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"Death Cafés"
Kaffee, Kuchen, Tod

In "Death Cafés" können Trauernde über das sprechen, was sie bewegt und was Nicht-Trauernde kaum verstehen. Die Idee stammt aus der Schweiz, das Franchise-Konzept aus Großbritannien, in Deutschland steht die Bewegung noch am Anfang. Ein Besuch im Berliner "Café Tod".

Von Matthias Bertsch | 25.10.2017
    Eine Frau hält sich die Hände vor das Gesicht.
    Gedanken an Tod und Verlust können quälend sein. In Death Cafés sollen Menschen Ängste und Trauer abbauen können (imago )
    "Ja, ich würde gerne anfangen mit einer Dankbarkeitsrunde. Wofür ist man in diesem Moment dankbar? So als Beginn, und bevor wir uns vorstellen..."
    Vier Frauen und ein Mann, der Journalist, haben es sich in Berlin-Schöneberg im Hinterzimmer der Funeral Ladies an einem runden Tisch bequem gemacht. Hier, in den Räumen zweier Bestatterinnen, die großen Wert auf eine sehr individuelle und familiäre Trauerbegleitung legen, findet alle paar Monate das "Café Tod" statt. Organisiert wird es von Angela Fournes, ebenfalls eine Bestatterin. Sie ist es auch, die den Kaffee gekocht und den Kuchen besorgt hat. Die Frauen, die dieses Mal zum Death Café gekommen sind, kennen sich nicht, und trotzdem öffnen sie sich schnell für die anderen.
    "Ich bin auch dankbar, dass ich jetzt hier bin, weil es was ganz Ungewöhnliches ist, und das hab ich noch nie erlebt, und es ist neu in meinem Leben, und ich bin auch dankbar, dass ich dem Tod so nah begegnen konnte, also dass ich beim Sterben meines Vaters tatsächlich wirklich dabei war und das ist ein Geschenk, das konnte ich erleben, dass das so ist."
    "Wenn einem der Tod das Liebste nimmt, dann haut das rein"
    Auch in der zweiten Einstiegsrunde - warum bin ich gekommen? - erzählen die Teilnehmerinnen sehr persönlich aus Ihrem Leben.
    "Im April vergangenen Jahres ist meine Frau gestorben, und das war ein großer Bruch in meinem Leben, dem Tod bin ich allerdings schon des Öfteren begegnet und ich hab mich von Kindheit an auch mit dem Tod beschäftigt. Und von daher ist mir der Tod eigentlich auch nicht fremd. Wenn aber einem der Tod das Liebste nimmt, was man hatte, dann haut das rein. Das ist schlimm. Und die Erfahrung ist neu gewesen für mich."
    Dann legt der Journalist das Mikrofon zur Seite: eine der Frauen hat deutlich gemacht, dass sie nicht aufgenommen werden will, eine andere, dass auch sie lieber anonym bleiben möchte. Auch das kann zu einem Death Café gehören, vor allem, wenn die Gruppe so klein ist, sagt Initiatorin Angela Fournes.
    "Ich kann's auch verstehen, man öffnet sich da relativ viel oder weit, um das Thema überhaupt angehen zu können, man muss erst mal ein paar Schichten immer runter lassen oder öffnen, um zu dem Thema zu kommen, weil man das gut verpackt. Ja, sehr oft ist es, weil man jemand verloren hat, und dann weiß man nicht, auch wenn man denkt vielleicht, dass die Trauer vorbei ist und dass doch irgendwas auf einmal hoch kommt oder Tränen kommen und das möchte man natürlich nicht dann publik machen."
    5.000 Cafés in 50 Ländern
    Und dennoch gibt es dieses Bedürfnis - gerade in den westlichen hoch individualisierten Gesellschaften - über den Tod und das Sterben sprechen, davon ist Bernard Crettaz überzeugt. Der Schweizer Soziologe und Museumsdirektor, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema auseinandersetzt, hatte 2004 zum ersten "Café mortel" geladen. Die Resonanz war groß, rund hundert weitere "Café sterblich" folgten - immer bei Kaffee und Kuchen und ohne irgendeinen Zwang, die Atmosphäre war Crettaz wichtig. Doch eine richtige Bewegung wurde es erst, als der Brite Jon Underwood sechs Jahre später davon erfuhr und daraus eine Art soziales Franchise-Unternehmen machte: das Death Café.
    Underwood ist vor wenigen Wochen im Alter von 44 Jahren überraschend an Leukämie gestorben, doch sein Vermächtnis lebt weiter: Inzwischen gibt es fast 5.000 Death Cafés in gut 50 Ländern, vor allem in der angelsächsischen Welt und Westeuropa. Um in der Liste der Death Cafés zu erscheinen, müssen ein paar Bedingungen erfüllt sein. Dazu gehören: kein Eintritt, kein Profit und - niemand darf zu irgendeinem Handeln genötigt werden. Und noch eines ist wichtig: Ein Death Café bietet keine professionelle Trauerbegleitung.
    "Unwissenheit ist das, was auch die Angst bringt"
    "Es geht darum, sich einfach über das Thema auszutauschen und zu hören, wie gehen die anderen damit um oder was Erfahrungen haben die anderen und dass man sich so gegenseitig befruchten kann quasi, oder dass man voneinander lernen kann von den Erfahrungen, weil jede Erfahrung ist anders, weil jeder Mensch anders stirbt, so kann man einfach im Gespräch darüber schon viel von der Unwissenheit abbauen und diese Unwissenheit ist das, was auch die Angst bringt."
    Beim "Café Tod" in Schöneberg berichten zwei der Frauen, wie wichtig es für sie war, enge Familienmitglieder beim Sterben zu begleiten und bei der Bestattung möglichst viel mitzugestalten. Sie erzählen von der Schwierigkeit, nach dem Verlust eines geliebten Menschen das eigene Leben weiterzuleben. Die Angst vor dem Tod ist ihnen fremd - wie auch bei Angela Fournes, die das Café Tod in Berlin vor gut vier Jahren ins Leben gerufen hat.
    Die Trauer teilen
    Das ist bei den beiden anderen Teilnehmenden anders. Die vierte Frau in der Runde berichtet von den Panikattacken, die sie seit dem Tod ihrer Katze, mit der sie 15 Jahre zusammengelebt hat, überfallen. Nach zwei Stunden muss eine der Frauen gehen, die anderen schließen sich an, doch bevor sich das "Café Tod" auflöst, will Angela Fournes wissen, wie die Anwesenden das Treffen erlebt haben.
    "Also ich möchte sagen, dass ich, merke ich, den Wunsch habe, dass Sie Ihre Angst verlieren und du auch die Angst verlierst, und dass ich den Eindruck hab, ich werde hier nicht zum letzten Mal gewesen sein, und dass ich für dich auch wünsche, dass sich da vieles wandeln kann, über lange, lange Zeit." - "Es wandelt sich, und ich glaube, dass die Runde dazu ganz viel beiträgt. Für mich war das sehr interessant und schön, das miteinander zu teilen."