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Das Unglück als Schreibantrieb

Gerade 27 Jahre alt war der 1982 in Südrumänien geborene Constantin Virgil Banescu als er sich 2009 das Leben nahm. Bis dahin aber hatte er schon drei Gedichtbände veröffentlicht, von denen der Büchnerpreisträger Oskar Pastior zwei ins Deutsche übersetzt hat.

Von Tobias Lehmkuhl | 02.05.2011
    Es ist schwer, die Gedichte Constantin Virgil Banescus nicht biografisch, nicht vom frühen Freitod des Autors her zu lesen. Aber was spricht auch dagegen? Manchmal eben hat die Literatur doch etwas mit dem Leben zu tun, mit dem individuellen Leben ihres Schöpfers. Sie ist dann nicht einfach nur Kunst –das ist sie im Falle von "Der Hund, die Frau und die Liebäugler" ohnehin – sie ist zugleich Lebensgeschichte, Lebensbericht, ist die in wenige Worte gekleidete Mitteilung von den Sehnsüchten und Ängsten des Menschen Banescu:

    "dies da ist Haëla
    welche hinfort leib & seele mir
    zu tode quälen wird
    berühren durfte ich sie schon
    als ausgebuffter schwere- & gewissensnöter
    habe ich ihr meinen ersten gedichtband versprochen
    klar: schreiben würde ich ihn nicht
    wenn ich glücklich wäre"


    Das Unglück als Schreibantrieb ist vor allem jenen bekannt, die über das Tagebuchschreiben nicht hinausgekommen sind. Für die Literatur braucht es einen stärkeren Beweggrund als die emotionale Rührung, braucht es einen Formwillen und die Fähigkeit, den Worten eine Art Allgemeingültigkeit zu verleihen. Der Leser muss die Gedanken und Gefühle nicht nur nachvollziehen, sondern auch als die seinen wiedererkennen können. Dieses Kunststück gelingt Banescu, indem er als verbindendes Element zwischen dem Gedicht und seinem Leser den Humor einsetzt. So existenziell viele seiner Verse anmuten, so einfach sie auch geschrieben scheinen – leise Ironie durchzieht sie wie ein feiner Faden. Banescu besitzt die Fähigkeit, von sich selbst abzusehen und den Leser mit einzubeziehen:

    "unter der haut verbirgt sich mein fleisch
    ruhend sind mir im liegen
    frauenkörper in den sinn gekommen
    und wäre nichts mir in den sinn gekommen
    so wären es doch frauenkörper
    die mir nicht in den sinn gekommen wären"


    Die Liebe, die Sexualität, der Tod – dass sind die Themen Constantin Virgil Banescus. Der Dichter hat sich nicht lange mit Nebensächlichkeiten aufgehalten, er ist gleich aufs Ganze gegangen, so spielerisch wie leidenschaftlich. Es war wohl diese Furchtlosigkeit, war der Furor, mit dem sich Banescu in die Literatur geworfen hat, was Oskar Pastior an diesen Gedichten so fasziniert hat. Von der ersten Seite der Übersetzung an kann man diese Faszination nachvollziehen. Banescus meist knappe, mit wenigen Worten auskommende Diktion wirkt nie bloß sentenzenhaft. Als wäre "Der Hund, die Frau und die Liebäugler" ein Haufen Kohlen, glüht jedes dieser kleinen, scheinbar schlichten Gedichte hell, kraftvoll, mitunter auch rätselhaft dunkel, strahlt dabei aber immer eine tiefe, menschliche Wärme aus. Kurz ist Banescu auf der Welt gewesen, kurz und heftig hat er mit ihr gerungen, und kunstvoll hat er von diesem auch komischen Kampf Zeugnis abgelegt hat.

    "ich kann mir das zimmer mit dem lehnstuhl gut vorstellen
    wo statt der fenster leiber sind
    die sterben würden wenn man sie stieße
    und ich kann sie stoßen
    und ich stoße sie"


    Constantin Virgil Banescu: Der Hund, die Frau und die Liebäugler. Übersetzt von Oskar Pastior. Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2010. 92 Seiten.