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Debatte um Merkel-Nachfolge
Schäuble und Oettinger werben für Merz

Zwei Tage vor der entscheidenden Abstimmung um den CDU-Parteivorsitz hat sich Wolfgang Schäuble festgelegt: In einem Zeitungsinterview sprach er sich offen für seinen langjährigen Freund Friedrich Merz aus. Gleiches gilt auch für Günther Oettinger. Welche Wirkung hat dies auf die Delegierten?

Von Stephan Detjen | 05.12.2018
    Friedrich Merz, Mitglied der CDU, bei einer Pressekonferenz in Berlin
    Friedrich Merz, Mitglied der CDU, bei einer Pressekonferenz in Berlin (imago / Omer Messinger)
    Vor vier Wochen, kurz nach der Rückzugsankündigung von Angela Merkel, saßen Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre beiden Mitbewerber um die Nachfolge der Vorsitzenden im Büro des CDU Bundesgeschäftsführers Klaus Schüler zusammen. Da Kramp-Karrenbauer als Kandidatin nun nicht mehr als Generalsekretärin die Regeln des Wettbewerbs bestimmen konnte, hatte Schüler die Organisation der Regionalkonferenzen übernommen. Der Parteimanager nahm den drei Kandidaten einen Schwur ab: Sie versprachen, alles zu unterlassen, was am Ende zu einer Spaltung der Partei führen könne. Wenige Tage später, nach dem Ende der ersten Regionalkonferenz, hatten die drei so viel Übereinstimmung und Harmonie versprüht, dass ein junges Parteimitglied fragte, worin denn nun eigentlich der Unterschied zwischen AKK, Spahn und Merz bestehe:
    "Wir haben miteinander verabredet, daran halte ich mich und die beiden anderen reden auch, dass wir nur gut übereinander sprechen",
    antwortete Friedrich Merz für alle drei. Nur einmal, nachdem er der CDU im Deutschlandfunk vorgeworfen hatte, den Aufstieg der AfD achselzuckend hingenommen zu haben, wurde der Friede kurz brüchig.
    Schäuble spricht sich offen für Merz aus
    Hinter den Kulissen aber arbeiteten die Anhänger der Kandidaten daran, ihre Lager für ihren Favoriten oder die Favoritin zu mobilisieren. Zwei Tage vor Beginn des Parteitags in Hamburg geschieht nun auch, was viele Beobachter seit Langem erwartet hatten: Wolfgang Schäuble spricht sich in einem "FAZ"-Interview offen für seinen langjährigen Freund Friedrich Merz aus. Schäuble, der in seiner Partei eine unvergleichliche Autorität genießt, erklärt die Wahl des Parteivorsitzenden zu einer staatspolitischen Angelegenheit: "Es wäre das Beste für das Land, wenn Friedrich Merz eine Mehrheit auf dem Parteitag erhielte", sagt Schäuble. Seine Wahl würde es erleichtern, die politischen Ränder zu schwächen, die Kräfte in der Mitte zu integrieren und das System insgesamt zu stabilisieren. Das ist die Diktion, in der auch Merz auf den Regionalkonferenzen verspricht, die AfD zu halbieren. Das Kalkül vieler Merz-Anhänger rechnet ein, dass damit auch die SPD wieder zu alter Stärke zurückfinden könne, weil die Rückgewinnung verlorener Anhänger aus dem konservativen Milieu eine Abwanderung von CDU Wählern nach links mehr als ausgleichen werde.
    Im Deutschlandfunk ergreift heute Morgen auch EU-Kommissar Günther Oettinger für Merz Partei:
    "Da ist jemand gut, der fünf Jahre im Europäischen Parlament gewesen war, der die USA wie kein zweiter kennt, der die Atlantik-Brücke ehrenamtlich geführt hat, der als Wirtschaftsanwalt viele Jahre Unternehmen beraten hat, weiß wie Wirtschaft tickt, wie Arbeitsplätze geschaffen werden, und der auch in Europa bekannt ist. Deswegen traue ich ihm mit seiner Erfahrung und seiner besonderen Kompetenz am ehesten das Amt des CDU-Chefs zu."
    Jens Spahn bleibt gelassen
    Oettinger und Merz sind sich seit ihrer politischen Jugend im legendären CDU-Männerbund Andenpakt verbunden. Es waren vor allem auch ältere, männliche Parteimitglieder, die Merz auf den Regionalkonferenzen mit stehenden Ovationen feierten. Immer öfter ist die Sorge zu hören, dass sie sich im Falle eines Sieges von Kramp-Karrenbauer enttäuscht und resigniert von der Partei abwenden könnten. Sogar von Austrittsdrohungen ist die Rede. Zugleich aber wird auch im Lager von Kramp-Karrenbauer mobilisiert. Zuletzt sprach sich etwa der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther offen für die Wahl der Saarländerin aus.
    Jens Spahn, der dritte im Kandidatenbund nimmt die immer offener zutage tretende Lagerbildung zumindest vordergründig gelassen:
    "Ich denke, viele Delegierten wissen es zu schätzen, dass sie jetzt wissen, wen Wolfgang Schäuble wählen will, wen Daniel Günther wählen will."
    Sagt der Bundesgesundheitsminister heute im ARD-Morgenmagazin.
    "Mein Eindruck ist aber auch, viele, viele Delegierte wissen auch zu schätzen, dass sie die Wahl haben am Freitag und, dass wir ja ein Verfahren haben wie seit 1971 nicht mehr in der CDU, dass es nämlich mehr als einen Kandidaten gibt und es deswegen richtig spannend wird am Freitag."
    Tatsächlich wagt kaum ein Insider oder Beobachter zwei Tage vor dem Parteitag eine Prognose. In Probeastimmungen in den Kreisverbänden, so ist zu hören, habe es unter den Mitgliedern meist Mehrheiten für Merz gegeben. In der Wählerschaft dagegen, so behaupten Meinungsumfragen, gebe es eine Mehrheit für Kramp-Karrenbauer. Die Delegierten schließlich, so ist immer wieder zu hören, seien hin und hergerissen zwischen Herz und Bauch, eigenen Präferenzen und Stimmungen an der Basis sowie der nüchternen Frage, wer eigene Mandate und Posten wohl am besten absichere.