Freitag, 03. Mai 2024

Archiv

Das Digitale Logbuch
Schnaps-Schuss

Der Dicke macht sich Sorgen. Der Bahnhof Südkreuz in Berlin ist jetzt kameraüberwacht. Knacki kann das nicht erschüttern. Er kennt Überwachung schon lange - sogar aus seiner Stammkneipe. Eine Glosse von Wolfgang Noelke.

Von Wolfgang Noelke | 05.08.2017
    Bodenaufkleber weisen am 01.08.2017 im Bahnhof Südkreuz in Berlin auf Erkennungsbereiche zur Gesichtserkennung hin.
    Start des Pilotprojekts Gesichtserkennung (dpa-Bildfunk / Jörg Carstensen)
    Es klingelt beim Dicken.
    Knacki: Na, Dicker, biste noch dick oder schon dünner?
    Dicker: Warum dünner? Hörste das? Bin stolz auf meinen Mollenfriedhof.
    Knacki: Das musste jetzt aber erklären, sonst versteh'n se das nicht, südlich vom Südkreuz und denken an Molotow – und an den Cocktail... Und wenn du Pech hast und in Bayern bist...
    Dicker: In Bayern? Wenn Maizières Abhörheinis nicht mal wissen, dass 'ne Molle "a Maß" is, "a Humpen", ein Bier – weiß nicht. Was soll das überhaupt, deine blöde Bemerkung, ob ich schon dünner bin?
    Knacki: Weil du jetzt mehr laufen wirst. Weil du bestimmt nicht mehr aussteigst, am Südkreuz.
    Dicker: Warum soll ich da nicht mehr aussteigen?
    Knacki: Ich dachte, wegen der Gewichtserkennung?
    Dicker: Werd' nicht frech, Knacki! Nichts über mein Gewicht!
    Knacki: Stimmt! Viel mehr geht auch nicht mehr.
    Dicker: Und du? Du dürres Klappergestell. Machst du jetzt auf Umgehungsstrategie? Läufst du jetzt rum, um den Bahnhof? Nur wegen der paar Kameras?
    Knacki: Auf Fotos seh' ich nie gut aus.
    Dicker: Erstens gibt's jetzt ne App, die verschönert selbst dich und zweitens löschen die alle Fotos von denen, die nicht gefilmt werden wollen.
    Knacki: Das glaubst aber auch nur du. Mit deinem Bauch erkenn' se dich auch ohne Software.
    Dicker: Da gibt's doch auch 'ne Datenschutz-Tür, wenn du nicht gefilmt werden willst.
    Knacki: Und da soll ich durchgehen? Bin doch nicht bekloppt. Die macht mich doch erst recht verdächtig. Mindestens so verdächtig, wie jemand, der mit ausgeschaltetem Handy an 'ner normalen Kamera vorbei schlurft. "Was? Der hat sein Handy ausgeschaltet? Verdächtig! Verdächtig!" - "Ey guck mal, gefilmt werden will er auch nicht – das ist sicher 'n Gefährder."
    Dicker: Und was machste?
    Knacki: Wenn du da wirklich da durch musst, nimm die Überwachungs-Tür und mach ein ganz blödes Gesicht. Schon biste unverdächtig.
    Dicker: Dir fällt das bestimmt leicht.
    Knacki: Dicker! Ich warne dich! Ich musste jeden Abend üben.
    Dicker: Vor'm Spiegel oder vor der Kamera?
    Knacki: Nee, in meiner Stammkneipe. Da gibt's jetzt auch Gesichtserkennung. Die Kamera weiß immer, wer wie viel trinkt, wann nachgeschüttet werden muss und wann genug ist.
    Dicker: Und wann ist genug?
    Knacki: Wenn du besonders blöd aussiehst, so nach 15 Schnäpsen.
    Dicker: Und dafür musste dich erst besaufen?
    Knacki: Nö. Klappt auch nüchtern. Genau bei "nichts zu befürchten".
    Dicker: Bei was?
    Knacki: Bei allen. Stell dich mal vor'n Spiegel, guck dir in die Augen und sag den Zauberspruch: "Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten." Genau an dieser Stelle...