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Das Geld der Anderen

Auf ihrem Gipfel Ende letzter Woche haben die europäischen Staats- und Regierungschefs beschlossen, mehr als 500 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Rezession aufzubringen. Doch ob die milliardenschweren Konjunkturpakete das Vertrauen der Bürger von Avignon bis Athen stärkt, zum Beispiel in die Zukunft ihrer Arbeitsplätze, darüber hat Petros Markaris, Autor in Athen und in vielen europäischen Ländern zu Hause, in der Europa-Kolumne nachgedacht.

Von Petros Markaris | 23.03.2009
    Ich bin kein Wirtschaftsexperte. Ich habe meine Laufbahn als Bühnenautor begonnen und habe als Brecht-Übersetzer in Griechenland Karriere gemacht. Folglich versuche ich mir die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise mit einem Zitat, aus Brechts "Dreigroschenoper" zu erklären: "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?"

    Wenn ich heute die Regierungen sehe, wie sie mit dem Geld herumwerfen, um die Krise zu meistern, dann erinnere ich mich an den Film "Other People's Money", "Das Geld der Anderen", von Norman Jewison. Der Film ist zwar eine romantische Komödie, aber der heutigen Realität trotzdem sehr nahe, bis auf die Protagonisten: Im Film aus dem Jahr 1991 ist es Danny de Vito, 2009 sind es die Regierungen der EU und der USA. Ich kann den Eindruck nicht loswerden, dass die Regierungen mit dem Geld der Anderen blind herumwerfen, meist um bei den Bürgern die Illusion zu erwecken, dass sie mit klarem Kopf und sicherer Hand das Richtige tun.

    Dabei übersieht man oft den fast zynischen Aufruf an die Bürger: "Wenn Ihr eure Arbeitsplätze unterhalb der Chefetagen bewahren wollt, dann müsst Ihr dafür mit euren schönen Steuergeldern eure Arbeitgeber auch noch finanziell unterstützen. Wenn Ihr aber trotzdem eure Jobs verliert, dann habt Ihr einfach Pech gehabt, wie voraussichtlich bei Opel."

    Der Präsident der USA und manche europäische Regierungschefs wundern sich, wie doch die Manager von Banken und Versicherungsgesellschaften ein so niedriges Verantwortungsgefühl haben können, dass sie die enormen Zuschüsse, die sie vom Staat als Rettungshilfe bekommen, als Prämien und Boni unter sich verteilen. Diese Empörung klingt fast wie die zweite Auferstehung.

    Seit den Zeiten von Ronald Reagan und Margaret Thatcher sind die Politiker freiwillig in die Rolle von Managern hineingeschlüpft, die sich die Finanzpolitik von großen Lobbyisten, Investementbankern, Börsen- und Finanzfirmen sich diktieren ließen. Und jetzt wundern sie sich, dass ihre jahrelangen Vorgesetzten, auf die Finanzkrise mit "business as usual" reagieren und sich weigern, von den Politikern in Rechenschaft gezogen zu werden.

    Im Grunde ist die Finanz- und Wirtschaftskrise leichter erklärbar, wenn man sie als einen Doping-Skandal versteht. So wie die Sportler mit Doping-Produkten ihre Leistungsfähigkeit künstlich steigern, so ähnlich wurde jahrelang mit finanziellen Doping-Mitteln die Zahlungsfähigkeit künstlich gesteigert, und dadurch auch der Umsatz und die Erträge. Und so ähnlich wie die Sportler am Ende ihrer Laufbahn ihre Gesundheit ruinieren und brachliegen, so haben auch die Finanzmärkte ihre Gesundheit ruiniert und liegen nun brach. Der einzige Unterschied liegt darin, dass den Produzenten von Doping-Mitteln der Prozess gemacht wird, während die Produzenten von finanziellen Doping-Mitteln mit Zuschüssen belohnt werden.