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Das Gespräch über das erste Mal

Mit dem Projekt "Mit Sicherheit verliebt" bieten 400 Medizinstudenten bundesweit ein Aufklärungsprojekt für Jugendliche an. Koordinator Sebastian Küchlin beschreibt, dass sie eher auf gleicher Augenhöhe mit den Schülern sprechen können - und dass die Fragen oft ganz einfach sind.

Sebastian Küchlin im Gespräch mit Markus Dichmann |
    Markus Dichmann: "Lieber Doktor Sommer, ich möchte bald zum ersten Mal mit meiner Freundin schlafen, aber meine Freundin hat mir gesagt, dass dabei das Jungfernhäutchen reißt. Nun habe ich Angst, dass meine Eltern durch den Knall wach werden und uns erwischen." Das ist eine der Sorgen, die das berühmt-berüchtigte Doktor-Sommer-Team über die Jahre zu hören bekommen hat. Und vielleicht mag man zunächst drüber schmunzeln, aber es macht eigentlich vor allem eines deutlich: Das erste Mal verliebt sein, das ist nicht unbedingt ein einfaches Thema. Es ist häufig begleitet von Ängsten, von Unsicherheiten und von vielen Fragen. "Mit Sicherheit verliebt" ist dementsprechend der Name eines Präventions- und Aufklärungsprojekts von 400 Medizinstudenten, die bundesweit agieren. Das Ziel ist eigentlich schnell umrissen: Die Studenten wollen an den Schulen im Unterricht über Themen wie Sexualität, Verhütung und Geschlechtskrankheiten informieren.

    - Einer der 400 und Koordinator des Projekts ist Sebastian Küchlin und jetzt bei uns im Gespräch. Hallo, Herr Küchlin!

    Sebastian Küchlin: Hallo!

    Dichmann: Sagen Sie, sind Lehrer und Eltern ungeeignete Ansprechpartner, was das Thema Sexualität angeht?

    Küchlin: Also, ungeeignet würde ich natürlich nicht sagen. Das ist natürlich immer gut, wenn die Jugendlichen auch mit ihren Eltern und den Lehrern darüber reden. Wir denken aber, dass wir als Studenten vielleicht eine gute Alternative wären. Und zwar, weil wir auf Augenhöhe mit den Jugendlichen reden können, ohne dass wir sozusagen so eine Generationenlücke haben im Verständnis.

    Dichmann: Sie sagen auf Augenhöhe, wie kommen Sie denn besser an die Schüler heran als ein Lehrer oder die Eltern, wie brechen Sie das Eis?

    Küchlin: Na ja, das fängt damit an, dass wir einfach eher die gleiche Sprache sprechen wie die Jugendlichen – einfach, weil wir vom Alter her näher dran sind, von der Lebenssituation näher dran sind. Und weil wir auch die Möglichkeit haben, anders mit dem umzugehen. Ein Lehrer muss natürlich immer so seine Rolle als Lehrer auch bewahren, auch wenn er in diesem Thema sich befindet. Und wir können eben als Außenstehende anders rangehen an die Jugendlichen, und lockerer mit ihnen reden.

    Dichmann: Jetzt sind Sie selber Medizinstudent, Herr Küchlin, also gar kein ausgebildeter Pädagoge, wie es ein Lehrer ist. Woher kommt denn dann der Wunsch und auch die Idee, ebenso pädagogisch zu arbeiten?

    Küchlin: Na ja, also ich denke, viele von den Beteiligten an dem Projekt wünschen sich halt einfach, dass es so was selber für sie damals gegeben hätte. So geht es mir eigentlich auch ein bisschen. Und als Medizinstudenten liegt uns natürlich auch am Herzen, Präventionsarbeit zu leisten und halt so Krankheiten zu verhindern, bevor sie entstehen können.

    Dichmann: An welche Klassen richten Sie sich denn genau? Kann man sagen, mit zehn oder elf Jahren ist es vielleicht noch zu früh, mit den Kindern drüber zu sprechen? Oder andersrum: mit 18 dann schon wiederum zu spät?

    Küchlin: Also, mit 18 würde man wahrscheinlich ein bisschen spät kommen. Wir richten uns meistens so an die sechste bis neunte Klasse. Und dementsprechend sind die Kinder so zehn bis elf bis fünfzehn, so um den Dreh rum.

    Dichmann: Und was sind dann in dieser Altersgruppe die Fragen, die die Kinder am meisten beschäftigen?

    Küchlin: Das kommt natürlich auch sehr auf das Alter an. Und um das richtig einschätzen zu können, haben wir auch so einen anonymen Fragebogen, den die Kinder im Voraus ausfüllen können, sodass wir unser Programm daran anpassen können. Was sie aber viel beschäftigt, ist einfach so eine Art Normalität zu finden, also irgendwie zu sehen, was ist denn überhaupt normal, was Sexualität angeht, was so simple Sachen wie ein erstes Date angeht, was macht man da so. Und sich dann selber irgendwie zu vergleichen mit dem, was als normal empfunden wird. Das ist ihnen immer sehr wichtig.

    Dichmann: Was sind dann so vielleicht die typischen Fragen, wie sie Ihnen gestellt werden?

    Küchlin: Ja, zum Beispiel so was ganz Einfaches wie: Wie alt sollte ich sein, wenn ich mein erstes Mal habe? Oder: Ist es schlimm, wenn man schwul ist? Oder: Wann sollte ich meinen ersten Kuss haben? Solche Sachen – ganz einfache Sachen eigentlich.

    Dichmann: Sagt Sebastian Küchlin, er ist Mitglied und Koordinator des Aufklärungsprojekts "Mit Sicherheit verliebt" und spricht mit Schülern bundesweit über ihre Ängste und Fragen beim Thema Sexualität. Danke, Herr Küchlin!

    Küchlin: Danke schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.