Donnerstag, 28. März 2024

Das Sportsystem heute
Nebenjob Weltmeister

Viele Leistungssportler sind unzufrieden mit der Sportförderung in Deutschland. Das geht sogar so weit, dass einige ganz aufhören mit ihrer eigentlichen Leidenschaft. Der Abschlussfilm "Nebenjob Weltmeister" der Klasse 52K der Deutschen Journalistenschule deckt Mängel eindrucksvoll auf.

Von Victoria Reith | 01.10.2014
    Die beiden Journalistenschüler Yannick Lowin (l.) und Francesco Giammarco
    Die beiden Journalistenschüler Yannick Lowin (l.) und Francesco Giammarco (DLF / Jessica Sturmberg)
    Olympiasiegerin, Weltmeisterin, mehrmalige Europameisterin. Die Kanutin Franziska Weber ist all das und trotzdem kennt kaum jemand ihren Namen. Doch das ist nicht das eigentliche Problem, sondern höchstens ein Teil davon. Sie hemmt, dass sie mit ihrem Sport kaum etwas verdient. Sie studiert und ist Leistungssportlerin. Und wenn sie von einem zu viel macht, kann sie das andere nicht mehr stemmen. Denn um in der Sportförderung zu bleiben, müssen Resultate her - jedes Jahr.
    Mit Bildern der 25-Jährigen Potsdamerin beginnt der Film "Nebenjob Weltmeister", den 15 Nachwuchsjournalisten der Deutschen Journalistenschule in München gemeinsam konzeptioniert, gedreht und gefertigt haben. Die Idee zum knapp 20-minütigen Film hatte der Yannick Lowin, der auf der Facebookseite des Sprinters Sven Knipphals einen wütenden Post über die Sportförderung gelesen hatte. Knipphals ist ebenfalls Protagonist im Film. Er arbeitet Teilzeit als Chiropraktiker und ist Vierter bei den Deutschen Meisterschaften geworden. "Es geht um ein paar Hundertstel", sagt er. Hätte er mehr Zeit gehabt, um zu trainieren, wer weiß, ob er eine Medaille erreicht hätte.
    Saba Bolaghi hat abgeschlossen mit dem Spitzensport. Der Ringer hat Bronze bei der Europameisterschaft im eigenen Land geholt. Er wollte später mal seinem Vater mit dem Spitzensport den Lebensunterhalt finanzieren, doch er konnte nicht einmal selbst davon leben Heute studiert er Medizin. Viel hat er mit seinem Sport aufgegeben, sagt er, "vor allem den Adler auf der Brust."
    Wunsch und Realität driften auseinander
    Francesco Giammarco ist ebenfalls beteiligt an "Nebenjob Weltmeister" gewesen. Er sagt: "Wir wollen offensichtlich Helden haben. Dann sehen wir Leute wie Saba Bolaghi, der eigentlich ein Traum ist. Ein junger Mensch mit Migrationshintergrund, die unser Land repräsentieren, das auch ihr Land ist. Aber jemand wie Bolaghi fällt hinten runter. Das finde ich seltsam." Jetzt macht Bolaghi Mixed Martial Arts - und kämpft, wie im Film beschrieben, im Käfig statt in Rio 2016.
    Als Sportler bei Zoll, Bundeswehr und Bundespolizei zu arbeiten, verschafft ein sicheres Einkommen. Die Staatssportler sind Erfolgsgaranten, doch nicht jeder will und kann Sportsoldat sein. Der Film illustriert, dass der Bund 160 Millionen Euro in die Spitzensportförderung investiert, dass jedoch nur so viel direkt an die Sportler geht, dass sie auf Hartz-IV-Niveau leben können. Das Innenministerium in Person seines Abteilungsleiters Sport Gerhard Böhm bestätigt: Oberstes Ziel sei es, dass sich die Investition in Form von Goldmedaillen trotzdem rentiert.
    Deshalb hat Robert Harting gemeinsam mit anderen ein neues Modell erdacht und will 100 Sportler mit Hilfe der Deutschen Sportlotterie fördern - ähnliches hat bereits in Großbritannien Früchte getragen.
    Das Innenministerium hat im Übrigen kein Interesse gezeigt, "Nebenjob Weltmeister" zu sehen. Sehr wohl jedoch die Sportler selbst, die im Film die bestimmenden Protagonisten sind.
    Das Gespräch zwischen Marina Schweizer und den Journalistenschülern Yannick Lowin und Francesco Giammarco können Sie über den Audioplayer oben rechts nachhören.