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Das Museum als Gehirn

Der erste Bau, mit dem Hans Hollein sich in Deutschland bekannt machte, war das Museum Abteiberg in Mönchengladbach von 1985. Dieses Haus bedarf jetzt einer Sanierung, es wird für eine Generalsanierung ein Jahr lang geschlossen. Aber vorher wird noch eine Ausstellung gezeigt, die sinnigerweise mit Raumbezügen beschäftigt: über 30 Künstler sind dabei, Werke aus dem eigenen Bestand, Leihgaben und eigens Geschaffenes.

Von Anne Quirin | 06.05.2006
    Mit einer Selbstbeschau beginnt der Parcours durch die Ausstellung. Geschwungene Spiegeltische bedecken in einer Ecke des Eingangsbereichs Boden und Wand. Die "Mirror Tables" des Designers Ron Arad stimmen den Besucher darauf ein, worauf er sich in den kommenden Stunden besinnen soll. Eben auf sich selbst – als Anspielung auf den Titel "Strange, I’ve seen that face before" – und auf das, was sich da noch spiegelt: Wände, Leuchtröhren, Säulen, Durchgänge – kurz die Architektur Hans Holleins. Sie ist Dreh- und Angelpunkt der Ausstellung, die es mutig mit all den labyrinthischen Gängen, Rundungen und Schrägen des markanten Baus aufnimmt und die Spielereien des Architekten geschickt nutzt.

    "Flexibilität soll nicht Beweglichkeit von Stellwänden und Decken bedeuten, sondern ein Angebot vielschichtiger Situationen, die für ein Kunstwerk entdeckt werden, auf die ein Kunstwerk antwortet. Das Bewegliche ist primär das Kunstwerk und der Mensch. Innerhalb der Architektur…"

    …beschrieb Hans Hollein sein Konzept zum Bau. Passende Antworten auf die Situationen fanden Direktorin Susanne Titz und Kurator Toby Webster vor allem bei jungen britischen Künstlern. Wohl kein Zufall, Webster ist Leiter des Künstler- und Galerieprojektes "Modern Institute" in Glasgow. Richard Wright etwa bemalte die Wand eines kleinen Kuppelraums mit schwarzen Punkten. Von außen nach innen kleiner werdend, ziehen sie den Betrachter in Op Art-Manier geradezu magisch an. Die Intensität variiert je nach Einfall des Tageslichts, das durch die Glasdecke des kapellenartigen Raums einströmt.

    Auf einen Marcel Broodthaers vorbehaltenen Raum nimmt Cerith Wyn Evans Bezug. Das Werkkonvolut des Belgiers belebt er mit einer Soundkomposition aus Text, Musik und Geräusch.

    Wie Requisiten sind in dem Raum Klappstuhl, Truhe, Spiegel, Wanduhr, eine Maske und andere Dinge aufgestellt. Evans, ehemals Regisseur, gefiel die Assoziation mit einem Theater und fügte der optischen eine akustische Wahrnehmungsebene hinzu.

    Wohl bewusst etwas im Abseits steht die raumfüllende Arbeit des Glasgower Künstlers Martin Boyce. Das blau-rot-gelbe Stahlgerüst findet seinen Bezugspunkt nicht innerhalb, sondern außerhalb der Museumsmauern.

    "Mit den Farben und dem Material nimmt es Bezug auf ein Gerüst für Kinder auf einem Spielplatz. Diese Materialien und Formen erinnern an eine bestimmte Art von Landschaft, in diesem Fall an die, öffentlicher Plätze."

    Es ist kein hochgehängtes Konzept, das den Ton der Schau angibt, sondern ein eher spielerischer Umgang mit der postmodernen Architektur Holleins, mit Vergangenheit und Gegenwart, Kunst und Design. Besonderen Reiz entfaltet die Ausstellung dort, wo sensibel auf die Umgebung abgestimmte neue Arbeiten Details des Vorhandenen ins Bewusstsein rücken. Das passiert mal schlicht, mit "Work No. 100" von Martin Creed. Er hat Marmorplatten in genau jene Rautenform zurechtgeschnitten, die auch die Steine im Fußboden aufweisen. Zu einem gut kniehohen Stapel säuberlich aufeinander getürmt stellt Creed sie dem Besucher vor einem Treppenabsatz in den Weg.

    Andere der raumbezogenen Arbeiten kommen dominanter daher. Etwa die faustgroßen, von der Decke hängenden Regentropfen von Urs Fischer. Schräg nach rechts driftend baumeln sie vor einem großen Panoramafenster, das den Blick auf den angrenzenden Skulpturengarten freigibt.

    Die Ausstellung ruft zum rechten Zeitpunkt wieder ins Bewusstsein, welche Qualitäten das Museum Abteiberg samt seiner Sammlung aufzuweisen hat. Unübersehbar aber auch die Wasserflecken und die abgeblätterte Farbe an den Wänden. Die einjährige Schließung wird eine herbe Lücke in die ohnehin dünn besiedelte Kulturlandschaft Mönchengladbachs reißen. Aber zumindest sorgt "Strange, I’ve seen that face before" dafür, dass wir das Museum bis zu seiner Wiedereröffnung in guter Erinnerung behalten werden.