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Das Nibelungenlied als Trash-Soap

Schossig: Analysten können ein Lied davon singen, die Aussichten des Fernsehwerbemarkts sind düsterer denn je. Doch es gibt positive Signale, die Aktien des Unternehmens Pro Sieben SAT1 Medien AG haben sich in dieser Woche von ihren jüngsten Verlusten sichtlich erholt. Vielleicht kommen ja die Kursgewinne daher, dass SAT1 sich in den vergangenen zwei Tagen durch ein ansehnliches TV-event profiliert hat, die Nibelungensage flimmerte in zwei Folgen über die Bildschirme mit hohen Einschaltquoten. Kollege David Eisermann im Studio, das Fantasycocktail, das Regisseur Uli Edel da zusammengequirlt hat, das scheint ja auch todsicher, mythische Könige, schöne Frauen, abgemischt mit gruseligen Fabelwesen und kosmischen Knalleffekten. Was hatten diese SAT1-Nibelungen denn nun mit dem mittelalterlichen Vorbild zu tun?

David Eisermann im Gespräch |
    Eisermann: Ja, die Referenzen für diesen Stoff sind natürlich wie Sie schon angedeutet haben auf der einen Seite das Nibelungenlied, das mittelhochdeutsche Nibelungenlied, auf der anderen Seite dann sicherlich auch Richard Wagner und wie er den Stoff in seinen Opern verarbeitet hat. Und ich denke auch und das merkt man auch an dieser Fernsehbearbeitung die skandinavische Didriks-Saga, von der einige Forscher annehmen dass sie sozusagen die Übersetzung einer besonders alten deutschen Vorlage enthält. Das heißt, es gibt keine Hunnen, es gibt kein Worms, es gibt keine Donau, es gibt keinen König Etzel, es gibt keine Rheintöchter, es gibt keine Walküren.

    Schossig: Was bleibt dann noch übrig?

    Eisermann: Es gibt eine Übernahme von Wagner, es gibt am Ende einen Tod der Brunhilde, den es in der Originalgeschichte eigentlich nicht gibt. Die Originalgeschichte handelt ja eigentlich von den beiden Männern. Von diesem Siegfried, der eigentlich so eine Art erfolgreicher Selfmademan ist, der einheiratet in diese sehr reiche Familie von König Gunther und diese Freundschaft der beiden Männer wird auf eine harte Probe gestellt, weil die beiden Frauen sich nicht vertragen. Also Siegfried ist verheiratet mit Gunthers Schwester Kriemhild und Gunther ist verheiratet wiederum mit Brunhild und Brunhild ist eigentlich eine alte Flamme von Siegfried, die er aber sehr geschickt an Gunther vermittelt hat. Und aus diesem Streit der beiden Frauen entsteht dann eine unglaubliche Familientragödie, in der also hinterher Neid und Gier und Rachsucht natürlich dafür sorgen, dass am Ende sich alle gegenseitig umbringen und nur Brunhild stehen bleibt.

    Schossig: Und woraus schlägt nun Uli Edel sein dramaturgisches Feuer?

    Eisermann: Der Kern dieser Geschichte ist erhalten, wobei er natürlich das Hauptgewicht darauf legt, dass er zeigt, wie Siegfried den Drachen schlägt. So, der Film lebt vor allen Dingen von den Schauspielern. Und in dem Film tauchen, wenn Sie danach fragen ob das ein trashiger Remix ist vielleicht aus allen möglichen Elementen, ja, tauchen also Leute auf, die wir eigentlich aus der Nibelungengeschichte überhaupt nicht kennen. Da gibt es Sachsen zum Beispiel, die sind also direkt entwichen aus den Nebeln von Avalon. Dazu muss man wissen, das ist der letzte große Kostümfilm den Uli Edel gemacht hat. Die geistern also durch diesen Film, angeführt unter anderem von Ralf Möller, alle frisiert wie die Klingonen und belagern unter anderem die Stadt Bonn, die hier im Reich unmittelbar benachbart liegt eigentlich dem Reich der Burgunder. Wir hören das jetzt gleich in einem Ausschnitt wie Hagen, Gunthers bester Mann, Gunther warnt vor Ralf Möller und seiner Bande.

    Schossig: Es wagnert also etwas in diesem Nibelungenstück, es ist aber kein altgermanisches Kultstück. Siegfried ist nicht blond und ist es denn so etwas wie eine nationalpatriotische Identifikationslücke, die jetzt, siehe auch die guten Einschaltquoten, doch jetzt plötzlich gefüllt wird durch diesen Film?
    Eisermann: Blond ist in dieser Geschichte eigentlich erstaunlicherweise nur Brunhild, die ja häufig eben gerade nicht als blond dargestellt wird. Sie wird gespielt von dieser norwegisch-amerikanischen Schauspielerin Kristanna Løken, ein Meter 80 groß, sehr dynamisch, sehr athletisch und der Film lebt auch sehr stark von der Wucht, mit der sie diese Rolle spielt. Nein, also das Interessante an dieser Fernsehproduktion war, dass sie ganz deutlich zeigt, wer heute die Regeln macht im internationalen Fernsehgeschäft. Und das ist eben die englisch-amerikanische Genretradition. Das heißt das Nibelungenepos, auch wenn es 15 Jahrhunderte alt sein mag, Deutschland wird hier eigentlich eingedampft und eingepresst in so eine Art Fantasyfilm. Das heißt, sie haben also alles das, was sie aus anderen Film auch kennen, das Paradigma, dem man hier folgen muss. Wenn Sie die ganzen Sets sehen, wenn Sie die Burgen sehen, wenn Sie sehen wie die Innenräume, wie die Waffen, wie die Kostüme beschaffen sind, dann denken Sie nur an den Herrn der Ringe von Peter Jackson. Also das Ganze wird sehr in diese englisch-amerikanische Fantasyrichtung rübergezogen und das merkt man natürlich auch der Besetzung an. Außer Benno Fürmann als Siegfried ist das ganze also besetzt mit ganz soliden international bekannten Schauspielern wie Max von Sydow, der den Ziehvater gibt von Siegfried und englischen Theaterleuten wie zum Beispiel Julian Sands als Hagen, vielleicht der bestaussehendste Hagen der Kinogeschichte.

    Schossig: Mich macht das irgendwie etwas ratlos, fast traurig, denn wir haben jetzt gesehen Herr der Ringe, King Arthur, Troja, all diese neuen Schinken, die, wie Sie sagen, alle gleich aussehen. Woran liegt das, dass das Publikum sich zufrieden gibt auch immer mit den gleichen Kampfszenen, die großartig martialisch, sehr voluminös vom Klang und da klirrt und kracht es von niederstürzenden Rüstungen. Warum begnügen sich die Menschen mit der Wiederkehr des ewig gleichen?

    Eisermann: Das ist eine sehr gute Frage und ich denke, die zielt direkt ins Publikum. Denn diese Filme werden natürlich gemacht, Uli Edel hat ja ein Budget verbraten von 18 Millionen Euro. Das ist eine Menge Geld für einen Fernsehfilm und das muss dann international gegenfinanziert werden durch Verkäufe in viele Länder. Und man geht mal auf Nummer sicher, man partipiziert also an einer Genrekultur, die im wesentlichen definiert ist durch Computerspiele, durch Rollenspiele und durch englisch-amerikanische Fantasyvorbilder. Das heißt, die Produzenten gehen hier auf Nummer sicher, wenn man nur ein bisschen davon abweicht, Sie haben King Arthur erwähnt von Antoine Fuquas, der Film war ja ein Flop, obwohl er in vieler Hinsicht das ganz ähnlich versucht hat. Spielt auch genau zu dieser Zeit fünftes, sechstes Jahrhundert, das sind ja so die dunklen Jahrhunderte in Europa, bei denen man auch in der Öffentlichkeit kein Bild davon hat, wie sah es damals eigentlich genau aus und wie waren die Leute gekleidet, entsprechend sind auch die ganzen Sets immer sehr fake und das ist auch hier im Nibelungenfilm von Uli Edel so, dass es alles nicht so aussieht wie es vielleicht ausgesehen haben könnte.

    Schossig: Eine große Chance wurde wirklich vergeben finde ich auch bei King Arthur es wurde nicht über diesen großen Widerspruch Heidentum, Übergang zum Christentum also Kampf der Ideologien, Clash der Kulturen zu dieser Zeit, das tut Uli Edel überhaupt nicht, aktualisiert auch nicht.

    Eisermann: Nein, das Publikum, wenn ich eben davon gesprochen habe, dass ihre Frage ins Publikum zielt, das Publikum sind eben wirklich vor allen Dingen jüngere Leute. Und die jüngeren Leute haben eben nur eine sehr computerspielhafte trashige Vorstellung von den alten Zeiten wie es früher mal gewesen sein mag. Das sehen Sie daran, dass hier zum Beispiel immer Allvater Odin durch diesen Nibelungenfilm von Uli Edel wabert, der nun wirklich mit den Nibelungen gar nichts zu tun hat. Aber der passt eben so zu einer vielleicht germanentümelnden Rezeption wie sie heute unter Teenies und Twens Mode ist.
    Schossig: Soweit David Eisermann mit einem Rückblick auf die Nibelungen als Fernsehsoap gestern und vorgestern bei SAT1. Vielen Dank.