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Das Oscar-Barometer der amerikanischen Filmbranche

Früher ein Festival für den kanadischen Film, ist das Toronto International Film Festival zu dem Ereignis für den amerikanischen Film geworden. Es gibt eigentlich nur einen wichtigen Preis: den Publikumspreis. In den letzten Jahren haben Filme gewonnen, die später bei den Oscars abgeräumt haben.

Von Susanne Burg | 14.09.2011
    Besonders am Abend verwandelt sich Toronto im Zentrum in ein einziges großes Straßenfest. Bands, volle Bars und Restaurants - und vor nahezu jedem Theater und Kino der Stadt stehen Fans am Roten Teppich und warten.

    Sie wissen zwar nicht immer, auf wen sie warten, aber egal, dabei sein ist alles.

    Das Festival bringt Energie in die kanadische Stadt. Es bringt Prestige, Geld und eine Menge Stars. Die Liste ist unendlich lang - Brad Pitt, George Clooney, Clive Owen, Keira Knightly - und frisch aus Venedig eingeflogen: Michael Fassbender. Dort hat er gerade den besten Darstellerpreis für seine Rolle in "Shame" bekommen. Er wird seit Tagen von Termin zu Termin gereicht, in Venedig per Boot, hier im Auto.

    "I am walking around in cars instead of in boats. Otherwise it's really a bit of a whirlwind really."

    Toronto hat keine Berührungsangst mit dem Mainstreamkino. Genauso laufen aber auch österreichische Avantgarde- oder amerikanische Independentfilme. Altmeister Francis Ford Coppola ist mit "Twixt" beim Festival, einem experimentellen Horrorfilm, der die Ästhetik von Stumm-, genauso wie von modernen Horrorfilmen benutzt, der Traumsequenzen und 3-D-Szenen hat. Val Killer spielt einen erfolglosen Schriftsteller, der durch die Provinz tingelt, um seine Bücher zu verkaufen und der in den mysteriösen Mordfall eines Mädchens gerät. Am Ende spielt ein Motorbootunfall eine zentrale Rolle. Eine fantastische Geschichte mit einer sehr persönlichen Dimension für Coppola. 1986 kam sein Sohn Gian-Carlo bei einem Bootsunfall ums Leben.

    Ich hatte keine Ahnung, dass mich der Film dort hinbringt, sagt Francis Ford Coppola sichtlich bewegt. Ich wusste nicht, wie sehr ich mich verantwortlich fühlte für das, was vor 25 Jahren passiert ist. Ich hätte dort sein sollen.

    Die Filmkritik war dennoch vernichtend. Das Branchenblatt "The Hollywood Reporter" sprach von einem peinlichen Jugendfilm und der wohl "dümmsten" Arbeit eines einst wichtigen Filmemachers. Das ist hart und ungerecht, aber Francis Ford Coppola ist solche Kritik gewohnt.

    Der Pate hat fürchterliche Kritiken bekommen als er herauskam, erzählt Coppola. Auch bei den darauffolgenden Filmen, bei "Der Pate - Teil II" oder "Apokalypse Now" sagten die Leute: 'Das ist der schlimmste Mist, den Hollywood seit vierzig Jahren hervorgebracht hat.' 30 Jahre später sind es dann plötzlich Klassiker. Ich muss also noch 30 Jahre warten bei den Filmen, die ich jetzt mache. Aber in 30 Jahren bin ich nicht mehr da.

    Einsame Männer in Krisen, auf Sinnsuche und im Kampf mit sich selber - dieses Thema zieht sich durch viele der Filme in Toronto. Durch den neuen Film von Marc Forster, "Machine Gun Preacher" - oder auch durch "Rampart" von Oren Moverman, dem Regisseur von "The Messenger - Die Letzte Nachricht". Diesmal ist Woody Harrelson ein durch und durch korrupter Polizist in Los Angeles. Die amerikanische Filmgeschichte ist zwar nicht arm an korrupten Polizisten, aber mit Darstellung von Denzel Washington, Harvey Keitel oder Richard Gere wollte Harrelson gar nicht erst konkurrieren, sagt er.

    "Für mich war das Wichtigste, in die Gedankenwelt eines Polizisten hineinzufinden. Mit Polizisten durch L.A. zu fahren, hat mir geholfen."

    Harrelson findet sich beeindruckend in diese Gedankenwelt. "Rampart" ist die brutale filmische Reise in das Innere eines Polizisten, der sich selber aus dem Sumpf herausziehen will, aber immer tiefer hineingerät und dem dabei vor lauter Druck fast der Kopf platzt. Visuell ist der Film ein einziger Angriff von Farben und Klang. Das Sonnenlicht erdrückt, und auch ohne große Action schwebt ständig Spannung in der Luft. Am Sonntag werden in Toronto die Publikumspreise vergeben, die ersten Stimmungsmacher und -baromenter für die Ocar-Nominierungen. Und "Rampart" ist definitiv ein Anwärter.

    Toronto International Film Festival