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"Das kann natürlich höchst brisant werden"

Nach der Entscheidung kanadischer Gerichte wird der Waffenhändler Karlheinz Schreiber möglicherweise nach Deutschland ausgeliefert. Nach Ansicht des früheren Vorsitzenden des Spendenuntersuchungsausschusses, Volker Neumann (SPD) könnten dann neue Tatsachen im Zusammenhang mit der CDU-Parteispendenaffäre ans Licht kommen. Davon könnte auch Bundesinnenminister Schäuble betroffen sein.

Moderation: Elke Durak | 09.03.2006
    Elke Durak: Muss die CDU die Auslieferung des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber nach Deutschland fürchten, weil möglicherweise doch noch mehr Licht ins Dunkel der Parteispendenaffäre gebracht werden könnte als bisher? Die Auslieferung Karlheinz Schreibers hatte das höchste Berufungsgericht der kanadischen Provinz Ottawa gestern erlaubt. Postwendend hat Schreibers Anwalt Berufung beim höchsten Gericht Kanadas angekündigt. Das kann sich alles bis zu einem Jahr hinziehen. Aber ausgeschlossen ist durchaus nicht, dass Schreiber ausgeliefert wird. Und dann wird es vielleicht doch noch einmal spannend hier.

    Volker Neumann von der SPD war Vorsitzender des Spendenuntersuchungsausschusses des Bundestages, der wohl 2002 seine Arbeit beendete. Er ist nun am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Neumann.

    Volker Neumann: Guten Morgen.

    Durak: Was glauben Sie: Kommt es zum Prozess, wenn Schreiber, der ja als Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre gilt, wirklich ausgeliefert wird?

    Neumann: Ich denke schon. Es gibt so viele offene Fragen, die die Justiz interessieren, natürlich auch die Öffentlichkeit interessieren, so dass ich denke, es wird ein ganz spannender Prozess werden, wenn er nun tatsächlich ausgeliefert wird. Wann das sein wird, kann man natürlich nicht voraussagen.

    Durak: Was wird ihm denn konkret vorgeworfen?

    Neumann: Steuerhinterziehung, Bestechung vor allen Dingen, das ist der Punkt, der ja auch die politische Öffentlichkeit interessiert. Sind da Menschen bestochen worden, die in politischer Verantwortung sind - vielleicht auch heute noch sind? Also diese Fragen sind alle noch ungeklärt, weil es ja um sehr, sehr viel Geld ging. Thyssen hatte damals über 220 Millionen an Schmiergeldern zur Verfügung gestellt für diesen Panzerdeal mit Saudi-Arabien. Und wir wissen ja schon, dass Schreiber allein 15 Millionen bekommen hat.

    Durak: Herr Neumann, was sollte Herrn Schreiber veranlassen, nun Details sozusagen zum Besten zu geben, die er vorher nicht schon benannt hat? Sie waren ja selbst bei der Anhörung oder bei dem Gespräch mit ihm in Kanada.

    Neumann: Ja also zunächst einmal liegt es im Naturell von Herrn Schreiber, dass er sehr viel erzählt. Nicht alles ist nachvollziehbar, wie etwa bei der konsularischen Vernehmung in Kanada die Behauptung, dass er an die CSU Spenden gegeben hat. Aber er ist vom Naturell her so, dass er sehr viel erzählt. Und ich denke, in den nächsten Tagen wird das schon passieren. Aber der wichtigste Grund für mich ist, dass er aussagen wird, die Frage der Strafmilderung. Das heißt ein Täter, der geständig ist und der mithilft, einen Sachverhalt aufzuklären, der kann mit Strafmilderung rechnen. Und insofern glaube ich, wenn es zu dem Prozess kommt, dass er doch umfassend aussagen wird.

    Durak: Das heißt wenn Schreiber versucht, seine Haut zu retten, könnte es für die CDU/CSU womöglich noch gefährlich werden?

    Neumann: Das kann ich natürlich nicht sagen, weil ich nicht weiß, inwieweit er das belegen kann, was er bei unserer Vernehmung angedeutet hat in Richtung CSU. Aber es kann natürlich politisch höchst brisant werden, wenn er noch mehr Tatsachen erzählt, etwa zu den Verhältnissen der noch amtierenden Politiker. Sie wissen ja noch, dass es damals eine große Auseinandersetzung gab, wer hat vor dem Untersuchungsausschuss die Wahrheit gesagt - Doktor Schäuble oder Frau Baumeister - bei einer Übergabe einer 100.000-Mark-Spende, die auch nicht im Rechenschaftsbericht verzeichnet war. Das war 1994. Und hier geht es um die Glaubwürdigkeit und in diesem Fall natürlich auch um die Glaubwürdigkeit des jetzigen Innenministers.

    Durak: Wolfgang Schäuble, der jetzige Bundesinnenminister, Sie sagen, er ist ja wegen der ganzen Affäre auch vom Parteivorsitz zurückgetreten. Die CDU selbst hatte ja vor Jahren nur mit Mühe diese Affäre überstanden. Gibt es nicht noch Verjährungsfristen, die auslaufen und sagen wir mal die CDU/CSU oder betroffene Personen retten können?

    Neumann: Ja, natürlich. Was die Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss anbelangt, da gibt es Verjährungsfristen von fünf Jahren. Wir haben 2002 die Vernehmung der Zeugen abgeschlossen. Und soweit diese Zeugen die Unwahrheit gesagt haben, kann ihnen passieren, wenn das vorsätzlich geschehen ist, dass noch ein Ermittlungsverfahren erfolgt. Also bis 2007 geht das schon noch.

    Durak: Mit welchen Konsequenzen müssen die dann rechnen?

    Neumann: Da gibt es Strafen drauf, Geld- und Gefängnisstrafen. Also man weiß nicht, ob es dazu kommt. Aber da ist Schreiber nur in einem beschränkten Umfang mit Zeugen in Berührung gekommen, die wir vernommen haben. Da muss man abwarten, ob da etwas kommt. Ich vermute eher deshalb nicht, weil Schreiber ein Mensch ist, der sehr viel auf den Tisch gelegt hat, auch um sich interessant zu machen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er noch sehr viele neue Dinge sagen kann. Aber das ist nicht ausgeschlossen, weil Schreiber einmal gesagt hat, er werde die Dinge sagen, wenn sie den betroffenen Leuten wehtun. Und gerade wenn Leute noch heute in Ämtern sind, dann kann das wehtun.

    Durak: Herr Neumann, wie kann man herausfinden, nach so langer Zeit auch, ob jemand vorsätzlich gelogen hat oder einfach etwas vergessen hat?

    Neumann: Das ist ganz schwer. Aber wenn eine Aussage so ist, dass sie ausgeschmückt ist mit Details, und es stellt sich nachher heraus, dass diese Aussage falsch ist, dann ist es mit Sicherheit vorsätzlich. Weil das Ausschmücken mit Details bedeutet, dass man eine Aussage glaubhafter machen will. Wenn man sich nur bei einem Datum irrt, das kann passieren, oder Nebensächlichkeiten. Aber in dem Fall Baumeister-Schäuble war es so, dass beide ihre Aussagen mit so viel Details unterlegt haben, auch mit Entlastungszeugen unterlegt haben, dass einer gelogen haben muss.

    Durak: Das hat man schon fast vergessen, weil so viel geschehen ist über die Jahre. Das Problem sozusagen Schäuble-Baumeister ist noch offen. Wie sieht es mit den Spendernamen aus, von Helmut Kohl immer noch nicht genannt?

    Neumann: Dazu kann Herr Schreiber natürlich nichts sagen. Und bis heute steht ja nicht fest, woher das Geld gekommen ist. Ich persönlich habe ja meine Zweifel, dass es überhaupt Spender gab. Ich denke, dass werden noch Gelder gewesen sein, die auf irgendwelchen Konten, die wir nicht kennen, lagen und die dann abgehoben worden sind, je nach dem wie man Geld brauchte. Und diese Geschichte mit den Spendern ist dann eine Geschichte, die sich irgendjemand ausgedacht hat, und Herr Kohl hat sie erzählt.

    Durak: Also die schwarzen Kassen in der Schweiz, meinen Sie die?

    Neumann: Ja, da steht ja fest, dass wir bis heute nicht wissen, ob wir alle schwarzen Kassen gefunden haben. Eine große Summe ist ja die gewesen, die jährlich mit einer Million bar gespeist worden ist, von der wir bis heute nicht mit Sicherheit wissen, ob diese Gelder tatsächlich von der Firma Siemens kamen, wie es seinerzeit behauptet worden ist. Siemens hat das bestritten. Aber das steht nicht fest. Das sind ja viele Millionen, die da rein gegangen sind in diese Schweizer Kassen. Wir wissen nicht, ob wir alle Konten hatten, alle Schließfächer hatten. Das kann man heute noch nicht sagen und wird man auch nicht sagen können in Zukunft, denke ich, denn das kommt nicht mehr heraus. Die lebenden Personen schweigen dazu.

    Durak: Warten auf Karlheinz Schreiber und seine möglichen Aussagen. Dankeschön. Das war Volker Neumann von der SPD, ehemaliger Vorsitzender des CDU-Parteispendenuntersuchungsausschusses. Schönen Dank, Herr Neumann, für das Gespräch. Auf Wiederhören

    Neumann: Bitte, tschüss.
    Der Waffenhändler Karlheinz Schreiber in Toronto, Kanada
    Der Waffenhändler Karlheinz Schreiber in Toronto, Kanada (AP)