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Dem Schmutz keine Chance

Technik. - Oft schon versprachen Entwickler segensreiche Wunder wie etwa Fensterscheiben, die nie wieder geputzt werden müssen, oder Häuserwände, die mit Leichtigkeit von schlechten Graffitis befreit werden können. Das Geheimnis, das dahinter steht, ist der so genannte Lotuseffekt, bei dem eine besonders präparierte Oberfläche anderen Substanzen keine Anhaftung mehr gewährt. Dresdner Materialforscher trieben die Entwicklung jetzt sogar noch weiter und schufen ein Polymer, dessen Lotuseffekt nach Belieben an- und abschaltbar ist.

27.01.2004
    An einem Modellstück demonstriert Mirko Nitschke vom
    Institut für Polymerforschung in Dresden in Dresden, was es mit dem Lotuseffekt auf sich hat: "Diese Probe wurde in einem Plasma-Ätzprozess aufgeraut. Wenn man darauf einen Wassertropfen gibt, perlt der sofort ab." Der Grund liegt in mikroskopisch kleinen Erhebungen, die die Oberflächenbehandlung hinterließ. Das Phänomen ist indes nicht völlig neu, aber die Dresdner Forscher konnten es auf ihren Folien entscheidend verbessern: denn quasi per Knopfdruck lässt sich der Lotuseffekt abschalten, so dass Wasser doch wieder an dem Plastik haftet. Dazu Nitschke: "Dafür verantwortlich ist eine zusätzliche Beschichtung auf der angerauten Oberfläche." Dazu werden zwei verschiedene Sorten von Polymer-Molekülen quasi auf die Oberfläche aufgepfropft, die dann etwa wie Borsten einer Bürste abstehen. Während die eine Molekülgruppe aber "Wasser liebt" – also hydrophil ist – stößt die andere Sorte Wasser ab und ist hydrophob. Je nachdem, welche Eigenschaften eine auftreffende Flüssigkeit besitzt, treten die entsprechenden Moleküle dann hervor, erklärt Professor Manfred Stamm vom Institut für Polymerforschung: "Mit einem passenden Lösungsmittel können wir eine Molekülsorte gezielt anquellen lassen, während die Gegensorte kollabiert. Nach dem Trocknen bestimmt dann der aufgequollene Molekültypus die Oberflächeneigenschaften des Materials."

    Damit erreichen Stamm und seine Kollegen, dass der Kunststoff etwa hydrophil reagiert und so Wasser an sich bindet, während ein apolares Lösungsmittel wie Toluol dazu keine Chance hat und einfach abperlt. Je nach Behandlung ist natürlich auch ein gegensätzliches Verhalten nach Belieben zu erzeugen. "Momentan müssen wir das Material dazu noch in verschiedene Lösungsmittel eintauchen. Aber wir arbeiten derzeit daran, auch über andere Mechanismen wie etwa Licht oder elektrische Felder den Lotuseffekt zu schalten", berichtet Stamm. Dann wären der Verwendung der Lotos-Folie kaum mehr Grenzen gesetzt: denkbar sind beispielsweise winzige Ventile, die ohne bewegliche Teile auskommen und so für Minilabors auf kleinen Chips eingesetzt werden könnten. Solche so genannten "Lab-on-a-chip-Systeme" sollen zukünftig die Arzneientwicklung beschleunigen und Kosten senken. "Eine andere Möglichkeit wäre ein ultra-wasserabweisender Stoff für Regenjacken. Wenn das Textil aber gewaschen werden soll, könnte der Lotuseffekt dafür deaktiviert werden", schwärmt Stamm. Der Reinlichkeit sind dabei keine Grenzen gesetzt, denn die winzigen Moleküle, die den Effekt hervorrufen, verlieren ihre Funktion dabei nicht und können beliebig oft hin- und hergeschaltet werden.

    [Quelle: Uta Bilow]