
Vor zwei Jahren hatte Entwickler Massimo Guarini vorsichtig gefragt, ob er Steven Wilsons Musik für ein Spiel verwenden darf - Guarini hatte das bewegende animierte Video zu Wilsons Song "Drive Home" gesehen und sah das Potenzial. Wilson war zwar am Ende begeistert, aber seine erste Reaktion war eher ablehnend.
"Seine ersten Worte waren: 'ich mag keine Videospiele'. Wahrscheinlich hat er sich so etwas wie 'Pac Man' vorgestellt."
Fast 20 Jahre lang war Guarini Teil der sogenannten Triple A, also Blockbuster-Industrie, hat an Spielen wie "Rainbow Six" und "Tomb Raider" gearbeitet. Das wahre Potenzial des Mediums entdeckte er durch das japanische Spiel "Ico".
"Das war wahrscheinlich das erste Spiel, das man als wirklich emotional bezeichnen könnte. In 'Ico' ging es vor allem darum, eine emotionale Bindung zu den Charakteren zu erzeugen - komplett ohne Dialoge und Erklärungen."
"So eine Geschichte über Themen wie Verlust, Liebe und Trauer zu erzählen, war eine große Herausforderung. Wie erzeugt man mit Interaktion und mit Spielmechaniken Gefühle? Aber gleichzeitig war genau das der Grund, warum ich aus der Geschichte unbedingt ein Spiel machen wollte – denn wenn man selbst in den Schuhen der Figuren steckt, erlebt man diese Gefühle noch unmittelbarer und viel stärker", sagt Massimo Guarini.
Als Carl, der im Rollstuhl sitzt, entdeckt der Spieler, dass er durch die Gemälde seiner verstorbenen Frau June noch einmal die Stunden vor dem Unfall erleben kann. Seine Hoffnung ist, die Vergangenheit zu ändern und so seine Frau zu retten.
"Aber nicht als Carl - das ist der Twist - sondern als die Dorfbewohner, die unwissentlich zum Unfall beigetragen haben, wie beim Schmetterlingseffekt. Das Kind, der Jäger, der alte Mann und die beste Freundin - ihr Leben ist mit dem von Carl und June verwoben und im Spiel geht es darum, die genau richtige Kombination von Ereignissen zu finden."
So erlebt man aus immer neuen Perspektiven das idyllische Dorf am Meer, das mit seiner Handvoll Bewohner fast an Michael Endes "Lummerland" erinnert. Durch seine wunderschöne Aquarell-Optik und die elegische Musik von Steven Wilson entfaltet sich "Last Day of June" fast wie ein surrealer Traum. Das Spiel borgt Elemente aus Filmen wie "Und Täglich Grüßt das Murmeltier" und Pixars "Oben", aber vor allem sind es kleine Details, denen es seinen besonderen Charme verdankt. Etwa eine Blume, mit deren Blättern Carl "sie liebt mich, sie liebt mich nicht" spielt.
Mit ihren gerade mal vier Stunden Spielzeit füllt die melancholische und philosophische Geschichte ziemlich genau einen Nachmittag. Viele der liebevoll erdachten Momente - vor allem aber das bewegende Ende - wirken aber lange nach und zeigen, dass man manchmal viel sagen kann, ohne ein Wort zu sprechen.