"Dass jetzt Leute aus der ganzen Welt hierher kommen, ist das Beste, was den Eisbären passieren konnte. So wurden sie zu einem Wirtschaftsfaktor und werden nun geschützt. Früher wurden sie einfach abgeknallt. Und das nur, weil sie ihrem Instinkt folgen und ihre seit Jahrhunderten genutzten Weg nach Norden nehmen. Nicht die Bären, sind den Menschen in die Quere gekommen. Wir haben ihnen eine Stadt in den Weg gebaut."
Meeresströmungen und das aus dem Churchill-River einfließende Süßwasser lassen die Hudson Bay hier früher zufrieren als anderswo. Deshalb warten Hunderte Eisbären zum Winteranfang genau hier in Churchill darauf, dass sich die Eisdecke schließt und ihnen den Weg zur Robbenjagd freimacht. "Welthauptstadt der Eisbären" nennt sich Churchill deshalb. Bevor wir uns auf die Spur der Bären machen, drehen wir erstmal eine Runde durch das Städtchen - trotz des immer heftiger werden Schneesturms und Minus 15 Grad:
Vorbei an der kleinen Kirche, dem Inuit-Museum und der großen Sport-Halle führen uns Ranger Sheldon und Eisbären-Expertin Tara zu einem riesigen Inukschuk am Strand:
"Diese aus aufeinandergestapelten Steinen erbauten Inukschuks - die wie Menschen mit ausgebreiteten Armen aussehen - haben für die Inuit viele verschiedene Bedeutungen. Sie sind nicht nur Wegweiser - sie haben auch einen spirituellen Wert. Für die Inuits sind sie sehr wichtig - deshalb wurden sie auch als Logo für die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver ausgewählt."
Die Inukschuks mögen den Inuits wichtig sein, in Churchill aber haben die Eisbären den steinernen Wegweisern längst den Rang als Wahrzeichen Nummer eins abgelaufen. Als sich am nächsten Morgen der Sturm gelegt hat - brechen wir endlich mit den sogenannten Tundra Buggys zur ersten Eisbären-Tour auf.
Gemächlich setzt sich das Allradfahrzeug in Bewegung. Die Plattform hinten ist fast drei Meter hoch - genug, um vor den Riesen der Arktis sicher zu sein. Bis zu 2,60 Meter können die 600 Kilo-Kolosse groß sein, wenn sie sie sich auf die Hinterpfoten stellen. Gerade haben wir uns an das wackelige Gefährt gewöhnt, das sehen wir auch schon den ersten Bären an der Küste. Wegen der Erderwärmung friert das Wasser immer später zu und taut immer früher auf - jede Woche weniger Eis kostet die Bären zehn Pfund Gewicht. Sie werden schwach und krank, ältere Tiere verhungern. So werden es immer weniger. Wir aber haben Glück - Biologin Tara hat schon wieder einen entdeckt:
"Schaut mal nach links - dort ist einer hinter dem anderen Buggy. - Wow, was für ein Glück - das ist eine Mutter mit zwei Jungen. So was sehen wir auch nicht oft."
Gelassen kommt die ausgehungerte Bärin ganz nah heran. Wir müssen ihr in dem Riesenbus wie Essen auf Rädern vorkommen. Die beiden Kleinen trotten hinter ihr her - ein Fest für die Fotografen:
Mehr als zehn Bären kann man an einem Tag sehen. Noch. Denn Klimawandel und die Eisbärenjagd bedrohen die Spezies, sagt der Präsident von Polar Bears International, Robert Buchanan:
"Ich stehe hier an der Westküste der Hudson Bay und wir sehen hier Jahr für Jahre weniger Eisbären. Wenn wir die Erderwärmung nicht stoppen, werden das Eis und mit ihm die Bären verschwinden. Unsere Kinder werden hier keine Eisbären mehr erleben können. Jeder von uns kann etwas tun, damit diese fantastischen Tiere nicht aussterben. Bitte engagiert euch! "
Dass auch der Eisbärentourismus CO2-Ausstoß verursacht, ist Buchanan durchaus bewusst. Aber er hofft, dass die Leute nach der Begegnung mit den Königen der Arktis ihr Verhalten ändern. In Churchill werden die Tiere mittlerweile geschützt - obwohl sie auch eine Gefahr sind. "Schaut links und rechts nach Autos, bevor ihr über die Straße lauft", warnt man hierzulande die Kinder. In Churchill hören die Kleinen, wenn sie das Haus verlassen: "Erstmal rausschauen, ob ein Eisbär vor der Tür steht!" Was lustig klingt, ist tödlicher ernst, bestätigt Andrew Szklaruk von der Bären-Patrouille.
"Erstmal schauen, bevor man ein Haus verlässt. Das schadet wirklich nicht. Wir können ja nicht überall sein. Wir kontrollieren tagsüber in und rund um den Ort, aber die Leute müssen auch selbst aufpassen. Weiter draußen haben wir Warnschilder mit der Aufschrift 'Achtung Eisbären!' aufgestellt. Wer diese Grenzen überschreitet und beispielsweise in den Dünen an der Küste entlang läuft, begibt sich in Lebensgefahr. Solche Gegenden sollte man meiden."
Im vergangenen Herbst haben Andrew und seine Leute 247 Eisbären im Ort oder in gefährlicher Nähe der Hafenstadt angetroffen. Einige gingen in die rings um den Ort aufgestellten Bären-Fallen, in denen die Tiere festgehalten werden können, ohne sie zu verletzen, andere strichen einfach umher. Meist reichen dann Warnschüsse, Feuerwerkskörper oder die Sirene der Bear Patrol, um die lärmempfindlichen Tiere zu verjagen.
Wer so nicht zum Rückzug zu bewegen ist, wird mit Betäubungsmunition außer Gefecht gesetzt und in einem ehemaligen Militär-Hangar eingesperrt, erzählt Ranger Sheldon:
"Wir nennen dies unser Eisbären-Gefängnis. Darin werden die Bären in Einzelzellen gehalten, damit sie sich nicht gegenseitig auffressen. Dieses Eisbären-Gefängnis ist ein ganz wichtiger Teil unseres Programms."
Nach kurzer Haft werden die Bären unversehrt mit einem Hubschrauber ausgeflogen. Dank der Bären-Patrouille hat es seit 25 Jahren keinen tödlichen Zwischenfall mehr in Churchill gegeben. Tagsüber ist die Stadt sicher - eine Kneipentour spät nachts wird allerdings zum Nervenkitzel - genauso wie Halloween - erzählt Ranger Sheldon:
"Oh ja, das ist heikel, wenn die Kinder im Dunkeln von Haus zu Haus ziehen. Wir patrouillieren dann in Sonderschichten. Außerdem stellen wir an kritischen Stellen auch Scheinwerfer auf. Und eins wir den Kindern natürlich eingebläut: Hier verkleidet sich zu Halloween niemand als Eisbär!"
Bei solchen Scherzen verstehen Andrew und seine Leute von der Bären-Patrouille gar keinen Spaß. Auch nicht bei unbedachten Aktionen von Ortsunkundigen. Noch heute erzählen die Männer von der Bären-Patrouille die Geschichte von einer Flugzeugcrew aus Montreal, die sich ihre Wartezeit am Flughafen mit einem Jeep-Ausflug zu den Eisbären vertreiben wollte. Als sie sich in der Tundra festgefahren hatte, ließen die beiden Piloten die Stewardessen im Auto zurück und liefen zu Fuß zurück Richtung Churchill, um Hilfe zu holen. Handy-Empfang gibt es hier oben nämlich keinen. Dass die unbewaffneten Piloten ihren Spaziergang durch das Eisbären-Gebiet überlebten, grenzt an ein Wunder. Damals waren Andrew und seine Leute natürlich schockiert. Heute lachen sie über die unvernünftigen Flieger. Die meisten aber hören auf die Warnungen der Bear Patrol. Die ist stolz darauf, dass alle Begegnungen von Mensch und Bär in den letzten Jahren in Churchill glimpflich ausgingen, und zwar für beide Seiten. Andrew und Ranger Sheldon sehen sich nämlich nicht nur als Beschützer der Menschen in Churchill - sie wollen auch die Eisbären retten.
Meeresströmungen und das aus dem Churchill-River einfließende Süßwasser lassen die Hudson Bay hier früher zufrieren als anderswo. Deshalb warten Hunderte Eisbären zum Winteranfang genau hier in Churchill darauf, dass sich die Eisdecke schließt und ihnen den Weg zur Robbenjagd freimacht. "Welthauptstadt der Eisbären" nennt sich Churchill deshalb. Bevor wir uns auf die Spur der Bären machen, drehen wir erstmal eine Runde durch das Städtchen - trotz des immer heftiger werden Schneesturms und Minus 15 Grad:
Vorbei an der kleinen Kirche, dem Inuit-Museum und der großen Sport-Halle führen uns Ranger Sheldon und Eisbären-Expertin Tara zu einem riesigen Inukschuk am Strand:
"Diese aus aufeinandergestapelten Steinen erbauten Inukschuks - die wie Menschen mit ausgebreiteten Armen aussehen - haben für die Inuit viele verschiedene Bedeutungen. Sie sind nicht nur Wegweiser - sie haben auch einen spirituellen Wert. Für die Inuits sind sie sehr wichtig - deshalb wurden sie auch als Logo für die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver ausgewählt."
Die Inukschuks mögen den Inuits wichtig sein, in Churchill aber haben die Eisbären den steinernen Wegweisern längst den Rang als Wahrzeichen Nummer eins abgelaufen. Als sich am nächsten Morgen der Sturm gelegt hat - brechen wir endlich mit den sogenannten Tundra Buggys zur ersten Eisbären-Tour auf.
Gemächlich setzt sich das Allradfahrzeug in Bewegung. Die Plattform hinten ist fast drei Meter hoch - genug, um vor den Riesen der Arktis sicher zu sein. Bis zu 2,60 Meter können die 600 Kilo-Kolosse groß sein, wenn sie sie sich auf die Hinterpfoten stellen. Gerade haben wir uns an das wackelige Gefährt gewöhnt, das sehen wir auch schon den ersten Bären an der Küste. Wegen der Erderwärmung friert das Wasser immer später zu und taut immer früher auf - jede Woche weniger Eis kostet die Bären zehn Pfund Gewicht. Sie werden schwach und krank, ältere Tiere verhungern. So werden es immer weniger. Wir aber haben Glück - Biologin Tara hat schon wieder einen entdeckt:
"Schaut mal nach links - dort ist einer hinter dem anderen Buggy. - Wow, was für ein Glück - das ist eine Mutter mit zwei Jungen. So was sehen wir auch nicht oft."
Gelassen kommt die ausgehungerte Bärin ganz nah heran. Wir müssen ihr in dem Riesenbus wie Essen auf Rädern vorkommen. Die beiden Kleinen trotten hinter ihr her - ein Fest für die Fotografen:
Mehr als zehn Bären kann man an einem Tag sehen. Noch. Denn Klimawandel und die Eisbärenjagd bedrohen die Spezies, sagt der Präsident von Polar Bears International, Robert Buchanan:
"Ich stehe hier an der Westküste der Hudson Bay und wir sehen hier Jahr für Jahre weniger Eisbären. Wenn wir die Erderwärmung nicht stoppen, werden das Eis und mit ihm die Bären verschwinden. Unsere Kinder werden hier keine Eisbären mehr erleben können. Jeder von uns kann etwas tun, damit diese fantastischen Tiere nicht aussterben. Bitte engagiert euch! "
Dass auch der Eisbärentourismus CO2-Ausstoß verursacht, ist Buchanan durchaus bewusst. Aber er hofft, dass die Leute nach der Begegnung mit den Königen der Arktis ihr Verhalten ändern. In Churchill werden die Tiere mittlerweile geschützt - obwohl sie auch eine Gefahr sind. "Schaut links und rechts nach Autos, bevor ihr über die Straße lauft", warnt man hierzulande die Kinder. In Churchill hören die Kleinen, wenn sie das Haus verlassen: "Erstmal rausschauen, ob ein Eisbär vor der Tür steht!" Was lustig klingt, ist tödlicher ernst, bestätigt Andrew Szklaruk von der Bären-Patrouille.
"Erstmal schauen, bevor man ein Haus verlässt. Das schadet wirklich nicht. Wir können ja nicht überall sein. Wir kontrollieren tagsüber in und rund um den Ort, aber die Leute müssen auch selbst aufpassen. Weiter draußen haben wir Warnschilder mit der Aufschrift 'Achtung Eisbären!' aufgestellt. Wer diese Grenzen überschreitet und beispielsweise in den Dünen an der Küste entlang läuft, begibt sich in Lebensgefahr. Solche Gegenden sollte man meiden."
Im vergangenen Herbst haben Andrew und seine Leute 247 Eisbären im Ort oder in gefährlicher Nähe der Hafenstadt angetroffen. Einige gingen in die rings um den Ort aufgestellten Bären-Fallen, in denen die Tiere festgehalten werden können, ohne sie zu verletzen, andere strichen einfach umher. Meist reichen dann Warnschüsse, Feuerwerkskörper oder die Sirene der Bear Patrol, um die lärmempfindlichen Tiere zu verjagen.
Wer so nicht zum Rückzug zu bewegen ist, wird mit Betäubungsmunition außer Gefecht gesetzt und in einem ehemaligen Militär-Hangar eingesperrt, erzählt Ranger Sheldon:
"Wir nennen dies unser Eisbären-Gefängnis. Darin werden die Bären in Einzelzellen gehalten, damit sie sich nicht gegenseitig auffressen. Dieses Eisbären-Gefängnis ist ein ganz wichtiger Teil unseres Programms."
Nach kurzer Haft werden die Bären unversehrt mit einem Hubschrauber ausgeflogen. Dank der Bären-Patrouille hat es seit 25 Jahren keinen tödlichen Zwischenfall mehr in Churchill gegeben. Tagsüber ist die Stadt sicher - eine Kneipentour spät nachts wird allerdings zum Nervenkitzel - genauso wie Halloween - erzählt Ranger Sheldon:
"Oh ja, das ist heikel, wenn die Kinder im Dunkeln von Haus zu Haus ziehen. Wir patrouillieren dann in Sonderschichten. Außerdem stellen wir an kritischen Stellen auch Scheinwerfer auf. Und eins wir den Kindern natürlich eingebläut: Hier verkleidet sich zu Halloween niemand als Eisbär!"
Bei solchen Scherzen verstehen Andrew und seine Leute von der Bären-Patrouille gar keinen Spaß. Auch nicht bei unbedachten Aktionen von Ortsunkundigen. Noch heute erzählen die Männer von der Bären-Patrouille die Geschichte von einer Flugzeugcrew aus Montreal, die sich ihre Wartezeit am Flughafen mit einem Jeep-Ausflug zu den Eisbären vertreiben wollte. Als sie sich in der Tundra festgefahren hatte, ließen die beiden Piloten die Stewardessen im Auto zurück und liefen zu Fuß zurück Richtung Churchill, um Hilfe zu holen. Handy-Empfang gibt es hier oben nämlich keinen. Dass die unbewaffneten Piloten ihren Spaziergang durch das Eisbären-Gebiet überlebten, grenzt an ein Wunder. Damals waren Andrew und seine Leute natürlich schockiert. Heute lachen sie über die unvernünftigen Flieger. Die meisten aber hören auf die Warnungen der Bear Patrol. Die ist stolz darauf, dass alle Begegnungen von Mensch und Bär in den letzten Jahren in Churchill glimpflich ausgingen, und zwar für beide Seiten. Andrew und Ranger Sheldon sehen sich nämlich nicht nur als Beschützer der Menschen in Churchill - sie wollen auch die Eisbären retten.
