Archiv


Das neue Krebsmedikament Glivec arbeitet nach dem Prinzip der zielgerichteten Therapie

Seit gut einer Woche ist in den USA ein neues Krebsmedikament zugelasssen. Nach nur drei Jahren klinischer Forschung, - normalerweise kann das bis zu 10 Jahren dauern - gab die zuständige amerikanische Behörde das Medikament mit dem Namen Glivec frei für die Therapie der chronisch myeloischen Leukämie. Auch für Deutschland ist die Zulassung beantragt. Pro Jahr erkranken bei uns etwa 1600 Menschen an diesem Blutkrebs. Nun zeigen neueste klinische Studien, dass das Medikament sogar eine weitere Krebsart bekämpfen kann, die ähnliche Fallzahlen hat. Eine seltene Form von Magenkrebs mit dem englischen Namen GIST.

Anja Paumen |
    Wieder ist die Entwicklung rasant. Wie schon zuvor bei den klinischen Studien zum Blutkrebs sind die Therapieerfolge auch beim Magenkrebs überraschend deutlich. Bisher haben weltweit 400 Patienten mit Magenkrebs in klinischen Studien das Medikament eingenommen. Bei vielen hörte der Tumor auf zu wachsen. David Parkinson von der onkologischen Abteilung der Herstellerfirma Novartis fasst die Ergebnisse zusammen:

    "Dieses Medikament, das oral eingenommen wird führt zu erstaunlichen Resultaten. Etwa 90 Prozent der Patienten geben an, dass sie sich nach der Einnahme deutlich besser fühlen. Und bei über 60 Prozent von ihnen schrumpft der Tumor oder er stabilisiert sich zumindest unter dem Einfluss des Medikamentes."

    Bei dem Magenkrebs handelt es sich um eine Form die GIST genannt wird, für gastrointestinales Sarkom. Sowohl Gist als auch die chronisch myeloische Leukämie haben etwas Entscheidendes gemeinsam. Bei beiden kennt man die Ursache für den Krebs: ein Defekt in einem einzigen Gen. Dieser Gendefekt führt dazu, dass in der Zelle ein Eiweiß entsteht, das Schaden anrichtet. Dieses Eiweiß ist ein Enzym, das ständig angeschaltet ist und dadurch die Zelle zu unkontrolliertem Wachstum anregt. Die Therapie besteht nun darin, dieses schädliche Enzym lahm zu legen. Das Medikament wirkt mit Hilfe der sogenannten zielgerichteten Therapie, auf Englisch targeted therapy. Im Zentrum der zielgerichteten Therapie steht immer ein Molekül, das ein Chemiker im Labor entworfen hat. Solche Moleküle nennt man deshalb Designer-Moleküle. Ein Designer-Molekül mit dem Namen STI 571 ist der eigentliche Wirkstoff des neuen Medikamentes. Der Mediziner Goerge Demetri vom Dana-Farber Insitute in Boston erklärt, wie es zum doppelten Erfolg dieses Designer-Moleküls kam:

    "Ein sehr kluger Chemiker setzte bestimmte Teile von kleinen Molekülen zusammen und versuchte dadurch ein bestimmtes Enzym auszuschalten. Er entwarf einen Enzymhemmer, eine Substanz, die das Enzym stoppen sollte. Nun bemerkte er aber, dass es auch ein anderes Enzym ausschaltet und dachte das wäre ein Problem. Aber tatsächlich ist diese zweite Aktivität nun der Grund dafür, dass wir mit einem Medikament zwei Krebsarten behandeln können statt nur eine. Nun können wir sowohl den Blutkrebs bekämpfen, weil das Molekül ein Enzym ausschaltet und wir können Gott sei Dank auch den Magentumor bekämpfen, weil es ein zweites Enzym ausschaltet."

    Der Wissenschaftler betreut die klinischen Studien mit Patienten. Er ist begeistert von dem Medikament und glaubt, dass es durchaus möglich ist, dass es auch bei weiteren Krebsarten wirken kann. Den Grund für seinen Optimismus sieht er in einer dritten Eigenschaft des Designer-Moleküls:

    "Es gibt ein drittes Enzym, dass dieses Medikament ausschalten kann. Und im nächsten Jahr wird man mit nachdruck erforschen, ob dieses Enzym, das in vielen Tumorzellen angeschaltet ist, wie in Hirntumoren, in Prostatakrebs und Brustkrebs, ob das Abschalten dieses Enzyms auch therapeutische Erfolge bringen wird. Hier muss schnell weitergeforscht werden."

    Bereits jetzt ist mit dem designten Wirkstoff für die Forscher ein Traum in Erfüllung gegangen: Sie können zum ersten Mal einen Krebs an seiner Wurzel bekämpfen. Genau den Gendefekt beheben, der aus einer normalen Zelle erst eine Krebszelle macht.

    Trotzdem warnt David Parkinson von der Herstellerfirma vor übertriebenen Hoffnungen. Denn Fakt ist: Das Medikament ist in den USA bisher nur zugelassen für die chronisch myeolische Leukämie. Es hat in klinischen Studien auch deutliche Erfolge gezeigt, für Patienten mit dem Magenkrebs Gist. Alles andere ist noch offen.

    "Es liegt in unserer Verantwortung als Pharmahersteller sicherzustellen, dass Ärzte verstehen was wir bis heute über die Wirkung wissen und was wir noch nicht wissen. Wir haben heute noch keine Informationen darüber, wie es in anderen Krebsarten wirkt. Wir müssen noch viele weitere klinische Studien durchführen. Paienten sollten sich an die entsprechenden Studienzentren wenden, wenn sie uns helfen wollen, diese Fragen zu beantworten."

    Auch in Deutschland gibt es Studienzentren zu diesem Wirkstoff, etwa in Berlin, München oder Essen. Patienten können Einzelheiten von ihrem Onkologen erfahren.