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Das Kyoto-Protokoll tritt in Kraft und die Emission von Treibhausgasen steigt weiter

Zum ersten Mal verpflichtet sich die Weltgemeinschaft zur Begrenzung des Ausstoßes von Treibhausgasen, darin liegt nach Ansicht von Umweltschützern die Bedeutung des Kyoto-Protokolls. Kritiker wenden ein, das Abkommen sorge gar nicht dafür, dass die Welt künftig weniger Treibhausgase ausstößt als zuvor. Diese Kritik ist berechtigt - allerdings nur wenn sie als Ansporn zu größeren Anstrengungen verstanden wird.

Von Volker Mrasek | 16.02.2005
    In Bonn sitzen sie, die Klima-Inspektoren der UN. Sie wissen, wie es um den Ausstoß von Treibhausgasen weltweit bestellt ist. Im Klima-Sekretariat der Vereinten Nationen laufen alle Drähte zusammen. Denn jeder Vertragsstaat der Klima-Rahmenkonvention von 1992 hat die Pflicht, Buch zu führen über seine Emissionen und die Zahlen nach Bonn zu melden.

    Das gilt selbst für die USA. Die Supermacht boykottiert zwar das Kyoto-Protokoll. Doch die Klima-Vereinbarung von Rio hatte die damalige US-Regierung noch unterzeichnet. Also muss sie auch ihre Emissionen offenlegen.

    Nach den Bilanzen der meisten Industrieländer kann von einer Entlastung des Klimas bisher nicht die Rede sein. Vitaly Madsarski, einer der UN-Inspektoren:

    Die Prognosen für die nächsten Jahre sind alarmierend. Sie zeigen, dass die Emissionen in den Industrieländern nicht zurückgehen, sondern ansteigen. Sie könnten im Jahr 2010 um bis zu 17 Prozent höher liegen als 1990.

    Man dürfe nicht übersehen, dass die USA dabei mit berücksichtigt seien, sagt der UN-Experte. Washington gilt als größter einzelner Klimasünder. Und es will seine Emissionen ja erklärtermaßen nicht reduzieren. Dadurch, so Matsarski, werde die Prognose so düster.

    Doch auch die meisten der 60 Kyoto-Vertragsstaaten bleiben weit hinter ihren Zielen zurück.

    Zum Beispiel Kanada: Hält der augenblickliche Trend an, dürfte das Land in fünf Jahren 20 Prozent mehr Kohlendioxid produzieren als noch 1990. Oder Spanien: Seine Emissionen könnten im selben Zeitraum sogar um 35 Prozent steigen. Womit zugleich deutlich wird: Nicht einmal in der EU sind alle Länder auf Kurs. Das muss auch Franzjosef Schafhausen beobachten. Der Mann aus dem Bundesumweltministerium koordiniert das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung:

    Die gegenwärtige Situation ist / bescheiden. Denn es gibt im Augenblick nur zwei Staaten, die ihr Ziel schon erreicht haben: Großbritannien und Schweden. Alle anderen Staaten sind mehr oder weniger weit von ihrem Ziel entfernt.

    Deshalb ist auch noch keineswegs sicher, ob die Europäische Union ihr Soll erfüllt. Es liegt bei minus 8 Prozent bis 2010. Wobei die Last unterschiedlich auf die einzelnen EU-Länder verteilt ist. Manche dürfen sogar noch zulegen - weil andere besonders ehrgeizige Reduktions-Verpflichtungen eingegangen sind. Zum Beispiel Deutschland, mit minus 21 Prozent ...

    Die Situation in Deutschland ist noch sehr, sehr gut. Wir haben im Augenblick 19,5 Prozent Minderung. Nach allem, was wir wissen, können wir unser Ziel erreichen, was aber kein Selbstläufer ist. Denn wir haben eine unterschiedliche Entwicklung in den verschiedenen Sektoren in Deutschland. Wir haben Minderungen im Bereich Industrie, private Haushalte. Und seit 1999 einen ganz rapiden Anstieg der CO2-Emissionen im Bereich der Energiewirtschaft.

    Warum? Weil schon seit längerem die Braunkohle-Preise niedrig und die Gaspreise hoch sind. Da produzieren die Energieversorger Strom lieber klimaschädlich aus Braunkohle, und ihre emissionsärmeren Gaskraftwerke fahren sie nur in Zeiten der Spitzen-Nachfrage hoch. Die Energiewirtschaft gefährdet also ganz akut Deutschlands Kyoto-Ziele.

    Ein Grund mehr für den Hamburger Klimaforscher Hartmut Graßl, noch einmal anzumahnen, ...

    ... dass man einen massiven Schub in Richtung Förderung der erneuerbaren Energieträger braucht.

    Damit gemeint ist der Schwenk von Kohle und Öl zu Biomasse, Wind- und Solarenergie. Dieser Wandel müsse konsequenter verfolgt werden, urteilt der Wissenschaftliche Beirat [für] Globale Umweltänderungen der Bundesregierung, den Graßl bis vor kurzem leitete ...

    Denn erstaunlicherweise: Obwohl wir in diese prekäre Situation eines falschen Energiesystems geraten sind, haben wir laufend weniger für die Energieforschung in den letzten Jahren ausgegeben. Da ist Deutschland keine Ausnahme.