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Daten-Limes für die Funk-Etikette

Keine andere neue Technologie ist unter Datenschützern so umstritten wie Radio Frequency Identification - kurz RFID. Denn die kleinen Funkchips, die etwa in Preisschilder oder Geldscheine integriert werden können, bieten nicht nur ganz neue Möglichkeiten in der Logistik, sondern auch in der Überwachung. Verknüpft man die funkenden Etiketten überdies mit Personendaten, wird der Datenschutz regelrecht in Frage gestellt. Die Gesellschaft für Informatik hat daher jetzt die Bundesregierung aufgefordert, in Sachen RFID aktiv zu werden. Der Präsident der , Professor Matthias Jarke, erläuterte gegenüber Computer & Kommunikation, welche Risiken in den mitteilsamen Etiketten liegen.

    Matthias Jarke: Die RFID-Technologie bietet einerseits enorme Chancen, andererseits birgt sie aber auch große Risiken. Wir denken, dass sich eine Expertenkommission damit beschäftigen muss, bestimmte Risiken von RFID auszuschließen, ohne aber dadurch die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland zu gefährden. Das Problem liegt darin, dass das Datenschutzrecht hier nicht direkt greift, weil die RFID-Chips an Objekten und nicht an Personen angebracht sind. Dennoch können die Markierung leicht mit Personen verknüpft werden, etwa indem Kundenkarten oder aber auch Kleidung damit ausgestattet werden. Denn so können Personen so lange verfolgt werden, wie sie ein derart markiertes Kleidungsstück tragen"

    Manfred Kloiber: Welche scharfen Linien zum Datenschutz müssen ihrer Ansicht nach gezogen werden ?

    Jarke: Zunächst sollte die Grenze ganz klar sein, dass wenn ein mit einem RFID-Label versehenes Gerät an einen Kunden verkauft wird, dann auch die Funketikette deaktiviert wird oder nur auf ausdrücklichen Wunsch des Käufers aktiviert bleibt, etwa wenn es zum Diebstahlschutz dient. Die Grenze sollte immer dort gezogen werden, wo eine Verfolgung des Kunden beispielsweise über den Einkauf hinaus ermöglicht wird. Das bedeutet insbesondere, dass wir RFID-Markierungen auf Geld - was dann sehr gut verfolgbar wäre, auf Kleidung oder auf Fahrzeugen für sehr riskant halten und dazu tendieren, dass eine derartige Verwendung untersagt werden sollte. Eine weitere Forderung betrifft die Deaktivierung von RFID beziehungsweise die Verfolgung der Ware nach Übernahme durch den Käufer. Das Auslesen der Daten sollte für den Verbraucher leicht erkennbar sein. Dieser Vorgang kann heute sehr gut versteckt werden. Überdies ist ein Auskunftsrecht über die Nutzung dieser Daten zu fordern - analog zum Datenschutzrecht, selbst wenn es sich dabei nicht direkt um personenbezogene Informationen handelt. Drittens müssen noch klar definierte IT-Sicherheitslösungen geschaffen werden, die nicht den geplanten Gebrauch von RFID, sondern den Missbrauch durch Dritte betreffen. Denn prinzipiell kann ja jeder diese RFID-Etiketten auslesen.

    Kloiber: RFID wurde von Weltkonzernen entwickelt und wird von diesen auch vermarktet. Die Bundesregierung dagegen kann lediglich in Deutschland wirken. Müsste sich ihr Appell somit nicht vielmehr an jene richten, die hierzulande Anwendungen dafür programmieren?

    Jarke: Wir empfehlen Informatikern und Informatikerinnen, sich über RFID zu informieren. Auf den ersten Blick erscheint die Technologie sehr einfach, dennoch besitzt sie komplexe Schärfen und Konsequenzen. Unser Arbeitskreis Datenschutz und Datensicherheit hat deshalb auf den Webseiten der Gesellschaft für Informatik eine sehr sorgfältige und ausgewogene Darstellung der RFID-Technologie und ihrer Risiken erstellt. Die zweite Anforderung an eine solche Information ist natürlich, dass man bei entsprechenden Systemanalysen Seiteneffekte und Missbrauchsmöglichkeiten mit einbezieht. Was den Einfluss rein nationaler Gesetzgebung angeht, so ist RFID natürlich ein internationales Problem, das international diskutiert wird. Trotzdem ist der rechtliche Rahmen, das Telekommunikationsgesetz, das Datenschutzrecht noch national. Das macht bis zu einem gewissen Grad auch Sinn, denn im Gegensatz zur Mobiltelefonie oder dem Internet liegt die Leseentfernung dieser Geräte bei 50 Metern - und das ist in der Regel ja innerhalb der nationalen Grenzen gut kontrollierbar.

    Kloiber: Auf der anderen Seite ist gerade die Deutsche Bundesregierung und besonders ihr Bundesinnenminister Otto Schily sehr an der RFID-Technik interessiert - ebenso die Europäische Zentralbank. Daher wird - wenn überhaupt - doch eine sehr starke und lebhafte Diskussion darum geführt werden?

    Jarke: Wir wollen ja gerade diese Diskussion. Es ist klar, dass Deutschland in der Mitte Europas an der Logistikthematik zentral interessiert sein und für die Aufrechterhaltung seiner Wettbewerbsfähigkeit viel unternehmen muss. Daneben bestehen große Probleme mit der Fälschung von Banknoten. Alle diese Punkte müssen in die Diskussion einfließen. Aber das Problem kann man nicht dadurch lösen, dass man es schlicht verneint.

    [Quelle: Manfred Kloiber]