sehr erfolgreich. In "Haus des Friedens" geht es um drei Soldaten, die im Gebirge festsitzen. Am Mittwoch war Premiere in Bonn.

Von Christiane Enkeler | 25.02.2010
    Ein Soldat, eine Soldatin und ihr Vorgesetzter – Lorenz, Marie und Jost – beziehen Quartier in einer verfallenen Impfstation im Gebirge, man denkt schnell an den Hindukusch, aber Land und Ort bleiben anonym. Um die Station herum herrschen Wüste, Stille und Leere.
    Das Land ist faszinierend, aber auch überwältigend und fremd.

    "Es ist so riesig. So kahl. Feindselig, es ist ...

    Atemberaubend?

    Ja.

    Atemberaubend zurückgeblieben.

    Es ist extrem. Das mag ich.

    Tja, viel weiter raus kommst du auf dieser Welt nicht. Willkommen im Krieg.

    Danke.

    Oder so ähnlich. Wie man's nimmt."

    Der Autor Lothar Kittstein hatte für sein Drei-Personen-Auftragswerk für die kleine Werkstatt-Bühne in Bonn keine thematische Vorgabe. Indem er Soldaten im Einsatz auf die Bühne bringt, sucht er sich ein zurzeit im Theater kaum begangenes Terrain aus. Er bleibt beim unspektakulären Kammerspiel und erhebt auf eine geschickte Art nicht den Anspruch, alles erklären zu wollen, ganz im Gegenteil. Die Dramatik spielt sich im Kleinen ab und auch im Alltäglichen – ein roter Faden ist Lorenz' Annäherung an Marie. Kittstein legt Versuche von Legitimieren-, Erklären- und Verstehen-Wollen in seine Figuren und kann sie daher wieder in Frage stellen.

    Lorenz, Marie und ihr Vorgesetzter Jost wirken einfach gestrickt in ihren Versuchen, mit einer Fremdheit umzugehen, die sich uns trotz aller Versuche des Verstehens und der Einflussnahme entzieht. Die Bilder hinter ihren einfachen Worten können aber erschreckend sein – ein Soldat auf dem Weg zur Bombe als Zombie, halb tot, halb lebendig, wie Schrödingers Katze in der ungeöffneten Box.

    Jost, der alte Hase, spricht über die mangelhafte Ausrüstung, das alte Funkgerät, das MG und die Handfeuerwaffen, für ihn, wie er sagt, "ziemlich witzlos, wenn uns die falschen Leute finden", und zeigt sich frustriert, im Einsatzland wenig bewirken zu können, nicht gewollt zu sein. Lorenz beklagt die fehlende Akzeptanz zuhause, zögert die Reparatur des Wagens heraus, weil er sich an die Kollegin in Ruhe heranmachen möchte.

    Trotz der Aktualität der Themen erleben wir Individuen und keine Thesenträger, mit viel Liebe und Wärme gestaltet.

    Dennoch verweigert uns Kittstein die Identifikation mit ihnen. Der ansonsten durch und durch sympathische Lorenz hat Probleme damit, seine weiße Haut mit dunklerer zu vermischen. Der mit Schuld beladene Jost sucht sein Heil im Rausch, nicht ungefährlich. Die fest im christlichen Glauben verankerte Marie, die viel Ruhe und Vertrauen vermitteln kann, bleibt eingeschränkt in ihrer Weltsicht gerade in dem Moment, in dem sie sagt, sie wolle immer einen freien Blick haben. Am Ende hätte sie Jost allein zurückgelassen. Über ihrer Nächstenliebe scheint die Unbedingtheit einer Überzeugung zu stehen ...

    "Guck dir die Scheißfrauen an. Die scheißverschleierten Frauen, guck sie dir an!

    Das ändern wir.

    Die wollen doch nicht! Die wollen das nicht!

    Wir ändern es.

    Die wollen das so!

    Wir ändern es.

    Tun wir doch nicht! Wir tun's nicht!

    Wir ändern es. Wir werden es ändern. Wir müssen."

    Das Drama präsentiert sich als ein Ausschnitt von Welt überhaupt, es endet mit dem Wort "Pause". Es hat was von einem Well-made-Play in der Dialogführung, die immer wieder wirklich viele nette Pointen setzt.
    Stefan Heiseke inszeniert den Text ruhig und langsam in dauerndem Zwielicht über rund eineinhalb Stunden hinweg, ganz schön anstrengend für die Augen. Ein bedrohliches Außen versucht er durch Aufnahmen von patrouillerenden, robbenden, bauenden Soldaten zu ergänzen und durch einen entsprechenden Ton. Leider wirkt das genau so aufgesetzt, wie es klingt.

    Die Schauspieler – Konstantin Lindhorst, Maria Munkert und Bernd Braun – spielen ihre Figuren liebevoll, könnten nur öfter mal die Hände aus den Taschen nehmen. Ein bisschen mehr Tempo über den Abend hinweg täte auch nicht schlecht.

    "Haus des Friedens" ist ein friedliches Stück über Soldaten im Einsatz, das große Themen geschickt ausschnitthaft behandelt. Zwangsläufig muss es wirken wie eine an allen Ecken zu kurze Decke, überall zieht's noch rein.

    Zum Einkuscheln wäre es aber auch noch zu früh.