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"Das ist doch politischer Unsinn"

Nachdem der Dachverband der deutschen Burschenschaften von seinen Mitgliedern Ariernachweise verlangt hatte, haben ihm mehrere Dutzend Studentenverbindungen den Rücken gekehrt. Jetzt debattieren die Abwanderer in Bonn über die Gründung eines eigenen Verbandes. Einer von ihnen ist Peter Gelbach, der sagt: Wir sind "zukunftsorientiert."

Peter Gelbach im Gespräch mit Manfred Götzke | 15.03.2013
    Manfred Götzke: Der Dachverband der Burschenschaften, die Deutsche Burschenschaft, die hat in den letzten Jahren ziemlich deutlich gemacht, wes Geistes Kind sie ist: Da wurden Ariernachweise tatsächlich gefordert; der NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer, der wurde als Landesverräter bezeichnet. Vielen Verbindungen war all das dann doch zu weit rechts außen. Immer mehr Burschenschaften treten deshalb aus aus dem Dachverband. Etwa 30 dieser reformorientierteren Studentenverbindungen treffen sich an diesem Wochenende in Bonn zu einem Sondierungstreffen. Mitinitiator ist Peter Gelbach von der Bonner Burschenschaft Marchia. Herr Gelbach, der Dachverband Deutsche Burschenschaft, der steht für Deutschnationalismus, manche sagen, für Rechtsextremismus. Wofür stehen die Verbindungen, die sich ab heute in Bonn treffen?

    Peter Gelbach: Die Burschenschaften, die sich dieses Wochenende in Bonn treffen, jetzt vom 15. bis 17. März, stehen vorrangig erst mal für ihre burschenschaftliche Tradition, die sie in der Gründung der Urburschenschaft von 1815 sehen, und die sich halt in der Tradition des Hambacher Festes von 1832 und der Paulskirche von 1848 fortgesetzt hat. Und so sehe auch ich als Vertreter der Burschenschaft Marchia Bonn unsere Tradition. Und darum haben wir auch in den letzten Jahren, unser Bund und auch sicherlich die anderen Bünde, den Dachverband Deutsche Burschenschaft verlassen, nicht, um uns von der burschenschaftlichen Idee abzuwenden, sondern weil wir der Meinung sind, dass sich der Dachverband von der urburschenschaftlichen Idee abgewandt hat.

    Götzke: Inwiefern?

    Gelbach: Die Urburschenschaften waren in ihrer Gründung 1815 ja schon weit in ihrem damaligen Denken voraus und haben auch schon damals in ihren Forderungen nach dem ersten Burschentag Pressefreiheit, Redefreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und Ähnliches gefordert, haben vieles davon halt in die Verfassung der Paulskirche reingebracht. Und das ist einfach unsere Tradition, das Eingeständnis zu demokratischen Bürgerrechten, und wenn man das im Dachverband nicht mehr wiederfindet und politische Ideen mehr und mehr da Überhang gewinnen, dann man muss man sich halt die Frage stellen: Ist das noch unsere burschenschaftliche Heimat? Die Burschenschaft Marchia Bonn und auch andere Burschenschaften haben das dann beneint in den letzten Wochen, Monaten und Jahren, haben den Dachverband verlassen und finden sich halt jetzt wieder ein und sagen: Was machen wir gemeinsam jetzt für die Zukunft?

    Götzke: Was wollen Sie denn gemeinsam für die Zukunft machen?

    Gelbach: Unser vorrangiges Ziel ist erst mal, die Freiheit genießen, nicht mehr den Druck eines Dachverbandes über uns zu haben. Viele Burschenschaften suchen sich jetzt auch erst mal selbst. Die Burschenschaften, die sich dieses Wochenende jetzt in Bonn treffen, sind auch noch in dieser Selbstfindungsphase, dass sie suchen, wo sind wir, wo wollen wir hin, wo gehen die anderen hin? Man beschnuppert sich. Was machen die anderen, was wollen die anderen? Und dann sucht man vielleicht nach einem Grundkonsens, wo man sagt: Okay, in diesem Rahmen gehen wir erst mal den Weg gemeinsam weiter, und dann wird man sehen was sich daraus entwickelt.

    Götzke: Das ist noch relativ vage, aber vielleicht können wir es über die Abgrenzung besser hinkriegen: Was wollen Sie nicht? Dass der Dachverband Ariernachweise fordert und Ähnliches?

    Gelbach: Nein, also das wollen wir definitiv nicht, und mit solchen Personen möchten wir nichts zu tun haben. Wir sind da mehr zukunftsorientiert und sagen, das sind alte, verbrauchte Formen. Man muss gucken: Was beschäftigt uns, was beschäftigt die Gesellschaft, wo kann man sich als Bürger mit einbringen? Und das wollen wir halt unseren Bundesbrüdern und vor allen Dingen auch jungen Bundesbrüdern beibringen, sich halt für einen demokratischen Rechtsstaat einzusetzen und sich auch selbst darin einzubringen.

    Götzke: Jahrelang haben sich reformorientiertere Verbindungen eben nicht von den Rechten losgesagt im Dachverband DB, jetzt ist bei Ihrer Burschenschaft aber auch bei anderen einiges in Bewegung. Woran liegt das denn? Mitgliederschwund?

    Gelbach: Das ist erst einmal schwer, einen Dachverband zu verlassen, dem man schon so lange zugehörig war. Also die Burschenschaft Marchia Bonn war bei der Gründung 1902 die erste Vorsitzende, und das ist natürlich eine starke Wurzel, die einen festhält, und man sagt, ja, man kann es vielleicht noch mal schaffen, noch mal das umzudrehen, man hat es auch versucht und noch mal und noch mal. Es ist ein langwieriger Prozess, sich von so etwas Starkem – weil es heißt ja immer, die Deutsche Burschenschaft war der Dachverband der Burschenschaften – sich zu lösen. Und man braucht dann irgendwann diesen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, und das waren sicherlich die Burschentage 2011 und 2012, die den meisten Burschenschaften gezeigt haben: Das war der Tropfen, das Fass ist übergelaufen, wir verlassen diesen Dachverband.

    Götzke: Und da gibt es eben um diese Forderung nach Ariernachweisen und ähnlichen Dingen.

    Gelbach: Ja, so ähnlich. Also das ist … das gehört doch nicht mehr in unsere Gesellschaft, das ist doch politischer Unsinn.

    Götzke: Nun ist es ja tatsächlich so, dass die rechtsextremen Burschenschaften die öffentliche Meinung nach wie vor dominieren. Derzeit sorgt ein mehr oder weniger klandestines Treffen der burschenschaftlichen Gruppen, das ist eine rechtsextreme Gemeinschaft der Deutschen Burschenschaft, des Dachverbandes, die sorgen für Aufsehen in Erlangen. Müssten Sie da nicht mit einem Gegenverband klar Stellung beziehen und sagen: Damit wollen wir nichts zu tun haben?

    Gelbach: Die Burschenschaften, die jetzt in den letzten Jahren ausgetreten sind, haben sich von der DB distanziert, haben gesagt: Wir haben mit dem Dachverband gebrochen, mit dem haben wir nichts mehr zu tun. Das ist auch publiziert worden. Es ist natürlich schwer: Die Marke Burschenschaft kann man ja nicht ablegen, und man will sie auch beibehalten, weil man sich selber als Burschenschaftler fühlt, aufgrund der Geschichte und Tradition und sagt, die anderen nennen sich auch Burschenschaftler, dagegen können wir nichts machen. Und jetzt einen neuen Dachverband zu gründen – muss man aufpassen, man darf auch nicht gleich zu schnell handeln und dann vieles am Anfang kaputtmachen, sondern sagen, okay, man lässt sie weitermachen. Aber man sieht auch, dass die Öffentlichkeit da schon differenziert zwischen den Burschenschaften und den anderen Burschenschaften. Und das ist natürlich … Die Marke Burschenschaft leidet darunter. Das ist natürlich für uns bedenklich und das zehrt auch an uns.

    Götzke: An diesem Wochenende treffen sich Burschenschafter aus rund 30 reformorientierteren Studentenverbindungen, die sich vom rechtslastigen Dachverband Deutsche Burschenschaft losgesagt haben. Peter Gelbach ist Sprecher dieses sogenannten Märztreffens. Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.