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Das rote Meer von Barney Creeks

Meereskunde. - Heute ist selbst noch am tiefsten Punkt des Marianengrabens reichlich Sauerstoff vorhanden, so dass in elf Kilometern Wassertiefe noch Fische leben können. Als die Erde jung war, war das wohl ganz anders. Auf der Goldschmidt-Konferenz der Geochemiker, die derzeit in Köln stattfindet, wurde auch über die Suche nach Lebensspuren aus einer Zeit diskutiert, in der es nur Mikroben gab, die kaum Fossilien hinterlassen.

Von Dagmar Röhrlich | 22.08.2007
    Wo auch immer Australien vor 1,6 Milliarden Jahren auch gelegen haben mag, es war von einem seltsamen Meer umgeben. Tiefrot schimmerte der Ozean unter der Sonne:

    "Dieses Meer war wirklich vollkommen anders als alles, was wir später in der Erdgeschichte sehen. Das Meer war vollkommen von Bakterien dominiert und eine Gruppe, die ganz besonders häufig war, waren die purpurfarbenen und grünen Schwefelbakterien."

    Die vertragen keinen Sauerstoff, aber lieben dafür Schwefelwasserstoff, erklärt Jochen Brocks von der australischen Nationaluniversität in Canberra. Und Schwefelwasserstoff gab es reichlich, weshalb das Meer bestialisch nach faulen Eiern gestunken haben muss. Verraten haben das Bohrkerne aus Nordaustralien:

    "Die Proben wurden von einer Ölfirma genommen in der 80er Jahren. Das damalige Meer lag sehr nahe an dem heutigen Golf von Carpenteria, das ist das Meer, das Australien von Papua Neuguinea trennt."

    Die Analyse der Steine zeigt, dass in diesem fernen Meer vor 1,6 Milliarden Jahren die Welt für sauerstoffhassende Mikroben noch in Ordnung war: Konkurrenz war nicht in Sicht. Zwar betrieben die Cyanobakterien damals schon lange die sauerstoffproduzierende Photosynthese, aber noch war Sauerstoff rar. Das bremste die Evolution für mehr als eine Milliarde Jahre aus - zusammen mit der Tatsache, dass dieser Sulfidozean für höhere Organismen giftig war. So lautet eine Theorie. Um zu enträtseln, was passierte, setzen die Geologen auf chemische Lebensspuren:

    "Wenn ich sterbe und in einen Sumpf falle, dann wird man in einigen Hundert Millionen Jahren noch Cholestan finden, das ist das molekulare Fossil von dem Lipid Cholesterol. Und in dieser Weise haben sehr viele verschiedene Bakterien und Algen und Pflanzen verschiedene Moleküle, die wirklich festlegen, dass diese Organismen zu einem bestimmten Zeitpunkt existiert haben."

    Diese molekularen Fossilien sind im Grunde nichts anderes als Erdöl, komplizierte organische Strukturen, die in den Steinen Ewigkeiten überstehen:

    "Die Struktur ist nicht mehr ganz genau die gleiche, aber sehr viele Moleküle haben immer noch eine sehr ähnliche Struktur. Und diese Schwefelbakterien, die machen ganz besondere Carotinoide, die am Ende zwei aromatische Ringe haben, und nur diese Schwefelbakterien können diese Moleküle produzieren."

    Ihre chemischen Fingerabdrücke stecken massenhaft in den Bohrkernen, so dass das Meer voll von Schwefelbakterien gewesen sein muss. Mehr noch: Weil auch diese Schwefelbakterien eine besondere Form der Photosynthese betreiben, bei der kein Sauerstoff frei wird, hängen auch sie vom Sonnenlicht ab und können nur knapp unter der Meeresoberfläche leben. Vollkommen sauerstofffrei war das Meer aber nicht. Das beweisen molekulare Fossilien von sauerstoffproduzierenden Cyanobakterien, die in der allerobersten Wasserschicht gelebt haben müssen:

    "Wir hatten also Cyanobakterien, wir hatten phototrophe Schwefelbakterien, wir hatten aber sehr wenige und an manchen Stellen vielleicht überhaupt keine Algen."

    Die Weltmeere waren so etwas wie ein Marmorkuchen, glaubt Brocks. In flachen Becken reicherten Cyanobakterien den Sauerstoff an. Und es gab schier endlose Tiefen voll mit sulfidhaltigem Meerwasser, indem sauerstofffeindliche Mikroben dümpelten. Die Zeit arbeitete jedoch für die Cyanobakterien. Tote Mikroben sanken auf den Meeresgrund und verwandelten sich in Öl:

    "Für jedes Kohlenstoffatom, das in sedimentären Gesteinen vergraben wird, bekommen wir einen Sauerstoff in der Atmosphäre. Umso mehr organische Materie vergraben wird, umso mehr Erdöl im Gestein bleibt, umso höher wird die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre. Irgendwann wurde die Sauerstoffkonzentration so hoch in der Atmosphäre, dass der Weltozean schließlich oxidiert ist."

    Damit war der Weg frei für die Entwicklung der Tiere. Um die Theorie zu erhärten, dass es diesen Ozean nicht nur vor Nordaustralien gab sondern dass er weltweit war, sucht Jochen Brocks jetzt Proben aus Russland und China zu bekommen.