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Das Grollen im Berg der Götter

Vulkanologie. Der Fujiyama ist so etwas wie das nationale Heiligtum Japans. Der 3776 Meter hohe kegelförmige Vulkan mit der charakteristischen Schneekappe zieht jedes Jahr Tausende von Touristen an. Seit kurzem diskutieren japanische Forscher, was lange Zeit für undenkbar gehalten wurde: einen Ausbruch des Fujiyama. Die letzte Eruption liegt zwar schon fast 300 Jahre zurück, aber neuere Messungen haben den Verdacht genährt, dass der Berg vielleicht doch nicht so tot ist, wie es scheint. Jetzt wollen die Vulkanologen den Vorgängen tief im Innern des Fujiyama auf den Grund gehen.

    Von Sascha Ott

    Jeden Sommer bahnen sich Tausende Japaner ihren Weg durch das Lavageröll zur Spitze des Fujiyama. Die Wandersaison geht in diesen Tagen zu Ende. Und so werden nur noch wenige Touristen in den Hotels und Herbergen rund um den Fuji die Explosion wahrnehmen können, die den berühmten Berg heute Nacht erschüttert.

    Wir erzeugen eine Explosion um den Fujiyama, um die interne Struktur des Berges zu untersuchen. Wir hoffen, dass wir dabei die Magmakammer unter dem Berg lokalisieren können.

    Toshitsugu Fujii, der Direktor des Vulkanforschungszentrums der Universität Tokio, hat den Fujiyama über viele Jahre mit seinen Kollegen beobachtet. Seit dem Ausbruch von 1707 gilt das Nationalsymbol Japans als schlafender, für viele sogar als erloschener Vulkan.

    Viele in Japan glauben, es sei ein toter Vulkan. Aber in letzter Zeit hatten wir seismische Aktivitäten unter dem Fujiyama. Wir vermuten, sie wurden durch die Bewegung von Magma tief im Berg verursacht. Daher glauben wir, dass es ein sehr aktiver Vulkan ist, der in den kommenden Jahrzehnten durchaus ausbrechen könnte.

    In den vergangenen Jahrzehnten waren jeden Monat einige leichte Erdbeben mit niedriger Frequenz gemessen worden. Im Frühjahr 2001 allerdings stieg die Zahl dieser Beben auf mehr als 100 pro Monat. Diese niedrig-frequenten Beben gelten normalerweise als Vorboten eines bevorstehenden Ausbruchs. Daher wollen die Wissenschaftler jetzt überprüfen, wie groß die Gefahr eines Ausbruchs ist. Durch eine Reihe von Explosionen erzeugen sie künstlich ein leichtes Erdbeben. Mit mehr als 400 Seismometern rund um den Berg können sie die Ausbreitung der Erschütterungen im Innern des Vulkans verfolgen.

    Das Ziel ist, die Ursache für die Erdbeben unter dem Fujiyama zu klären. Werden sie wirklich durch die Bewegung von Magma hervorgerufen oder durch die Bewegung einer anderen Flüssigkeit, zum Beispiel von heißem Wasser.

    Die Sprengung heute Nacht ist Teil eines größeren Projekts, mit dem die vulkanische Aktivität des Fujiyama erforscht wird. Toshitsugu Fujii und sein Team sind auch dabei, vier Löcher in den Nordhang des Berges zu bohren, von denen das tiefste mehr als 650 Meter tief werden soll. In den Löchern wollen die Vulkanforscher mehrere Seismometer fest installieren, um abseits der Störungen an der Erdoberfläche die Bewegungen im Berg belauschen zu können. Außerdem werden die beim Bohren ans Tageslicht geförderten Gesteinsschichten genau untersucht, um mehr über den inneren Aufbau des Vulkans zu erfahren.

    Dieses Vorhaben stieß nicht überall auf ungeteilte Zustimmung: "Fuji-san", wie der Berg in Japan genannt wird, gehört zu den heiligen Bergen des Shintoismus, der neben dem Buddhismus wichtigsten Religion in Japan. Einen solchen Berg anzubohren, ist nicht ganz unproblematisch.

    Die Shintoisten mögen es nicht, wenn man dort Löcher bohrt. Sie lehnen es sogar ab, Gesteinsproben mitzunehmen. Aber beim Fujiyama ist es etwas anders. Der Gipfel ist heilig, aber der restliche Berg ist eigentlich kein heiliger Ort, das heißt, er gehört nicht zu einem Shinto-Schrein. Daher wurde uns schließlich erlaubt, die Löcher zu bohren.

    Vor diesem Hintergrund gewinnt auch das Rumoren im Innern des Fujiyama große Symbolik. Der Berg zürnt, so glauben manche, weil er von Tausenden Touristen längst in die größte Müllkippe Japans verwandelt wurde.