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"Das muss Konsequenzen haben"

"Ich sehe überhaupt keine Möglichkeit, wie sie unter diesen Umständen im Amt bleiben will", sagt Florian Pronold, SPD-Fraktionsvize im Bundestag. Für das Plagiat von Karl-Theodor zu Guttenberg hätte Annette Schavan (CDU) sich "fremdgeschämt". Jetzt müsse sie selbst die Konsequenzen ziehen.

Florian Pronold im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 06.02.2013
    Tobias Armbrüster: Wir reden heute Morgen über die Entscheidung der Universität Düsseldorf gestern Abend, der Bildungsministerin Annette Schavan den Doktortitel wieder zu entziehen. Am Telefon ist jetzt Florian Pronold, der Fraktionsvize der SPD im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen!

    Florian Pronold: Einen wunderschönen guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Pronold, gehören Sie auch zu denen in der Opposition, die Frau Schavan jetzt aus dem Amt jagen wollen?

    Pronold: Ich finde, dass in den letzten Monaten, anders als Herr Bosbach das dargestellt hat, doch ein großes Maß an Fairness war. Alle haben die Entscheidung der Universität abgewartet; jetzt haben 15 zuständige Professoren [über] die Frage beurteilt, ob Frau Schavan getäuscht hat, und sie sagen, ja, sie hat massiv getäuscht und sie hat alle wissenschaftlichen Grundsätze verletzt, und jetzt muss sie das gegen sich gelten lassen, was sie zu Guttenberg gesagt hat, und da hat sie sich fremdgeschämt für dessen Verhalten. Und jetzt kommt heraus, dass sie dieselben Tugenden und dieselben Werte ausgerechnet noch als Bildungsministerin in diesem Land verletzt hat. Ich sehe überhaupt keine Möglichkeit, wie sie unter diesen Umständen im Amt bleiben will.

    Armbrüster: Aber gibt es nicht für jeden in Deutschland das Recht, eine solche Entscheidung anzufechten?

    Pronold: Natürlich gibt es die, aber anders als Herr Bosbach es dargestellt hat, hat die Universität das Recht, jetzt hier diesen Titel abzuerkennen, und natürlich kann Frau Schavan diese Entscheidung anfechten. Aber wenn von 15 Professoren bei zwei Enthaltungen alle zu dem Ergebnis kommen, trotz des großen öffentlichen Drucks, der hier erzeugt worden ist, trotz dem, dass viele versucht haben, die Universität einzuschüchtern, wenn trotzdem dieser Ausschuss zu dem Ergebnis kommt, dass über weite Strecken und nicht in Einzelfällen getäuscht worden ist, dass man sich fremdes Wissen zueigen gemacht hat, dann hat man tatsächlich die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens, die übrigens nicht anders sind heute als vor 33 Jahren, verletzt, und eine Doktorarbeit soll ja gerade deswegen veröffentlicht werden, weil sie einen wissenschaftlichen Standard erfüllt, der auch noch nach 50 oder 100 Jahren gültig ist. Und dass ausgerechnet die Bildungsministerin hier in dieser Art und Weise täuscht und die Wissenschaft in den Schmutz tritt, das muss natürlich Konsequenzen haben.

    Armbrüster: Aber, Herr Pronold, wer sagt denn, dass das Verwaltungsgericht in Düsseldorf das genauso sieht?

    Pronold: Vor Gericht und auf hoher See ist man immer in Gottes Hand. Aber es wird immer ein letztlicher Zweifel bleiben. Sie können selbst in einem Strafverfahren, um die Beispiele von Herrn Bosbach vorher aufzunehmen, nach 30 Jahren noch eine Wiederaufnahme haben und ein sicheres Urteil eines Gerichts auch aufheben. Also insofern gibt es keine absolute Sicherheit. Aber wir haben nun hier ein Urteil von 15 Professoren, die sich wirklich eingehend und unter großem öffentlichen Druck mit dieser Frage beschäftigt haben. Und Entschuldigung, eines möchte ich schon sagen: Ich finde, man kann auch gerade die Wissenschaftsministerin nicht nach anderen Standards behandeln als alle anderen auch, und ich finde es geradezu unerträglich, dass man hier versucht, andere Maßstäbe anzulegen an diejenige, an die besonders strenge Maßstäbe eigentlich angelegt werden müsste.

    Armbrüster: Aber es ist ja ganz eindeutig eine vorläufige Entscheidung, die da gestern gefällt wurde.

    Pronold: Es ist eine Entscheidung, die jetzt zum Entzug des Doktortitels führt, und die kann gerichtlich noch mal angegangen werden. Aber im Endeffekt ist das eine Entscheidung, die von so hoher Bedeutung ist, dass man aus dem Umstand politische Konsequenzen ziehen muss, wenn man das ernst nimmt, was man an andere selber angelegt hat, und Frau Schavan hat sich doch nun eindeutig in der Causa Guttenberg und in allen anderen Fällen auch geäußert und es geht ja hier nicht um ein Bagatelldelikt, sondern es geht um die Frage eines wissenschaftlichen Titels. Und man kann ja zu der Person Schavan trotzdem auch stehen. Ich habe das Plädoyer von dem Herrn Bosbach persönlich, menschlich ja durchaus als honorig empfunden. Aber es gibt zwei unterschiedliche Dinge, nämlich dass, wie ein Mensch als Politikerin oder Politiker agiert, und der hohe Respekt für Frau Schavan in der Vergangenheit. Aber die Art und Weise, wie jetzt umgegangen worden ist im Zuge hier dieses Titelentzuges und was da an Drohkulisse aufgebaut worden ist gegenüber der Universität, da werden Opfer und Täter verwechselt und das ist nicht hinnehmbar.

    Armbrüster: Aber viele Leute, auch nicht CDU-Wähler, sind ja eigentlich zufrieden mit Frau Schavans Arbeit. Sie haben es gesagt: sie hat ein sehr gutes Image, gilt als integere Frau. Sind wir in Deutschland inzwischen manchmal ein bisschen voreilig mit Rücktrittsforderungen?

    Pronold: Nein, ich sehe das in dem Fall nicht, sondern wenn das nach dem üblichen Schema gelaufen wäre, das in so einer Aufregungskultur in der Politik ja oft da ist, dann hätte es schon am Anfang massive Rücktrittsforderungen gegeben. Das ist ja nicht eingetreten, sondern alle, auch die Oppositionsparteien haben sich zurückgehalten, haben die Entscheidung der Universität abgewartet, haben auch sehr vorsichtig auf alles, was an Veröffentlichungen in der Zwischenzeit dort war, reagiert. Und nun hat aber das zuständige Gremium entschieden und in einer Eindeutigkeit und in einer Klarheit, unter Abwägung aller Fakten und auch der Frage, wie lange das schon her ist und ähnlicher Dinge, also da ist jetzt der Zweifel so weit ausgeräumt, dass die Ministerin Konsequenzen ziehen muss, wenn sie die Werte, die sie immer hochhält in der Wissenschaft, wirklich selber für ernst nimmt.

    Armbrüster: Sagt Florian Pronold, der Fraktionsvize der SPD im Deutschen Bundestag. Vielen Dank, Herr Pronold, für das Interview heute Morgen.

    Pronold: Ich bedanke mich.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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