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Debatte in der Türkei über Todesstrafe
Bundesregierung droht mit Ende der EU-Beitrittsverhandlungen

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in einem Telefonat mit dem türkischen Prasidenten Recep Tayip Erdogan besorgt über die derzeitige Verhaftungswelle geäußert. Die Wiedereinführung der Todesstrafe sei zudem unvereinbar mit einer Mitgliedschaft der Türkei in der EU. Ähnlich äußerten sich weitere westliche Spitzenpolitiker.

18.07.2016
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Rayyip Erdogan bei einer UNO-Konferenz in Istanbul.
    Deutschland will die Türkei im Falle einer Wiedereinführung der Todesstrafe nicht in die EU aufnehmen. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Kanzlerin Merkel forderte den türkischen Präsidenten in einem Telefonat auf, bei der Reaktion auf den Putschversuch die Prinzipien von Verhältnismäßigkeit und Rechtstaatlichkeit zu achten. Die Welle von Verhaftungen und Entlassungen in der Türkei gebe "Anlass zu großer Sorge", sagte Merkel nach Angaben einer Regierungssprecherin in dem Gespräch. Zudem habe Merkel Erdogan darauf hingewiesen, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe von Deutschland und der Europäischen Union vehement abgelehnt werde und "mit dem Ziel einer EU-Mitgliedschaft in keiner Weise vereinbar" sei.
    Zuvor hatte bereits die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach einem Treffen mit US-Außenminister John Kerry in Brüssel gesagt, kein Land mit Todesstrafe werde in die EU aufgenommen. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert hatte sich ähnlich geäußert.
    Kritik vom Europarat
    Der Europarat hatte eine mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe ebenfalls kritisiert. Kein Mitgliedsstaat dürfe die Todesstrafe anwenden, sagte Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarates, dem "Tagesspiegel". Das sei eine Verpflichtung unter dem Statut des Europarats. Die Türkei habe beide Protokolle ratifiziert, mit der die Todesstrafe unter allen Umständen abgelehnt werde.
    Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber kritisierte die Reaktion der türkischen Regierung auf den gescheiteren Putschversuch. Eine EU-Vollmitgliedschaft für die Türkei sei derzeit irreal, sagte er im DLF.
    Verpflichtung aus der Europäischen Menschenrechtskonvention
    Die Todesstrafe wurde in der Türkei seit 1984 nicht mehr vollstreckt. Sie wurde im Jahr 2004 im Zuge des Strebens der Türkei nach einer EU-Mitgliedschaft abgeschafft. Zudem hat sich die Türkei über Zusatzprotokolle zur Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet, niemanden mehr zu Tode zu verurteilen.
    Der türkische Parlamentspräsident Kahraman, Präsident Erdogan sowie ehemalige Präsident Gül bei der Trauerfeier für Opfer des gescheiterten Aufstands in Istanbul.
    Der türkische Parlamentspräsident Kahraman, Präsident Erdogan sowie der ehemalige Präsident Gül bei der Trauerfeier für Opfer des gescheiterten Aufstands in Istanbul. (picture alliance /dpa /EPA /Sedat Suna)
    Nach dem Putschversuch hatte Staatschef Erdogan am Sonntagabend vor Anhängern die Möglichkeit einer Wiedereinführung der Todesstrafe angedeutet. Die Regierung werde mit der Opposition darüber beraten und eine Entscheidung treffen, sagte Erdogan.
    (cvo/hba)