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Das Digitale Logbuch: Churchills Telefonnummer

Telefonbücher haben normalerweise keine gute Presse. Sie sind schwer, nehmen Platz weg und gelten als Maßstab für literarische Langeweile. Dabei kann die Telefonbuch-Lektüre äußerst spannend sein – haben sich die Archivare bei British Telecom gedacht.

Von Tobias Armbrüster |
    Das Unternehmen stellt jetzt die ersten britischen Telefonbücher ins Internet, von 1880 bis 1950. Bei der Lektüre fällt sofort auf, wie leicht es damals war, bei berühmten Leuten anzurufen, das einzige was man brauchte, war ein bisschen Mut - die Nummer stand im Telefonbuch. Alfred Hitchcock zum Beispiel war bis in die 30er Jahre zu erreichen über die Nummer 1339, und wer mit Winston Churchill über Außenpolitik plaudern wollte, konnte ihn zuhause anrufen unter 1003. Der Zauberer Harry Houdini war mit der Berufsbezeichnung Handschellen-König im öffentlichen Telefonbuch vermerkt und Buckingham Palace hatte schon vor 100 Jahren gleich vier verschiedene Nummern. Sigmund Freud, Virginia Woolf und James-Bond-Erfinder Ian Fleming standen damals alle mit Namen und Adresse im Telefonbuch – tatsächlich waren solche Einträge bis in die 50er Jahre ein Status-Symbol. Wer dazu gehören wollte, der musste mit einer Nummer im Telefonbuch vertreten sein.

    Auch das erste Berliner Telefonbuch aus dem Jahr 1881 gibt es seit einiger Zeit wieder zu kaufen, es ist 27 Seiten lang. Prominenz, so wie in Großbritannien, sucht man darin vergebens, dafür wird den Benutzern schon auf Seite 1 mitgeteilt, dass Gespräche nur zwischen 8 Uhr morgens und 9 Uhr abends möglich sind, danach macht die Fernsprech-Vermittelungsanlage nämlich Feierabend. Außerdem soll man sich bitte – im Interesse aller Telefonbesitzer - kurz halten, weil jede Leitung immer nur von einem Anrufer benutzt werden kann. 108 Teilnehmer waren in diesem ersten deutschen Telefonbuch vertreten - und weil die Deutschen damals noch alles gründlich gemacht haben, waren die Einträge darin nicht nur nach Namen sortiert, also von A bis Z, sondern auch alpha-numerisch - also von der Telefon-Nummer 1 bis zur Telefon-Nummer 108. Über die Nummer 1 konnte man übrigens eine Telefonzelle in der Berliner Börse erreichen. Heutige Telefonbücher können mit solchen skurrilen Einträgen leider nicht mehr aufwarten. Wahrscheinlich kommen sie deshalb in den nächsten Jahrzehnten genauso aus der Mode wie Telefonzellen und einstellige Telefon-Nummern.