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Das Digitale Logbuch: Kleinbloggersdorf

In Berlin ging Freitag die re:publica zu Ende – das wohl größte Treffen von Bloggern in Deutschland. Ja, genau, jener vielleicht schon etwas in Vergessenheit geratenen Spezies, die öffentlich eine Art Internet-Notizbuch oder Journal führt.

Von Marcus Schuler | 05.04.2008
    Während man noch vor zwei, drei Jahren die Blogger und ihre Blogs in Deutschland als neue Gegenöffentlichkeit zum klassischen Journalismus zelebrierte, hat sich der Hype um die neue digitale Elite – so sehen sich Deutschlands Blogger gerne, sie sind es aber wohl nicht – längst wieder gelegt. In den USA haben sich Blogs etabliert. In Deutschland nicht. Man fragt sich, woran das liegen mag? Vielleicht weil der gemeine Blogger allzu gerne über sich selbst spricht – eine Art selbst referentielles Perpetuum-Mobile?

    Die klassischen Medien beäugt der Blogger mit kritischer Distanz. Sie sind Konkurrenz und dann doch wieder nicht. Man weiß vieles besser. Insgeheim beneidet man aber die Journalisten um ihre publizistische Macht. Gerne kritisiert man die etablierten Medien, weil sie sich das Deckmäntelchen des Web Zwei Null umhängen, obwohl sie sich nach wie vor sehr eins-nullig gerieren. Gehör in der Öffentlichkeit findet der Blogger weniger; frei nach dem Long Tail Prinzip von Herrn Anderson – von Ausnahmen natürlich abgesehen. Die Bilder vom Berliner Bloggertreffen waren symptomatisch: Vorne auf der Bühne ein Vortrag, im Publikum - meist Blogger -, das Notebook auf dem Schoß, tippen, aufblicken, dem Vortrag folgen, wieder tippen, twittern, simsen, mailen.... Über alles wird geschrieben, Verzeihung: gebloggt, es wird kommentiert, fotografiert, gestreamt und gefilmt. Hyperaktivität wo keine nötig wäre.

    Dass das Phänomen Blogger und Blogs so spurlos an der deutschen Netzwelt vorbeigerauscht ist, liegt an der Abgeschlossenheit der so genannten Blogosphäre. Um dort akzeptiert zu werden, muss man lange gegen den öffentlichen Medien-Mainstream anschwimmen. Vor allem: Man muss um sich selbst kreisen und alle anderen, die auch um sich selbst kreisen, fortwährend referenzieren. Natürlich muss ein Blogger auch austeilen können. Er muss andere auf Fehler und Ungereimtheiten in deren Blogs hinweisen, kommentieren und belehren und wieder darüber im eigenen Blog schreiben. Die erfolgreichsten deutschen Blogger bilden – von außen gesehen – eine Art Zirkel, eine Gemeinschaft, die sie natürlich nicht sind. Aber von außen hat es den Anschein. Und weil sich die deutschen Blogger lieber mit sich selbst beschäftigen, ist es für Außenstehende so schwer, diese vielleicht typisch deutsche Blogosphäre zu begreifen und zu ihr vorzudringen. Übrigens auch eine Begriff, der nicht wirklich treffend ist. Denn treffender wäre für die Gesamtheit der deutschen Blogs eher die Bezeichnung Kleinbloggersdorf.